FC Bayern München: Wie Raphaël Guerreiro vom BVB dem FCB helfen kann

Von Niklas Staiger/Daniel Buse
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Der FC Bayern München soll derzeit mit Raphaël Guerreiro von Borussia Dortmund verhandeln. Der Vertrag des BVB-Linksverteidigers läuft Ende Juni aus, ein Wechsel wäre also ablösefrei möglich. Doch warum möchte der FCB den Portugiesen überhaupt verpflichten?

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Raphaël Guerreiro spielte beim BVB hauptsächlich als Linksverteidiger. Doch bereits direkt nach seiner Ankunft in Dortmund - damals noch unter dem heutigen Bayern-Coach Thomas Tuchel - wurde er auch auf anderen Positionen eingesetzt. So spielte der 29-Jährige zunächst im zentralen Mittelfeld, ehe er aufgrund von Verletzungen anderer Spieler als Aushilfe nach links hinten beordert wurde. Zeitweise spielte Guerreiro dann auch als Linksaußen.

Doch eigentlich sind das alles Positionen, auf denen der FC Bayern München gut besetzt ist. Links hinten ist mit Alphonso Davies einer der besten Linksverteidiger der Welt gesetzt. Auf den offensiven Außen streiten sich mit Kingsley Coman, Serge Gnabry, Leroy Sané, Sadio Mané und zeitweise auch mal Jamal Musiala viele Stars um die Flügelpositionen. Auch im zentralen Mittelfeld ist der FCB aktuell eher überbesetzt. Denn der Dortmunder wäre ein offensiver Achter, kein defensiver Sechser, wie man ihn verpflichten möchte. Wie würde Guerreiro den FCB also trotzdem verstärken?

Raphaël Guerreiro: Meister des letzten Passes

In der abgelaufenen Saison schoss der FC Bayern starke 92 Tore. Unter Julian Nagelsmann war der deutsche Rekordmeister sogar auf Kurs, die Torrekorde im dreistelligen Bereich zu knacken. Doch vor allem unter Thomas Tuchel mangelte es an Torchancen - den richtig guten Möglichkeiten. Immer wieder waren die Münchner auf Joshua Kimmich angewiesen, der Chippässe hinter die Kette spielte. Ein sehr eindimensionales Muster - Guerreiro könnte hier Abhilfe schaffen.

Denn: Raphaël Guerreiro war der beste Vorbereiter der abgelaufenen Bundesliga-Saison. Keiner gab mehr Torvorlagen als der Portugiese (12). Bayerns Top-Spieler in dieser Kategorie war Jamal Musiala mit zehn Assists. Auch bei den Torschussvorlagen ist Guerreiro oben mit dabei - beim FC Bayern legte nur Kimmich mehr Abschlüsse für seine Mitspieler auf. Guerreiro ist also ein Meister des letzten Passes, er spielt seine Teamkollegen frei.

Anders als Kimmich bringt Guerreiro dabei aber die Bälle vor allem flach und mit Steckpässen an den Mann. Auch von der Linksverteidiger-Position aus gibt er nur wenige Flanken (0,4 pro Spiel laut Opta), sondern sucht eher die technisch anspruchsvolleren Lösungen, zieht auch ins Zentrum und unterstützt den Aufbau. Ein ähnliches Spielerprofil war für die Bayern bereits im Winter attraktiv, als sie João Cancelo holten, um ihren Kader zu ergänzen. Der Leih-Transfer war kein voller Erfolg - und anders als sein portugiesischer Landsmann wäre Guerreiro ablösefrei und würde keine 40 Millionen Euro oder sogar noch mehr kosten.

Guerreiro beim FC Bayern: So könnte er reinpassen

Doch wie sollen die Bayern Guerreiro aufs Feld bringen, wenn seine angestammten Positionen bereits bestens besetzt sind? Das ist eine schwierige Frage. Doch muss Guerreiro überhaupt einen Stammplatz haben? Auch beim BVB war der Linksverteidiger nicht immer gesetzt. Durch seine Vielseitigkeit könnte er in München immer wieder auf seine Minuten kommen, alleine um den Stammkräften eine Pause zu gönnen. Mit seinen Fähigkeiten könnte der FC Bayern beispielsweise auch mal Joshua Kimmich vom Feld nehmen, ohne einen wichtigen Kreativspieler zu verlieren. Noch besser sogar: Man würde das Element, wie die Torchancen entstehen, verändern und damit den Gegner vor neue Herausforderungen stellen.

Dasselbe gilt auch für die Position des Linksverteidigers. Bei Alphonso Davies ist klar, was man von ihm bekommt: Der Kanadier rennt den linken Flügel rauf und runter, das ist sein Gebiet. Das macht der 22-Jährige hervorragend, doch mit Guerreiro würde man eine weitere Option ergänzen: Plötzlich zieht der Linksverteidiger nicht mehr außen mit Tempo vorbei, sondern ins Zentrum. Er besetzt andere Räume und kreiert neue Probleme für den Gegner.

