Wie eine knorrige Eiche

Von Für SPOX in Florenz: Florian Bogner
Arjen Robben schoss in sechs Champions-League-Spielen für die Bayern zwei Tore
© Getty

Der FC Bayern trotzt in Florenz Wind und Gegner und zieht mit viel Leidenschaft ins Viertelfinale der Champions League ein. Dort wird man sich aber steigern müssen, zumal es Probleme in allen Mannschaftsteilen gibt. Youngster David Alaba heimste für sein Debüt viel Lob ein und der Poker um Franck Ribery geht weiter.

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Es gibt da diesen Ritus der Bayern: die Siegeszigarre. Nach erfolgreichen Auswärtsspielen in der Champions League lassen es sich Karl-Heinz Rummenigge und Uli Hoeneß nicht nehmen, sich während des Mitternachtsbanketts in Mitten des Trubels einfach mal eine anzustecken.

Nun war die Auswärtsfahrt in Florenz sportlich nicht erfolgreich - das Spiel ging 2:3 verloren, es war Bayerns 50. Niederlage in der Königsklasse und noch dazu die erste Pleite seit Uli Hoeneß Präsident ist - und dennoch sahen die beiden "Großkopferten" des FCB um kurz vor 1 Uhr sehr zufrieden aus, als sie ihre Fat Lady pafften und der UEFA wohl insgeheim für die Erfindung der Auswärtstorregel dankten.

Vom Winde verweht

"Das ist eine Niederlage, mit der der FC Bayern leben kann", sagte Rummenigge bei der Bankett-Rede mit einem Schmunzeln. "Es war ein stürmisches Spiel, eine enge Kiste. Aber wir konnten in der entscheidenden Phase nachlegen. Das zeichnet unsere Mannschaft momentan aus."

Zuvor im Stadion hätten die beiden Bayern-Bosse wahrscheinlich gröbere Probleme gehabt, ihre Zigarren zum Qualmen zu bringen. Ein heftiger Wind tobte durchs an drei Seiten offene Stadio Artemio Franchi und bereitete den Bayern vor allem in der ersten Halbzeit einen Haufen Probleme.

"Ich habe noch nie mit so viel Wind gespielt. Es war wirklich schwer", sagte Philipp Lahm später. Daniel van Buyten fügte hinzu: "Wir wussten, wie die Fiorentina spielt, aber mit dem Wind haben wir überhaupt nicht gerechnet. Wir haben gegen zwei Gegner kämpfen müssen."

Van Gaal: "Zu viele individuelle Fehler"

So unberechenbar er war - als neutraler Beobachter muss man dem Wind zugute halten, dass er ordentlich Schwung in die Partie brachte. In der Addition aus beiden Spielen wechselte die Führung in Florenz gleich vier Mal - mit dem besseren Ende für die Bayern, die in vogelwilden elf Minuten mit je zwei Toren auf beiden Seiten immer die passende Antwort fanden. Wie eine knorrige Eiche wankten die Bayern zwar, trotzten Wind und Gegner aber am Ende erfolgreich.

"Das wichtigste war, dass wir ruhig geblieben sind", meinte Torschütze Arjen Robben auf den zwischenzeitlichen 0:2- bzw. 1:3-Rückstand angesprochen. "Ich hatte nie das Gefühl, dass wir ausscheiden", pflichtete ihm der andere Torschütze, Mark van Bommel, bei. "Trotzdem bin ich froh, dass das 2:3 so schnell gefallen ist."

Zuvor hatte sich die Bayern-Hintermannschaft bei allen Gegentoren grobe Schnitzer erlaubt, die auf europäischer Bühne normalerweise zum sofortigen Exitus führen. Beim 0:1 sah Torwart Jörg Butt wie schon in Köln nicht gut aus, zudem reagierte van Buyten zu langsam. Beim 0:2 hinderte Franck Ribery seinen Gegenspieler nicht am Flanken und in der Mitte standen zwei Florenzer frei, beim 1:3 ließ sich abermals van Buyten von Stevan Jovetic wie ein Schuljunge vorführen.

"Wir haben zu viele individuelle Fehler gemacht. Gegen individuelle Fehler kann man wenig machen. Heute haben wir auch gesehen, was fehlte", sagte van Gaal auf der Pressekonferenz. Einzig Christian Nerlinger wollte Butt am ersten Gegentor keine Schuld ankreiden. "Das war überhaupt kein Torwartfehler. Ich mache ihm keinen Vorwurf", sagte der Manager und verwies auf den Wind und die schwierige Flugbahn der neuen Bälle.

