In der Champions League bekommt es der FC Arsenal wieder einmal mit dem FC Barcelona zu tun (20.45 Uhr im LIVETICKER). Die Erfahrung der letzten zehn Jahre lehrt: Da gibt es für die Gunners nichts zu lachen. Ein Rückblick auf legendäre Spiele und Geschichten von gebrochenen Knochen und richtungsweisenden Tacklings. Doch zunächst - soviel Zeit muss sein - ein Gebet.
Lasst uns beten: Fünf Spiele zwischen Barcelona und dem FC Arsenal gab es in den vergangenen zehn Jahren. Einmal traf man sich im Endspiel, einmal im Achtel- und einmal im Viertelfinale der Champions League. Immer hieß der Sieger FC Barcelona.
Auch diesmal scheinen die Rollen eindeutig verteilt zu sein. Arsenal spielt in der heimischen Premier League zwar vorne mit und blickt auf zwei Titel im FA Cup in Folge zurück, doch die Lücke zwischen den Gunners und den absoluten Topteams in Europa scheint nicht kleiner geworden zu sein. Und dann ist da ja noch so eine Kleinigkeit: der Barca-Sturm. Der, also Luis Suarez, Neymar und Lionel Messi, hat 91 Tore Pflichtspieltore in dieser Saison geschossen.
"Arsenal kann nur beten", sagt Matt Law vom Telegraph stellvertretend für die Erwartungshaltung auf der Insel. "Barca ist seit 32 Spielen ungeschlagen und spielt seit Wochen Harlem-Globetrotters-Fußball. Die drei da vorne gegen Per Mertesacker? Ich sehe keine Chance, schon gar nicht über zwei Spiele."
Suarez vs. Arsenal 41:41
Der Mirror reibt den Gunners noch unter die Nase, dass ja Suarez alleine so viele Tore in dieser Saison geschossen habe wie Arsenal. Der Vergleich ist allerdings unfair: Bei Suarez wurden alle Wettbewerbe gezählt, bei Arsenal nur die Liga. 41 ist übrigens die fragliche Nummer.
Thierry Henry, der mit beiden Klubs reichlich Titel sammelte, will keinen Tipp abgeben, scheint sich aber doch große Sorgen um seine alte Liebe Arsenal zu machen. "Sie müssen damit klarkommen, nur 30 Prozent Ballbesitz zu haben und ihr gewohntes Angriffsspiel zu großen Teilen zu opfern", schreibt Titi in der Sun.
Außerdem empfiehlt er, die Konter konsequent zu Ende zu spielen und mit großer Effizienz abzuschließen. Gute Tipps, keine Frage. Allerdings war das zuletzt so eine Sache mit der Effizienz bei den Gunners.
Abwehrchef Mertesacker beklagte nach dem mageren 0:0 im FA Cup gegen Zweitligist Hull am Samstag völlig zu Recht das fehlende Etwas im Spiel der Londoner. "Im letzten Drittel des Spielfelds hat uns die Klarheit gefehlt, der letzte Pass hat nicht gepasst", moserte der deutsche Weltmeister.
Sanchez schwächelt
Relativ entspannt geht Alexis Sanchez in das Duell mit seinem Ex-Klub. Er bereue es nicht, Barcelona verlassen zu haben. Arsenal sei eine gute Wahl gewesen und - ja klar - ein Spiel gegen Barca immer was Besonderes. Und, nein nein, er habe sich nichts für den Fall überlegt, dass er ein Tor gegen seinen früheren Traumverein erzielen sollte.
Da sind wir gleich beim nächsten Arsenal-Problem. Während Suarez, Messi und Neymar alles kurz und klein schießen, ist bei den Gunners nicht einmal auf den chilenischen Stürmerstar Verlass.
Sanchez hat in der Liga (gut, er war auch ein Weilchen verletzt) seit Oktober nicht mehr getroffen. Gegen Hull kam er als Joker auf den Platz - und zog sich mit zwei eigensinnigen Aktionen nebst Ballverlust sofort den unüberhörbaren Unmut des eigenen Publikums zu. Die Hoffnungsträger heißen wohl eher Giroud, Özil und Welbeck. Noch ein Grund mehr zu beten.
