Roboter-Fußball vs. Defensivtaktisches Limit

Von SPOX
16 zu 6 steht's nach Toren in der redaktionsinternen Tipprunde für die Bayern
© getty

Nicht nur Fußballdeutschland, sondern auch die SPOX-Chefredaktion spaltet sich vor dem großen Finale am Samstag in zwei Lager. Während die BVB-Fraktion auf einen Dortmunder Sahnetag und einen knappen Sieg hofft, ist sich der Rest sicher: Der FC Bayern macht's deutlich. Hier sind unsere Tipps.

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"Keine zweite Chance"

Die Bayern spielen Roboter-Fußball. Sehr schönen Roboter-Fußball, aber das kann für sie auch zu einer Gefahr werden. Die Münchener erreichen ein permanent hohes Level, diktieren das Geschehen immer von der Spitze weg. Es gibt kaum Ausreißer nach unten. Was passiert aber, wenn etwas Ungewöhnliches oder Unvorhergesehenes passiert? Oder wenn die Mannschaft in Rückstand gerät? Es sind nur 90 Minuten in Wembley, kein Rückspiel, keine zweite Chance.

In dieser Saison haben die Bayern keins von drei Champions-League-Spielen, in denen sie in Rückstand geraten sind, noch gewonnen; zwei davon gingen verloren. Der BVB erscheint mir da - so viele Nachteile er sonst auch gegenüber den Bayern haben mögen - in gewisser Weise im Vorteil. Diese Mannschaft spielt anarchischer, wilder, beschreibt innerhalb der 90 Minuten eine Wellenkurve. Das schlägt nach unten und nach oben aus. Die Ausschläge nach oben halte ich aus Sicht der Münchener für gefährlich. Sehr gespannt bin ich auf Manuel Neuers Leistung, dessen persönliche Saison bis dato nur schwer einzuordnen ist.

Mein Tipp: 2:1 nach Verlängerung für Dortmund

"Bayern ist auf einer Mission"

Wie man der Annahme sein kann, der BVB hätte im Finale weniger als der FC Bayern oder gar nichts zu verlieren, ist mir unbegreiflich. Verliert der BVB das Finale, hat er keinen Titel gewonnen, alle wichtigen Duelle mit den Bayern verloren - und sogar beide Derbys abgegeben. Der Weg ins Finale war eine große Party, klar, aber ohne den Pokal am Ende ist das alles gar nichts wert. Ich betone: gar nichts. 2. Platz ist 2. Platz, ob man Bayern, Dortmund oder sonst wer ist, spielt da keine Rolle.

Dortmund wird den großen Bayern-Triumph auch deshalb nicht verhindern können, weil sich die ganze Aura des FCB noch einmal komplett verändert hat, seit Matthias Sammer da ist. Sammer trieft vor Winner-Mentalität und impft sie jedem im Klub ein, jedem. Das zahlt sich jetzt aus. Bei allem Respekt vor der beeindruckenden Leistung des BVB bis hierhin, dramatisch wird da nix in Wembley. Bayern ist auf einer Mission, Bayern hat die nötige Championship-Defense, Bayern ist nicht aufhaltbar.

Mein Tipp: 3:0 für Bayern

"Wer einen X-Faktor findet, gewinnt"

Druck ist der unwesentlichste Faktor dieses Duells. Dafür haben beide Mannschaften viel zu viel Qualität und sind viel zu gut ein- und aufgestellt, um sich von psychologischen Faktoren beeinflussen zu lassen. Es ist ohnehin totaler Nonsens zu behaupten, eine Mannschaft könne im Finale der Champions League frei aufspielen und hätte nichts zu verlieren. Man erreicht ein Finale nicht, um lediglich daran teilzunehmen, sondern es zu gewinnen. Die Dortmunder wären am 25. Mai nicht minder enttäuscht als die Bayern, wenn das Finale verloren geht. Beide werden mit der gleichen Schlagzahl und Intensität in das Spiel gehen und dann entscheidet zum einen die Tagesform und zum anderen der Trainer, der noch eine Überraschung im Ärmel hat. Thomas Müller hat es neulich schon gesagt, dass Dortmund der Gegner ist, den die Bayern am besten kennen.

