Uli Hoeneß nimmt Abschied vom FC Bayern: "Ich empfinde nichts als Dankbarkeit"

Von SPOX
Uli Hoeneß ist nur noch bis zum 15. November Präsident des FC Bayern.
© getty

Am 15. November endet die Amtszeit von Uli Hoeneß als Präsident des FC Bayern. Nun hat sich der 67-Jährige im FCB-Mitgliedermagazin 51 mit einem Abschieds-Interview zu Wort gemeldet. Hoeneß sprach dabei über sein neues Leben, seine Bilanz, den Gegenwind der vergangenen Monate und die Zukunft des deutschen Rekordmeisters.

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"Ich habe diese Entscheidung getroffen und sie keine Sekunde bereut. Es wird jetzt eine Zeit kommen, die ich nicht gewohnt bin, ich war ja stets von Terminen und Vorhaben gelenkt. Es wird sicher interessant - ich selbst bin am meisten darauf gespannt", sagte Hoeneß.

Er habe immer versucht, seine Aufgaben beim FC Bayern so perfekt wie möglich zu erledigen, erklärte der gebürtige Ulmer. Nun habe er das Gefühl, dass es der richtige Zeitpunkt für den Rückzug sei.

"Wenn man beim FC Bayern meinen Rat braucht, bin ich da. Wenn sie ihn nicht brauchen, ist es ein gutes Zeichen", sagte Hoeneß: "Es wird nicht so sein, dass ich zuhause vor dem Telefon sitze und warte, dass jemand anruft. Ich bin nicht so ehrgeizig, dem Verein jetzt weiter meinen Stempel aufzudrücken."

Er sei unter anderem bei der Dominik-Brunner-Stiftung und dem FC Bayern Hilfe eV aktiv, dazu wolle er "Golfen und Schafkopfen". Er könne sich zudem vorstellen "mal wieder Gast bei einer politischen Talkrunde zu sein." Eine eigene TV-Show sei allerdings ausgeschlossen.

Hoeneß über Kahn: Vor fünf Jahren noch nicht vorstellbar

Seine Stärke sei es immer gewesen, erklärte Hoeneß weiter, nie von sich gedacht zu haben, alles besser zu wissen. Vielmehr habe er sich mit Leuten umgeben, die er um Rat habe fragen können und die ihn gegebenenfalls korrigiert hätten. So eine Ratgeberfigur wolle er nun für die handelnden Personen beim FCB sein.

2022 soll Oliver Kahn Karl-Heinz Rummenigge als Vorstandsvorsitzenden beerben. Die Entwicklung des früheren Weltklassetorhüters habe ihm "immer mehr imponiert", erzählte Hoeneß: "Vor zehn oder auch vor fünf Jahren hätte ich ihn mir in dieser Position noch nicht vorstellen können". Das sei Kahn übrigens ähnlich gegangen, als sie zum ersten Mal auf das Thema zu sprechen kamen: "Eine Woche später rief er dann aber an und sagte, wir sollten das vielleicht doch mal genauer durchsprechen."

Hoeneß: "Ich habe keinen Tag bereut"

Hoeneß' Bilanz fällt positiv aus. "Ich kann sagen, dass ich durch und durch zufrieden bin. Wenn ich morgens aus dem Fenster schaue, bin ich glücklich. 49 Jahre FC Bayern - ich habe keinen Tag bereut. Ich habe diesem Klub alles zu verdanken und mich nie als Angestellter, sondern immer als sein erster Fan gesehen. Ich empfinde in Bezug auf den FC Bayern nichts als Dankbarkeit", so der frühere Nationalspieler.

Daran würden auch die vergangenen Monate nichts ändern, in denen sich Hoeneß auch aus den eigenen Reihen teils heftige Kritik gefallen lassen musste. Er glaube, meinte Hoeneß weiter, dass "im tiefen Bewusstsein der Fans sicher weiterhin abgespeichert ist, dass ich mir für sie immer den Hintern aufgerissen habe".

Die Kritik, er sei aus der Zeit gefallen, kann Hoeneß nicht nachvollziehen: "Darüber kann ich nur lächeln. Jedem, der so denkt, sage ich nur: Dann bin ich gerne aus der Zeit gefallen."

Hoeneß über seine schlimmsten und schönsten Momente

"Mein allergrößter Fehler war meine Steuersache. Das bereue ich zutiefst und Kritik daran ist höchst berechtigt", erinnerte sich Hoeneß. Aber auch aus dieser Zeit habe er gelernt: "In schweren Stunden erinnere ich mich an die Schicksale, die ich da mitbekommen habe. Einmal saß einer in meiner Kammer, obwohl er entlassen war. Er sagte, er wüsste nicht, wohin er soll. Keiner hat ihn abgeholt. Irgendwann saß er dann in einem Taxi. Ins Nirgendwo. ­Solche Erlebnisse gehen nicht spurlos an einem vorüber."