Das große Finale feat. Mad Jens: Ein einziges Mal schnupperte Arsenal am ganz großen Wurf. Die Gunners hatten 2005/2006 eine nahezu perfekte Kampagne gespielt. Fünf Siege, ein Remis in der Vorrunde, ohne ein einziges Gegentor durch die K.o.-Spiele, dabei hatten die Gegner Real Madrid, Juventus Turin und FC Villarreal geheißen.
Jens Lehmann hieß der Held im Halbfinal-Rückspiel im El Madrigal in Villarreal. Der deutsche Keeper parierte einen Strafstoß von Riquelme in der 90. Minute und bewahrte Arsenal damit vor der Verlängerung und dem möglichen Aus.
Im Endspiel im Stade de France in Paris sollte "Mad Jens" gegen den FC Barcelona eine ganz andere Rolle spielen.
Es war die 18. Minute. Arsenal hatte viel besser in die Partie gefunden als der Gegner aus Katalonien. Allein in den ersten drei Minuten hatte Thierry Henry zweimal die Führung für die Gunners auf dem Fuß. Doch dann kippte das Match.
Ein fataler Pfiff
Samuel Eto'o brach plötzlich durch die Viererkette der Londoner und marschierte allein aufs Tor zu. Ein Fall für Lehmann, der den Kameruner regelwidrig kurz vor dem Strafraum stoppte. Der norwegische Schiedsrichter Terje Hauge zögerte keine Sekunde. Freistoß Barca. Rot für Lehmann.
"Ich dachte, Eto'o sei im Abseits gewesen", meinte der deutsche Nationalkeeper in einer ersten Reaktion. Und dann in Richtung des Schiedsrichters: "Ich hatte schon nach wenigen Minuten das Gefühl, dass der mich runterstellen will." Vermutlich muss man Lehmann schon persönlich fragen, will man ergründen, was er damit meinte.
Hauge jedenfalls räumte später ein, dass er die Situation auch anders hätte lösen können: "Ich muss gestehen, dass ich vielleicht einen Moment zu früh gepfiffen habe."
Hatte er tatsächlich. Denn unmittelbar nach Lehmanns Foul war der Ball bei Barca-Angreifer Ludovic Giuly gelandet, der ihn locker ins verwaiste Tor schob. Doch Hauge pfiff Barca Vorteil und 1:0 weg und schickte Lehmann zum Duschen.
Larsson für van Bommel
Die Rausstellung ihres Torhüters war für die Gunners der Anfang vom Ende, auch wenn sie durch eine Standardsituation glücklich in Führung gehen sollten. Doch irgendwann konnten sie dem Dauerdruck Barcas nicht mehr standhalten.
Entscheidenden Einfluss nahm Frank Rijkaark nach einer Stunde Spielzeit. Mit der Einwechslung von Henrik Larsson für Mark van Bommel schalteten die Spanier in der Offensive noch einen Gang höher.
Und der damals schon 34-jährige Schwede wurde mit seinen beiden Assists für Eto'o und Juliano Belletti zum Matchwinner. Jens Lehmann wurde trotz seines Fauxpas als bester Keeper der CL-Saison ausgezeichnet und spielte anschließend eine starke WM.
Fabregas und die große Messi-Show: Knapp vier Jahre nach dem Finale von Paris traf man sich wieder. Im Viertelfinale. Erster Stopp: Emirates Stadium. Barcelona war Chef im Ring. Die ersten 20 Minuten waren eine Demonstration der Spielstärke der Katalanen. "In der Champions League haben wir noch nie so gut gespielt wie heute", sagte Pep Guardiola.
Das Problem war nur: Barca versäumte es, seine Überlegenheit in Tore umzumünzen. Das geschah dann nach dem Seitenwechsel. Zlatan Ibrahimovic schoss die Blaugrana mit zwei sehenswerten Treffern in Front.
Wer jetzt aber glaubte, Arsenal würde kollabieren, sah sich getäuscht. Theo Walcott schloss einen Hochgeschwindigkeitsangriff der Gunners zum 1:2 ab.
