Ausmisten für Europa

Von Daniel Reimann
Der VfL Wolfsburg beendete die vergangene Saison auf Platz elf
© getty

In den Tagen vor dem Start der neuen Bundesliga-Saison stellt SPOX alle 18 Klubs in einer Vorschau-Serie vor - mit allen Transfers, Hintergründen und der Saison-Prognose. Diesmal: Der VfL Wolfsburg.

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Am Ende sah alles halb so schlimm aus. Platz elf in der Liga, die letzten zehn Saisonspiele ungeschlagen und unter anderem Kaliber wie Stuttgart und Bremen hinter sich gelassen: Die katastrophale letzte Saison fand für die Wölfe einen vergleichsweise versöhnlichen Abschluss.

Dabei rückt die Tatsache, dass der VfL so manchen Spieltag auf einem Abstiegsplatz verbrachte, beinahe in den Hintergrund. Dieter Hecking und Klaus Allofs, die im Januar nach Wolfsburg kamen, wollen den Verein nun wieder zurück nach Europa führen. Doch dafür mussten zuerst einige Altlasten beseitigt werden.

Das ist neu

Knapp 40 Spieler zählte der Wölfe-Kader in der vergangenen Saison. Felix Magaths Transferphilosophie, soweit man sie als solche bezeichnet, hat einen völlig überdimensionierten Kader geschaffen, in dem Unzufriedenheit und Verschleiß enorm waren. Gegen die daraus resultierten Nachwirkungen kämpft Hecking bis heute an.

Das Ziel der aktuellen Transferperiode ist deshalb klar: Radikal ausmisten, gezielt nachrüsten. 15 Spieler wurden bisher abgegeben, vier weitere verliehen. Neuverpflichtungen wurden nicht mehr wie unter Magath in großem Stil, sondern nur punktuell getätigt. Mit Timm Klose (kam für sechs Millionen aus Nürnberg) wurde ein gestandener Innenverteidiger geholt. Er soll der Viererkette gemeinsam mit Naldo wieder zu mehr Stabilität verhelfen.

Mit Daniel Caligiuri hat Hecking außerdem eine vielversprechende Alternative für den linken Flügel. Auf sein Debüt muss der Ex-Freiburger jedoch noch warten. Caligiuri zog sich im Training eine Sprunggelenksverletzung zu und fällt weiterhin aus. Der neue Ersatzkeeper Max Grün (kam aus Fürth) sowie Stürmer Stefan Kutschke (RB Leipzig) dürften sich hingegen geringe Chancen auf Pflichtspieleinsätze ausrechnen.

Die Taktik

Sowohl System als auch Spielidee bleiben gleich. Heckings zentrale Vorgaben sind Kompaktheit, Sicherheit und ein schnelles Umschaltspiel nach Ballgewinn. Seine 4-2-3-1-Formation ist dabei in der Offensive stark darauf ausgelegt, die Kreativität von Spielmacher Diego sowie die Schnelligkeit von Perisic und Vieirinha zur Geltung kommen zu lassen. Dauerläufer Ivica Olic soll als einzige Spitze seine Knipserqualitäten ausleben.

Unterstützt wird das Offensivquartett von Ja-Cheol Koo, der zwar im Gegensatz zu seiner Augsburger Zeit auf der Sechs statt im offensiven Mittelfeld zum Einsatz kommt, sich aber deutlich öfter in Angriffe einschaltet als Nebenmann Jan Polak. Darüber hinaus interpretiert besonders Linksverteidiger Ricardo Rodriguez seine Rolle äußerst offensiv und wird regelmäßig mit scharfen Flanken oder Distanzschüssen gefährlich.

Mit Blick auf das eigene Offensivspiel legt Hecking vor allem Wert auf Effizienz statt Ästhetik. "Der Trainer hat zu Recht moniert, dass wir gut spielen, aber nicht effizient sind", ließTorwart Diego Benaglio kürzlich durchblicken und ergänzte: "Nur mit Schönspielen gewinnen wir nun mal nichts."