Sorgen in allen Mannschaftsteilen

Lahm und van Buyten wollten nicht von einem kapitalen Fehler des Keepers sprechen, sondern rechneten sich selbst eine Teilschuld an. "Jeder macht mal einen Patzer. Trotzdem muss die Abwehr da sein", sagte Lahm, der die Defensivleistung insgesamt sehr kritisch beäugte. "Wir haben zu viele Torchancen zugelassen. Dass wir noch das 0:2 und das 1:3 zugelassen haben, darf uns nicht passieren", ärgerte sich der Nationalverteidiger.

Neben den Sorgen in der Abwehr, in der Martin Demichelis' Fehlen vor allem beim katastrophalen Spielaufbau spürbar war, entwickeln die Bayern zudem ein gepflegtes Sturmproblem. Mario Gomez sah zuerst kaum einen Ball und musste dann nach einer halben Stunde mit einem Muskelfaseriss in der Wade (2-3 Wochen Pause) runter.

Ersatzmann Miroslav Klose behauptete die Bälle zwar ein bisschen besser, ist insgesamt aber weiter ein Schatten seiner selbst. Wenigstens hat der Nationalspieler in der Stürmerhierarchie nun offenbar wieder Ivica Olic überholt und kann in den nächsten Wochen auf weitere Einsatzzeit hoffen.

Gegen Florenz war eindeutig das Mittelfeld das Prunkstück - der beste Mann wird jedoch im Viertelfinal-Hinspiel fehlen. Bastian Schweinsteiger sah die dritte Gelbe Karte, als er sich im Laufduell von Jovetic lösen wollte und den Florenzer mit dem Arm unabsichtlich im Gesicht traf. "Ein Witz", meinte der 25-Jährige erbost: "Er hat sich die Zähne gehalten, aber es waren noch alle dran! Da muss man nicht Gelb geben. Die Sperre ist sehr bitter für mich."

Alles in allem werden sich die Bayern im Viertelfinale gehörig steigern müssen, um Rummenigges Wunsch ("eine Runde weiter als in den Vorjahren kommen") entsprechen zu können.

Alaba mit viel Licht und ein bisschen Schatten

Insgesamt positiv verlief hingegen das Champions-League-Debüt des erst 17-jährigen David Alaba auf der linken Abwehrseite. Der junge Österreicher strahlte am Ball eine unglaubliche Ruhe aus und präsentierte sich erstaunlich gut auf die Viererkette abgestimmt. Nur ein paar riskante Pässe in der Vorwärtsbewegung und ein deutlicher Leistungsabfall in den letzten 20 Minuten, als Florenz immer wieder über rechts vor stach, schwächten den starken Eindruck ein wenig ab.

"Für mich ist der nächste Traum in Erfüllung gegangen", war Alaba hinterher dennoch zufrieden. "Natürlich war die Anspannung vor einem Champions-League-Spiel noch mal größer. Aber es hat sehr viel Spaß gemacht."

Ein dickes Lob gab es von van Gaal: "Ich bin sehr zufrieden. Er ist 17 Jahre alt, spielt seine ersten 90 Minuten und dann auch noch auf dieser Bühne. Er hat mein Vertrauen nicht enttäuscht." Und Schweinsteiger meinte: "Hut ab. Er hat viele Dinge sehr abgeklärt gemacht. Ich hoffe, er spielt noch öfter."

Ribery: Klärung doch erst im Sommer?

Aufgrund des Spielverlaufs schon fast etwas in Vergessenheit geriet das Thema Franck Ribery, der vor dem Spiel fit gespritzt werden musste und bis auf seinen Pass vor dem 1:2 keinen guten Tag erwischt hatte. Rummenigge überraschte nach dem Spiel mit der Aussage, dass man jetzt "keinen Schnellschuss" brauche und sich die Vertragslage vielleicht "erst nach der Saison" klärt.

"Franck lechzt nach Erfolg. Unser Weiterkommen hat die Vertragsgespräche sicher nicht erschwert. Franck hat bis 2011 Vertrag. Wir sehen der Sache gelassen entgegen. Es gibt kein Angebot von anderen Klubs. Wir haben ein sehr gutes Verhältnis zu Franck und ich bin nicht so pessimistisch. Wir wollen unsere Mannschaft peu a peu verstärken und vielleicht auch mal wieder ganz oben angreifen", so Rummenigge.

Ribery selbst will die Sache aber bis Sommer geklärt haben. "Ende März, Anfang April werde ich mich entscheiden. Ich bin im Moment sehr zufrieden bei Bayern. Ich möchte einen freien Kopf haben für die WM, das ist ein sehr wichtiges Turnier für mich."

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