Schienbein und Cesc brechen
Und dann die 85. Minute: Carles Puyol holt Cesc Fabregas im Duell der Mannschaftskapitäne von den Beinen und sieht Rot. Fabregas hämmert den fälligen Strafstoß mit Schmackes zum 2:2-Endstand ins Tor.
Was da noch niemand ahnte: Es sollte Fabregas letzte Aktion der Saison gewesen sein. Diagnose: Schienbeinbruch. Ob er sich die Verletzung bei Puyols Foul oder dem vehement getretenen Elfmeter oder ob er sogar schon mit der Verletzung ins Spiel gegangen war, konnte nicht mehr rekonstruiert werden.
Jedenfalls war "Captain Courageous" out for the season. "Mein Bein ist gebrochen - und irgendwie bin ich auch gebrochen", sagte er anschließend. Er wolle jetzt dafür beten, dass Arsenal ins Finale käme, dann wäre er vielleicht wieder mit von der Partie. Doch soweit sollte es nicht kommen.
Zauberhafter Messi
Nächster und letzter Stopp: Camp Nou. Arsenal kam richtig gut ins Spiel und ging durch Nicklas Bendtner sogar in Führung (18.). Allerdings 72 Minuten zu früh.
Das Gegentor küsste Barcelona wach und vor allem einen Mann. Lionel Messi lieferte eines seiner denkwürdigsten Spiele ab. Eine Leistung vom anderen Stern. Der damals 22-Jährige entschied die Partie binnen 20 Minuten per Hattrick im Alleingang und setzte kurz vor Schluss auch noch den Treffer zum Endstand.
Arsene Wenger verneigte sich anschließend artig vor dem "besten Spieler der Welt".
So zauberhaft wie Barca damals im April 2010 spielte, so sehr mag es verwundern, dass Jose Mourinho und Inter Mailand ein paar Wochen später den Champions-League-Pokal in den Madrider Nachthimmel reckten. Aber das ist eine andere Geschichte...
Die Grätsche seines Lebens: Ein Jahr später hieß es schon wieder Arsenal gegen Barca. Diesmal im Achtelfinale. Wieder fand die erste Partie in London statt. Anders als beim ersten Mal jedoch sahen die 60.000 diesmal eine viel mutigere Gunners-Mannschaft, die Barca große Probleme bereitete.
Dennoch schien alles für den Favoriten zu laufen, nachdem David Villa zur Führung getroffen hatte. Arsenal bewies aber wieder Moral und sollte noch zwei denkwürdige Tore erzielen.
Robin van Persie traf aus unmöglichem Winkel zum Ausgleich, der eingewechselte Andreij Arshavin nach einer fantastischen Kombination über Fabregas und Samir Nasri zum Sieg.
Während Guardiola angefressen war, fand's Wenger richtig gut: "Ich bin stolz auf die mentale Stärke, die wir gezeigt haben. Gegen Barcelona bist du oft am Rande der Niederlage, aber wir haben nie aufgegeben. Wir haben in der zweiten Hälfte den Raum enger gemacht und ich denke, dass sie auch etwas müder geworden sind. Ich bin überzeugt, dass wir es schaffen können, ins Viertelfinale einzuziehen."
Kein Mitleid für van Persie
Leider folgten den Worten des Trainers im Rückspiel keine Taten. Die Gunners mauerten, was das Zeug hielt ("Arsenal hat keine drei Pässe gespielt und hatte keinen Torschuss", Guardiola), und es grenzte an ein Wunder, dass ihnen der Ausgleich nach Messis Führungstreffer gelang.
Bezeichnender Weise war es Barcas Sergio Busquets, der nach einer Ecke ins eigene Tor traf. Aber immerhin: Zu diesem Zeitpunkt war Arsenal eine Runde weiter.
Kurz nach dem Ausgleich flog aber dann Robin van Persie vom Platz. Er hatte angeblich einen Abseitspfiff überhört und noch aufs Tor gezimmert. Schiri Massimo Busacca hielt aber wenig von der Ausrede und vom viel zitierten Fingerspitzengefühl auch nicht und zeigte die Ampelkarte.