Seine erste Elf für den Saisonstart in Hannover (Sa., 15.15 Uhr im LIVE-TICKER) scheint Hecking indes bereits gefunden zu haben. Koo hat im defensiven Mittelfeld die Nase knapp vor Slobodan Medojevic. Sollte allerdings die gewünschte Verpflichtung von Luiz Gustavo realisiert werden, würden Koos Chancen auf einen Stammplatz rapide sinken. In der Innenverteidigung hat sich Klose vorerst gegen Youngster Robin Knoche durchgesetzt. Allerdings betont der VfL-Trainer: "Bei der Qualität unseres Kaders gibt es eigentlich keinen Stamm mehr. Aber ich habe eine Achse im Kopf."

Der Spieler im Fokus

Maximilian Arnold. "Er kann den Weg gehen, den auch Mario Götze und Julian Draxler gegangen sind", sagte Allofs über den 19-Jährigen im "Kicker", der kürzlich seinen Vertrag bis 2017 verlängerte. Vergangene Saison kam der Linksaußen auf sechs Bundesliga-Spiele und traf dabei bereits dreimal. Geht es nach Allofs, hat Arnold diese Saison deutlich bessere Chancen auf Einsatzminuten: "Wenn er sich so weiterentwickelt, wird er bei uns eine bedeutende Rolle spielen", so der VfL-Geschäftsführer.

Allerdings hat Arnold, der noch an einem Magen-Darm-Infekt laboriert, enorme Konkurrenz auf seiner Lieblingsposition. Ivan Perisic und der derzeit verletzte Caligiuri haben die Nase vorn. Auch deshalb signalisiert Allofs, dass ein Stammplatz für Arnold noch unrealistisch erscheint: "Möglicherweise werden es keine 34 Spiele. Aber mit seinen Fähigkeiten hat er einen ganz festen Platz in unseren Planungen."

Die Prognose

Für einen 40-Mann-Kader mit derart vielversprechendem Spielermaterial war der elfte Platz der vergangenen Saison eine brutale Enttäuschung. Dementsprechend forsch formuliert Trainer Hecking das Ziel für die anstehende Spielzeit: "Bayern und Dortmund sind der Liga enteilt, dahinter sehe ich Schalke und Leverkusen. Dann trollen sich sechs, sieben Vereine um Platz fünf und sechs. Zu denen gehören wir. Und auf den Plätzen wollen wir am Ende dann auch stehen."

Darüber hinaus hat der Wölfe-Coach noch einen besonderen Wunsch: Die Vorherrschaft im Norden. "Ich möchte vor Bremen, Hamburg und Hannover die Nummer 1 werden", verriet Hecking. Was den Kader anbelangt, muss sich Wolfsburg vor diesen Teams tatsächlich nicht verstecken, zumal durch die vielen Verkäufe eine Menge Konfliktpotenzial beseitigt wurde.

Dass die Mannschaft Heckings Spielidee in ihren Grundzügen verinnerlicht hat, deutete sie in der Vorbereitung mehrmals an - beispielsweise beim ansehnlichen 2:0-Sieg gegen Olympique Marseille. Beim 3:1 im Pokal gegen den Karlsruher SC hingegen wusste der VfL nur anfangs zu überzeugen und offenbarte in der zweiten Hälfte auffällige Schwächen in der Defensive.

Diese gilt es abzustellen, wenn am Samstag der Bundesliga-Alltag in Hannover beginnt. Sollte der VfL an die Konstanz aus der Schlussphase der vergangenen Saison anknüpfen können, wäre der Kampf um die Europacup-Plätze keineswegs Utopie. Allerdings klaffte in den letzten Jahren zwischen Wolfsburger Anspruch und Wirklichkeit meist eine derart große Lücke, dass man sich vorerst auf das Erreichen kleinerer Etappenziele konzentrieren sollte, als noch vor Saisonbeginn von Europa zu sprechen.

Der VfL Wolfsburg in der Übersicht