Umgekehrt ist es genauso. Beide wissen, wie sie sich zu bespielen haben und wer dann noch einen X-Faktor findet, gewinnt. Nicht unwichtig sind natürlich auch die Einzelspieler und da sehe ich einen großen Vorteil beim FC Bayern. Ribery, Robben, Schweinsteiger, Martinez, Mandzukic, Müller - Bayerns Stars sind zur Zeit in bester Form und alle werden die Dortmunder nicht auszuschalten können. Bei Dortmund wird viel von Gündogan als Kreativkopf abhängen, zumal Götze ausfällt.

Mein Tipp: 3:0 Bayern

"Defensivtaktisch am obersten Limit"

Mehr oder weniger Druck, größere oder geringere Erfahrung - all diese Faktoren werden am 25. Mai zwar eine Rolle spielen, aber keine von entscheidendem Charakter. Vielmehr wird die Tagesform dieses Endspiel entscheiden, da sich beide Mannschaften aus dem Effeff kennen und trotz der erstmaligen Erfahrung für die Dortmunder auch jeweils wissen, was auf sie zukommen wird.

Um Siegchancen zu erreichen, muss der BVB vor allem defensivtaktisch jedoch an seinem obersten Limit spielen. Ich bin davon überzeugt, dass dies der Borussia in Wembley gelingen und sich daraus ein ähnliches Spiel ergeben wird, wie das 1:1 beim Ligaspiel im Dezember in München: Viel Taktik, wenig Raumgewinne, nur vereinzelte Torchancen. Effizienz auf der einen, ein taktischer Fehler auf der anderen Seite wird den Sieger ermitteln.

Mein Tipp: Dortmund gewinnt in der Verlängerung

"Die nächste Demonstration in Wembley"

Wer die Spieler des FC Bayern München nach dem Erreichen des Finals erlebt hat, weiß, wie groß der Hunger auf den Champions-League-Titel ist. Die zweite Gala gegen den FC Barcelona, diesmal sogar im Camp Nou, das über Jahre für die meisten Mannschaften ein Höllenschlund war, insgesamt ein 7:0 gegen die "beste Mannschaft der Welt" - das alles war für die Spieler nur eine Zwischenstation.

London, Wembley, das war die Sehnsucht dieses Teams. Die Chance zur Tilgung der Schmach aus den Jahren 2010 und vor allem 2012. Noch einmal gehen Lahm, Schweinsteiger und Co. nicht am Pott mit den großen Ohren vorbei, ohne ihn am Ende auch mit ins Flugzeug Richtung München zu nehmen. Die Frage, welche der beiden Mannschaften mehr Druck hat, ist nicht von Bedeutung. Sowohl Bayern als auch Dortmund werden merken, wie schwer es ist, ein Champions-League-Finale zu spielen - und auch zu gewinnen. Die Münchner haben den Vorteil, schon zwei Endspiele erlebt zu haben. Sie kennen die Abläufe und Eindrücke, die sich nochmal von denen eines normalen Champions-League-Spiels unterscheiden.

Die 2010er Bayern waren damit überfordert, auch der BVB wird an diesem Abend an seine Grenzen stoßen. Die Rekord-Bayern haben die letzten beiden Runden in der Königsklasse dominiert, den italienschien und spanischen Meister mit einer Torbilanz von 11:0 verprügelt. Der BVB zitterte sich gegen den FC Malaga und Real Madrid nach London. Nicht immer gewinnt die beste Mannschaft auch das Finale, in diesem Jahr aber schon. Wembley wird nach 2011, als der FC Barcelona beim 3:1 mit Manchester United Katz und Maus spielte, die nächste Fußballdemonstration einer Mannschaft auf ihrem Höhepunkt erleben.

