Fußball-Kolumne: Bayern-Boss Kahn in der Kritik - fehlende Kommunikation, einseitig beraten, zu passiv

Oliver Kahn folgte beim FC Bayern als Vorstandsvorsitzender auf Karl-Heinz Rummenigge.
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Oliver Kahns defensives Auftreten soll bei Fans und auch Mitarbeitern des FC Bayern zunehmend für Irritationen sorgen. Insider sehen den Vorstandsboss des FC Bayern aufgrund seines Faibles für Unternehmensberater als zu einseitig beraten. Die Kritik soll sich vor allem an seinen engsten Mitarbeitern entflammen. Die Fußball-Kolumne.

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Es ist das erste Bundesliga-Spitzenspiel gegen Borussia Dortmund (Samstag, 18.30 Uhr im LIVETICKER) seit Jahrzehnten ohne Karl-Heinz Rummenigge oder Uli Hoeneß in einer Führungsrolle beim FC Bayern. Und das merkt man.

Denn vor dem Duell am Samstagabend bestimmt der BVB die Agenda, weil die Bosse Hans-Joachim Watzke und Michael Zorc auf praktisch allen Kanälen ihre Ansichten verbreiten. Vom Bayern-Vorstand dagegen ist nichts zu hören - was ins Bild der jüngsten Vergangenheit passt.

Ob die lang anhaltende Diskussion um die fünf bis vor kurzem ungeimpften FCB-Profis oder die Analysen der wegen der Katar-Kritik der Fans aus dem Ruder gelaufenen Jahreshauptversammlung: Von Oliver Kahn und seinen Kollegen im Vorstand war dazu zuletzt in der Öffentlichkeit kaum etwas zu vernehmen. "Wegducken, verstecken, schweigen - das geht nicht!", lautete diese Woche der Titel einer Bild-Kolumne.
"Der FC Bayern braucht dringend wieder mehr öffentliche Führung", forderte die Süddeutsche Zeitung sogar schon vor der turbulenten Mitgliederversammlung. Doch auch danach mussten Angestellte wie Thomas Müller, Manuel Neuer und vor allem ihr Chefcoach die zahlreichen Fragen der Medien beantworten. "Wo sind eigentlich die Vorstände Kahn und Salihamidzic?", fragte die SZ: "Den Krisenkommunikator gibt beim FC Bayern fast ausschließlich der muntere Trainer Julian Nagelsmann."

"FC Bayern braucht dringend wieder mehr öffentliche Führung"

Entsprechend deutlich fiel die Kritik von Kahns ehemaligem Mitspieler Lothar Matthäus aus. "Ich finde es schade, dass kein Bayern-Verantwortlicher Stellung bezieht, damit werden die Diskussionen weitergehen", sagte er bei Sky nach dem Spiel gegen Bielefeld. "Ich habe immer Stärke beim FC Bayern gesehen. Da haben ein Karl-Heinz Rummenigge, ein Uli Hoeneß oder ein Willi Hoffmann sich den Medien und Fans gestellt. Es ist nicht unbedingt gut, dass sie das am Donnerstag nicht zugelassen haben und heute auch nicht Rede und Antwort stehen."

Zwar äußerte sich Präsident Herbert Hainer am Sonntag im kicker und versprach auch in einer Rundmail des gesamten Präsidiums an die Mitglieder am Mittwoch einen verbesserten Dialog sowie eine Aufarbeitung der laut Uli Hoeneß "schlimmsten Veranstaltung, die ich je beim FC Bayern erlebt habe". Kahn, der wie die gesamte Führung mit "Vorstand raus"-Sprechchören verabschiedet worden war, gab seitdem hingegen nur ein Statement via Twitter ab.

Für langjährige Beobachter passt Kahns Zurückhaltung ins Bild der vergangenen Wochen. So soll sich der Bayern-Vorstandsvorsitzende bei der letzten DFL-Vollversammlung aller Klubs, bei der wichtige Weichenstellungen in DFL und DFB sowie die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Bundesliga diskutiert wurden, in den mehr als vier Stunden weitgehend zurückgehalten haben. Das sei unter Rummenigge und Hoeneß undenkbar gewesen, sagen vor allem diejenigen, denen die seit Jahren gewohnte Orientierung durch den Branchenprimus gefehlt hat.

Oliver Kahn: Zurückhaltung bei DFL-Sitzung

Doch im Verein soll Kahn ebenfalls nicht durch übertriebene Kommunikation auffallen, auch hier sollen Mitarbeiter die klaren Ansagen der früheren Alphatiere vermissen. Insgesamt habe die Stimmung an der Säbener Straße merklich gelitten, ist übereinstimmend zu hören.

"Nicht allen langjährigen Mitarbeitern gefällt das interne Klima, die Zusammenarbeit unter den Abteilungen, die derzeitige Interpretation des Mia san mia", schrieb die Münchner tz schon vor einem Jahr: "Die Angst, dass der FC Bayern seine Wurzeln aus den Augen verliert, mit externen Kräften - Kahn hat einige ehemalige Unternehmensberater installiert und eine externe Agentur beauftragt - zu einem Wirtschaftskonzern wird, schwingt latent mit."