Guerreiro könnte aber nicht nur für Kimmich oder Davies spielen, er wäre auch eine zusätzliche Option. So ergäbe sich beispielsweise die Möglichkeit, ihn als offensive Passmaschine neben Kimmich zu installieren - entweder als Doppelsechs oder mit einem defensiven Sechser dahinter. Die erste Variante wäre ein sehr aggressiver Ansatz, die zweite eine neue Möglichkeit, die Offensivspieler öfter in Szene zu setzen. Man würde zwar einen Spieler im Strafraum opfern (Guerreiro würde im 4-3-3-System statt des Zehners im 4-2-3-1 spielen), doch dafür an Variabilität gewinnen und weniger ausrechenbar werden.

Schnappt sich der FC Bayern Raphaël Guerreiro?
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Schnappt sich der FC Bayern Raphaël Guerreiro?

Standards, Fernschüsse, Dribblings: Das kann Guerreiro noch

Doch Guerreiro ist nicht nur eine Passmaschine, sondern insgesamt ein herausragender Techniker. Besonders bei eigenen Ecken ist der FC Bayern häufig ineffizient. Kimmich schlägt diese als wohl bester Standardschütze der Bayern, mit Guerreiro käme zum einen ein Linksfuß dazu, der auch in diesem Bereich für mehr Variabilität sorgen könnte.

Dazu bringt er auch eigene Torgefahr mit, zieht gerne mal aus der Ferne ab und ist mit diesem Mittel erfolgreich. Aber vor allem seine Dribblings und Läufe mit dem Ball am Fuß sind richtig stark. Er kann nicht nur Passspiel, sondern auch enge Ballführung in kleinen Räumen.

Seine Schwäche ist jedoch ganz klar die Arbeit gegen den Ball. Hierbei fehlt es ihm etwas an Tempo und Beweglichkeit, vor allem aber an Kraft und Physis. Der 1,70-Meter-Mann ist etwas schmächtiger und wird im Eins-gegen-Eins häufiger durch Körpereinsatz des Gegners abgekocht. Dazu ist sein Stellungsspiel als Linksverteidiger ausbaufähig. Doch das sind alles keine Hauptaspekte beim FC Bayern: Man spielt vor allem mit dem Ball - und Guerreiro wäre viel eher eine Option in den vielen Spielen, in denen beim FCB die offensive Lösung gefunden werden muss.

FC Bayern: Thomas Tuchel und Raphaël Guerreiro

Neben der günstigen Lösung als ablösefreier Transfer, seiner Vielseitigkeit und den spielerischen Stärken gibt es für die Bayern bei Guerreiro noch einen weiteren Pluspunkt: Der Portugiese kennt nicht nur Trainer Thomas Tuchel aus seiner BVB-Zeit - die beiden schätzen sich auch gegenseitig ungemein. "Er ist auf dem besten Weg zum Trainerliebling", lachte Tuchel schon im September 2016, als er über den Linksfuß sprach. Guerreiro gibt einem Coach Optionen, und genau das wusste Tuchel schon in seiner Dortmunder Zeit an ihm zu schätzen.

Menschlich passte es ebenfalls zwischen Spieler und Trainer. Guerreiro hatte in der Rückschau nur lobende Worte für Tuchel, der 2021 noch zum Welttrainer bestimmt wurde, nachdem er mit Chelsea die Champions League gewonnen hatte. "Für mich ist die Wahl keine große Überraschung, denn ich weiß, was er als Trainer kann", sagte Guerreiro zu Sport1.

Die Bayern müssen ihrerseits nur bei Tuchel nachfragen, um zu erfahren, was Guerreiro kann. Und wenn sich die Meinung des Bayern-Coaches nicht in der Zwischenzeit grundlegend geändert hat, sprechen wohl nur wenige Argumente gegen einen Sommer-Wechsel des Portugiesen vom BVB zum FCB.

Bundesliga: Die Abschlusstabelle

PlatzTeamSp.ToreDiffPkt.
1.Bayern München3492:385471
2.Borussia Dortmund3483:443971
3.RB Leipzig3464:412366
4.Union Berlin3451:381362
5.Freiburg3451:44759
6.Bayer Leverkusen3457:49850
7.Eintracht Frankfurt3458:52650
8.Wolfsburg3457:48949
9.Mainz 053454:55-146
10.Borussia M'gladbach3452:55-343
11.Köln3449:54-542
12.Hoffenheim3448:57-936
13.Werder Bremen3451:64-1336
14.Bochum3440:72-3235
15.Augsburg3442:63-2134
16.Stuttgart3445:57-1233
17.Schalke 043435:71-3631
18.Hertha BSC3442:69-2729
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