FC Schalke 04 und Domenico Tedesco: Die heikle Frage nach dem TedesKO

Schalke-Trainer Domenico Tedesco nach dem Düsseldorf-Spiel vor der Nordkurve.
© Getty

Der FC Schalke 04 liegt nach dem 0:4-Debakel gegen Fortuna Düsseldorf am Boden, doch Domenico Tedesco beweist in der größten Krise seiner noch jungen Trainerkarriere Stil. Doch wie auch er die Leistung seiner Mannschaft einordnete, wäre alles andere als ein vorzeitiges Aus des Trainers eine Überraschung. Vor allem für den neuen Sportvorstand Jochen Schneider ist dies eine heikle Situation.

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Nein, wirklich vergleichbar sind die beiden Szenen in Gänze nicht. Doch auch wenn es einst vor dem Spiel geschah, der Gang von Domenico Tedesco vor die schäumende Schalker Nordkurve am Samstagnachmittag erinnerte zumindest ein wenig an die Abschiedsrunde von Ralf Rangnick im Dezember 2005.

Der größte Unterschied dabei: Bei Rangnick stand das Ende seiner Trainertätigkeit beim FC Schalke 04 bereits fest. Im Falle von Tedesco bleiben derzeit nur Spekulationen und Interpretationen. Was aber feststeht ist, dass es von ungeheurer Größe zeugte, wie sich Tedesco dort, wo das Schalker Fan-Herz am höchsten schlägt, bereitwillig bepöbeln ließ.

0:4 hatte Schalke 04 zuvor gegen Aufsteiger Fortuna Düsseldorf verloren. Dabei hatte S04 viel mehr als lediglich eine deftige Pleite kassiert: Die Schalker haben das erboste Publikum endgültig verloren - und allem Anschein nach auch der Trainer sein Team.

Tedesco über Schalker Mannschaft: "Im Spiel war sie eher tot"

Denn die Knappen lieferten über 90 Minuten eine in allen Belangen desaströse Vorstellung ab - eine Woche nach dem 0:3-Debakel in Mainz, als der vermeintliche Tiefpunkt bereits erreicht schien und Sportvorstand Christian Heidel unmittelbar nach Spielschluss seinen Rückzug verkündete.

Am Tag nach der Pleite gegen den FSV kam es zu einer "großen Aussprache" (Tedesco) innerhalb des Teams. Die vergangene Woche sollte daher einen unbeschwerten Startschuss für den letzten Abschnitt einer ohnehin längst verkorksten Spielzeit bilden. "Wir können nicht aggressiver und intensiver trainieren als diese Woche", sagte ein konsternierter Tedesco nach der erneuten Enttäuschung. "Wir hatten ein gutes Gefühl. Die Mannschaft war lebendig. Nicht nur im Training, auch vor dem Spiel."

Und dann ließ der junge Coach den Satz fallen, der letztlich die Crux der aktuell so verfahrenen Schalker Situation darstellt: "Aber im Spiel war sie eher tot." Schon zuvor gab Tedesco auf der Pressekonferenz ein vernichtendes Urteil zu seiner Mannschaft ab. Als extrem schlecht, leblos, brotlos, mutlos, kraftlos, sehr nervös kanzelte er den Auftritt ab - "und leer, sehr leer."

Schalke 04 präsentiert sich wie ein Absteiger

Wenn ein Trainer solch vernichtende Attribute bemüht, um die Leistung seiner Truppe zu beschreiben, ist dies in der langen Geschichte der Bundesliga in den allermeisten Fällen die letzte Einschätzung gewesen, die ein Übungsleiter abgeben darf. Zumal sich zu den zwei peinlichen Auftritten zuletzt alarmierende Statistiken gesellen: Sechs Mal in Serie blieb Schalke nun schon ohne Sieg, in den letzten drei Bundesliga-Heimspielen schoss man kein einziges Tor (Einstellung des Vereinsnegativrekords) und die 23 Punkte nach 24 Spielen bedeuten die schlechteste Bilanz seit 36 Jahren.

Kurzum: Schalke präsentiert sich wie ein Absteiger und hat Glück, dass dies mit Nürnberg, Hannover und Stuttgart seit Wochen auch drei weitere Mannschaften tun. Doch der S04 hat freilich einen gänzlich anderen Anspruch: Die Knappen sind amtierender Vizemeister und noch in der Champions League vertreten.

Er sei keiner, der sich verpisst und er werde alles dafür tun, das Ruder wieder herum zu reißen, äußerte sich der Coach kämpferisch zu seiner Zukunft: "Wir haben eine Woche Vorbereitung für das kommende Spiel. Wir müssen uns neu aufstellen für Bremen. Es geht nicht um mich, zumindest mache ich mir darüber keine Gedanken."

Heikle Angelegenheit für Jochen Schneider

Das ist auch nicht nötig, denn dafür sind auf Schalke andere Personen zuständig. Der Aufsichtsratsvorsitzende Clemens Tönnies zum Beispiel schloss eine schnelle Entscheidung aus. "Der neue Sportvorstand wird sich am Dienstag vorstellen und sich zur Lage äußern. Ich werde jetzt nicht Trainer aus- oder einstellen."

An dieser Stelle ist das Schalker Dilemma nun perfekt: Jochen Schneider, erst in der vergangenen Woche als Heidel-Nachfolger von RB Leipzig nach Gelsenkirchen geholt, wird erst am Montag in den Vorstand berufen, wenn der Aufsichtsrat zusammentrat. Vorher kann der für die Trainerfrage verantwortliche 48-Jährige diese nicht beantworten.

Als erste Amtshandlung bei seiner eigenen Vorstellung im neuen Klub allerdings gleich den Trainer entlassen? Das wäre für den ohnehin nicht mit dem großen Scheinwerferlicht vertrauten Schneider eine äußerst heikle Angelegenheit. Zwar könnte ihm Tedesco zuvorkommen und seinen Rücktritt anbieten, doch das wäre nach den eindeutigen Aussagen wiederum eine nicht besonders glaubwürdige Kehrtwende des Trainers.

Mit Tedesco in Bremen wäre eine Überraschung

Zumal der Fall Tedesco auch anders gelagert ist als bei Heidel, der mit seinem erklärten Rückzug am vergangenen Samstag letztlich einem Rauswurf zuvorkam, dadurch die Kommunikationshoheit in der Angelegenheit erlangte und sein Gesicht wahren konnte.

"Spätestens seit dem Mainz-Spiel muss jedem klar sein, in welcher Situation wir sind. Wir stecken unten drin, wir brauchen ganz dringend Punkte. Es war schwer zu ertragen, dass wir gegen Mainz unsere Grundtugenden nicht zeigten. Da brauchten wir ein, zwei Tage, um das zu verkraften", sagte Tedesco unter der Woche.

Diesmal wird Schalke jedoch gezwungen sein, diesen Prozess zu beschleunigen - und womöglich zu handeln. In dieser Gemengelage wäre es jedenfalls eine große Überraschung, sollte Tedesco am Freitag bei Werder Bremen noch auf der Schalker Bank sitzen.

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