Daran hat sich seit Kahns Beförderung zum Vorstandsboss im Sommer nichts geändert, wie von mehreren Quellen bestätigt wird - eher im Gegenteil. Verantwortlich machen die meisten Insider dafür vor allem den engeren Kreis von Leuten, mit denen sich Kahn umgibt. Sein Büroleiter Moritz Mattes, einst Unternehmensberater und danach Kahns Partner in der Firma Goalplay, wird als äußerst selbstbewusst und teilweise auch sehr forsch im Auftreten wahrgenommen. Zudem soll er, so heißt es, den Zugang zu Kahn selbst für leitende Mitarbeiter stark reglementieren.

Für weitere Verstimmung soll darüber hinaus der zweite enge Vertraute Peter Ruppert, ebenfalls als Unternehmensberater tätig, sorgen. Dieser hatte Kahn bereits zu Spielerzeiten betreut, ehe sich der damalige Bayern-Torhüter offenbar aus Unzufriedenheit trennte. "Dass ausgerechnet ein solcher Blender nun auf der Vorstandsetage ein- und ausgeht, stößt manchem der früher Verantwortlichen sauer auf", sagt ein FCB-Kenner. Angeblich soll sogar Kahns Mentor Hoeneß wenig begeistert von dieser aktuellen Entwicklung sein.

Oliver Kahn: Faible für Unternehmensberater

Ohnehin stören sich viele langjährige Mitarbeiter dem Vernehmen nach am offensichtlichen Faible des studierten Betriebswirtschaftlers Kahn für Unternehmensberater, das sich auch bei seinem bisher wichtigsten Projekt "FC Bayern AHEAD" zeigte. An der Ausarbeitung des neuen Leitbilds des Klubs wurden zwar alle Mitarbeiter beteiligt, allerdings bestand die Arbeitsgruppe nahezu vollständig aus ehemaligen Mitarbeitern der Beratungsagenturen Bain & Company und McKinsey, darunter auch der Projektleiter Daniel Hoegele.

Die Kritiker zitieren daher gerne die dem einstigen Bayern-Sportvorstand Matthias Sammer zugeschriebene Aussage, sobald McKinsey in einen Fußballklub komme, könne man zusperren. Sie monieren, Kahn sei schlecht oder zumindest einseitig beraten, was maßgeblich zu den jüngsten Kommunikationsproblemen beigetragen habe. Etwa bei dessen angeblich auch aus diesem Kreis verfasster Rede auf der Jahreshauptversammlung, bei der er den Begriff Katar nicht einmal in den Mund nahm.

"Kahn wirkte überrumpelt von der Wucht des Abends. Der Mann, der als Torwart 'Wir brauchen Eier!' in die Kameras brüllte, eierte ums Thema herum - was ins etwas unscharfe Bild passt, das er seit seiner Amtsübernahme im Juli vermittelt", kommentierte die Süddeutsche Zeitung.

"Kahn muss künftig das Gegenteil dessen verkörpern, was er als Einzelkämpfer im Tor verkörpert hat. Er muss die Stimme der Vernunft werden, eine verbindliche und verbindende Autorität, die einen mitunter auseinanderdriftenden Verein im Griff behält. Er muss extern hörbarer und intern sichtbarer werden, und das in einem Klub, der jahrzehntelang auf das Duopol Hoeneß/Rummenigge ausgerichtet war. Das ist schwer. Aber schwere Spiele hat Oliver Kahn immer geliebt."

Effenberg verteidigt "Berufseinsteiger" Kahn

Man darf ja bei allem Unmut über die momentane Situation nicht vergessen, dass der 52-Jährige noch keine zwei Jahre im Bayern-Vorstand tätig ist, ohne vergleichbare Erfahrungen bei seinen vorherigen unternehmerischen Tätigkeiten. Seit dem 1. Juli 2021 ist er Vorstandsvorsitzender. "Im Grunde genommen ist er in diesem Job ein Berufseinsteiger", meint ein Experte.

Ein früherer Mitspieler verteidigt ihn auch aus diesem Grund. "Was denken die Leute, was er tun soll? Gebrüll hilft nicht weiter. Und natürlich muss er sich als Vereinsboss im Anzug anders verhalten als im Torwarttrikot. Er hat diesen Posten erst seit fünf Monaten und macht das aus meiner Sicht bislang sehr gut", schrieb Stefan Effenberg in seiner Kolumne bei T-Online.

Wenige Tage zuvor hatte das Nachrichtenportal die bisherige Arbeit des Vorstandsvorsitzenden allerdings wesentlich negativer bewertet - und damit die aktuelle Stimmungslage wohl auf den Punkt getroffen. "Kahn macht viel zu viele Anfängerfehler", war dort zu lesen: "Macht er so weiter wie bisher, droht ihm der FC Bayern zu entgleiten. Und das wäre ein Desaster."