Mein Tipp: Die Bayern gewinnen 3:1

"Komplettes Neuland für den BVB"

Doppelt hält besser. Dieses Motto ist für Karl-Heinz Rummenigge offenbar maßgebend bei der Vorbereitung auf Wembley. Im Grußwort vor dem letzten Bundesliga-Heimspiel gegen den FC Augsburg versprach der Vorstandsboss des FC Bayern München den Fans den Champions-League-Titel. Die Mannschaft habe ihre Lektionen aus den Jahren 2010 und 2012 gelernt. Auf der Meisterfeier am Samstagabend legte Rummenigge nach: "Wir wollen nicht nur, wir werden auch mit dem Champions-League-Pokal aus London zurückkehren."

Gesundes Selbstbewusstsein ist bayerisches Kulturgut, das zur Schau stellen der eigene Stärke ist in dieser Form aber ungewöhnlich. Die Bayern sind sich ihrer Sache sicher. Das haben sie bereits im letzten Jahr getan. Doch die Geschichte wird sich nicht wiederholen. Die Bayern sind besser als 2012 und sie sind deutlich besser als 2010. Sie kennen die Dimension eines Champions-League-Finals, während das Wochenende in London komplettes Neuland sein wird für Borussia Dortmund.

Anders als 2010 und 2012 können die Bayern mit der besten Elf das Finale spielen. Der Druck ist bei den Bayern sicher ein Stück größer als beim BVB, der Wille aber auch. Und wer behauptet, Dortmund könne frei aufspielen, hat noch nie ein Finale erlebt. Die einzigartige Chance, die Champions League zu gewinnen, drückt auch auf die Schultern der Dortmunder. Zudem wird Mario Götze fehlen. Es spricht sehr viel für einen Sieg des FC Bayern und so wird es auch laufen.

Mein Tipp: 4:0 für den FC Bayern

"Nerv finden und treffen"

Es spricht alles für die Bayern, klar. Wer die Bundesliga so dominiert und auf internationalem Parkett Juventus Turin und den FC Barcelona wegmacht, als wäre es nichts, der ist Favorit. Die Art und Weise hat dabei besonders beeindruckt. Die Bayern-Siege waren makellos, ohne jeden Zweifel - und das jetzt zur Schau gestellte Selbstbewusstsein ist der logische Ausdruck dieser Perfektion. Doch für meine Begriffe sprechen sich die Bayern auch Mut zu, denn Dortmund ist nicht Juventus und Dortmund ist nicht Barcelona.

Der BVB ist viel gefährlicher und in der Tat - da muss ich Hans-Joachim Watzke beipflichten - die einzige Mannschaft, die die Bayern schlagen kann. Die Bayern haben sich in den vergangenen Jahren an Borussia Dortmund abgearbeitet, aber auch aufgebaut. Jetzt ist die Rollenverteilung umgekehrt, aber keineswegs so klar, wie es die nackten Zahlen in dieser Saison vielleicht vermuten lassen.

Dortmund ist die einzige Mannschaft, die die Bayern zum Nachdenken bringen kann, sie spüren lassen kann, dass sie verwundbar sind. Keine andere Mannschaft hat es in dieser Saison auch nur annähernd so weit gebracht, der BVB in jedem Spiel. Dortmunds Aufgabe heißt, den Nerv zu finden und freilich auch zu treffen, der die Bayern-Maschine ins Stocken bringen kann. Ich traue Jürgen Klopp zu, den optimalen Gameplan zu entwerfen und seiner Mannschaft, diesen in die Tat umzusetzen. Auch ohne Mario Götze...

Mein Tipp: 1:0 für den BVB

Borussia Dortmund - Bayern München: Die Bilanz gegeneinander