Mascherano räumt Bendtner weg
In Überzahl kombinierte Barca gegen hoffnungslos unterlegene Gunners dann die 3:1-Führung heraus. Arsenal sollte aber noch seine Chance bekommen: Jack Wilshere spielte Bendtner in der 88. Minute herrlich frei, und der Däne hatte freie Fahrt aufs Barca-Tor.
Wer weiß, was ihm damals in diesem Moment alles durch den Kopf ging. Hätte er getroffen, wäre er jedenfalls der King gewesen und sein Team im Viertelfinale.
Doch er hatte die Rechnung ohne Barcas Wadenbeißer Javier Mascherano gemacht. Der kleine Argentinier räumte Ball und Bendtner am Elfmeterpunkt mit einer Harakiri-Grätsche weg - und besiegelte damit das Aus der Gunners.
Für Mascherano war die Rettungsaktion der Wendepunkt seiner Karriere: "Es gibt ein VOR dem Tackling und ein DANACH", sagt er heute im Rückblick. "Ganz ehrlich, nach fünf, sechs Monaten in Barcelona dachte ich: Hier bleibe ich nicht lange. Alles wofür ich stehe, ist das komplette Gegenteil davon, wofür Barca steht."
Inzwischen ist Mascherano in seinem sechsten Jahr bei den Katalanen, hat 13 Titel mit ihnen gewonnen - und passt eigentlich ganz gut zu Barca. Bendtner wurde nicht King of Camp Nou, aber immerhin Lord.
40 Millionen und 1 Pfund: Die Karriere von Luis Suarez ist ja nicht gerade arm an aufregenden Geschichten. Besonders dramatisch war es im Sommer 2013 und das hatte wohlgemerkt nichts mit seinen Zähnen zu tun, sondern mit Arsenal.
Suarez wollte weg vom FC Liverpool und runter nach London - und zwar unbedingt. Und Arsenal hätte den treffsicheren Uruguayer gerne gehabt, schließlich weinte man immer noch Robin van Persie hinterher.
Also bot Arsenal den Reds 40 Millionen und ein Pfund (40.000.001), in dem Glauben, damit der Ausstiegsklausel in Suarez' Vertrag genüge getan zu haben. Auch der Stürmer war fest davon überzeugt, dass die Angelegenheit damit erledigt sei.
"Luis, Du bleibst!"
Doch beide hatten die Rechnung ohne John W. Henry gemacht. Für den Milliardär, der Kleinigkeiten wie den Boston Globe, die Red Sox und eben den FC Liverpool zu großen Teilen sein eigen nennt, sind Randnotizen in Arbeitsverträgen eher sekundär. Sinngemäß sagte er damals "Scheiß drauf!", womit er sowohl Suarez öffentliches Flehen nach seinem Verkauf, als auch Arsenals Offerte meinte.
Das eine Pfund extra soll ihn sowieso gewurmt haben. Henrys Direktive, die Reds-Vorstandschef Tom Werner per SMS ("Luis, Du bleibst!") amtlich machte, erwies sich als Glücksfall, besonders für Suarez selbst. Seine 31 Tore allein in der Liga katapultierten ihn in die absolute Weltklasse und machten es erst möglich, dass sich sein Kindheitstraum vom großen FC Barcelona erfüllte.
"Ich habe mir nie wirklich Gedanken darüber gemacht, was passiert wäre, wenn Liverpool Arsenals Angebot angenommen hätte", gab er in seiner Biografie "Crossing the Line" zu. Vielleicht besser so.
Wie stoppt man Luis Suarez?
Auch Liverpool profitierte von Suarez' Verbleib. Immerhin durfte man dank seiner Treffer bis kurz vor Toreschluss vom ersten Meistertitel seit 1990 träumen. Und dann gab's ja den Scheck vom FCB. 40 Millionen Pfund plus 35 Millionen.
Gar kein schlechter Schnitt. Mag sein, dass man auf Seiten Arsenals hie und da mal darüber nachgedacht hat, wie es denn hätte sein können, wenn Suarez nach London gekommen wäre.
Aktuell sollten sich die Gedanken aber nur darum drehen, wie man den Mann stoppen kann, falls das denn überhaupt möglich ist.
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