Sehr emotional sei auch das Champions-League-Finale 2013 im Londoner Wembley-Stadion gewesen, "weil ich wusste: Gefängnis ante portas. Franck Ribéry weinte, und die Fans sangen meinen Namen, das hat mich unfassbar bewegt." Auch an seine Tore im Europacup-Endspiel im Alter von nur 22 Jahren erinnere er sich gern zurück - und an die Unterstützung auf der Jahreshauptversammlung 2013: "Wäre ich nicht hingegangen, wäre ich sicher nicht mehr zurückgekehrt, denn dieser Zuspruch unserer Fans damals hat mir eine ungemeine Kraft gegeben. Ich streckte nur den Kopf aus dem Auto, schon kam der Beistand von allen Seiten. Das hat mich umgehauen."

Hoeneß mit Spitze gegen DFB-Funktionäre

Hoeneß, der viele Jahre Manager des FC Bayern war und anschließend Präsident des Klubs wurde, äußerte sich außerdem zur Zukunft des Fußballs. Dieser mache derzeit viele Dinge, die ihn eigentlich kaputtmachen müssten.

"Aber das Interesse ist weltweit ungebrochen, das beruhigt mich. Ich höre bei den Sponsoren immer, dass es zum FC Bayern keine Alternative gibt. Die Entwicklung der DFB-Auswahl stimmt mich bedenklicher. Da hat man das Gefühl, das Interesse ebbt ab, und da sollten sich einige fragen, ob sie das richtige Konzept haben, ob man da nicht manchmal den Fußball am Menschen vorbei inszeniert", konnte sich Hoeneß eine Spitze in Richtung der Verantwortlichen der Nationalmannschaft nicht verkneifen.

Hoeneß: "Unser Konzept prosperiert wie nie"

Dagegen seien die Münchner für die Zukunft gut aufgestellt, meinte der scheidende Präsident. "Ich glaube, dass unser Konzept in den nächsten Jahren prosperiert wie nie. Es gibt weltweit kaum einen Verein, der so wie wir auf der Geldanlage-Seite geführt wird. Viele Klubs steuern stattdessen darauf zu, einen Schuldenberg jenseits einer Milliarde Euro anzuhäufen. Die wird es in absehbarer Zeit nicht mehr geben. Das wird Große treffen", prophezeite Hoeneß.

Er erklärte zudem, dass es Visionäre heute weitaus schwieriger hätten, als es beispielsweise bei ihm der Fall gewesen sei. "In unserer schnelllebigen Welt reichen drei Fehler, und du wirst gekillt. Mir rollen viel zu schnell Köpfe. Sobald einer mal etwas Mist baut, verurteilen ihn gleich alle: "Der muss weg!" Dabei sollte sich jeder eingestehen: Ich baue auch mal Mist. Weiterkommen heißt auch: Einander verstehen, Fehler verzeihen, nachgeben", so Hoeneß.

Die Aussagen von Uli Hoeneß im Überblick

Hoeneß über ...

... sein Leben nach dem FC Bayern: "Ich bin selbst neugierig. Mein Büro soll Herbert Hainer beziehen. Wenn man beim FC Bayern meinen Rat braucht, bin ich da. Wenn sie ihn nicht brauchen, ist es ein gutes Zeichen. Mein Leben ist total in Balance. Besonders freue ich mich auf noch mehr Zeit mit meinen Enkelkindern. Ich bin unter anderem Vorsitzender des Kuratoriums der Dominik-Brunner-Stiftung und sitze im Vorstand der FC Bayern Hilfe eV, werde weiter meine Vorträge halten, dazu Golfen und Schafkopfen - es wird nicht so sein, dass ich zuhause vor dem Telefon sitze und warte, dass jemand anruft."

... den FC Bayern in zehn Jahren: "Ich glaube, dass unser Konzept in den nächsten Jahren prosperiert wie nie. Es gibt weltweit kaum einen Verein, der so wie wir auf der Geldanlage-Seite geführt wird. Viele Klubs steuern stattdessen darauf zu, einen Schuldenberg jenseits einer Milliarde Euro anzuhäufen. Die wird es in absehbarer Zeit nicht mehr geben. Das wird Große treffen. Wo ist Inter Mailand, wo ist der AC Mailand? Wo ist Valencia, das war auch mal ein großer Verein? Oder mein großes Vorbild: Manchester United. Wo sind die jetzt? Es gibt viele Hinweise, dass man im Fußball nur mit Geld alleine, ohne Know-how, ohne Herz, ohne gewisse Werte auf Dauer nicht erfolgreich sein kann."

... die Wahl von Herbert Hainer und Oliver Kahn: "Oliver saß oft in meinem Büro zum Kaffee auf der Couch, wir hatten tiefgreifende Gespräche. Vor zehn oder auch vor fünf Jahren hätte ich ihn mir in dieser Position noch nicht vorstellen können - und als ich ihn schließlich gefragt habe, hat er kurioserweise zunächst selbst auch gemeint, das sei eher nichts für ihn. Eine Woche später rief er dann aber an und sagte, wir sollten das mal genauer durchsprechen. Als ich Herbert Hainer fragte, sagte er: 'Das ist der einzige Posten auf der Welt, der mich reizen würde.' (...) Wenn ich von Hainer und Kahn nicht völlig überzeugt wäre, hätte ich noch einmal kandidiert. Mir sind zwei Aspekte wichtig: Ich will nicht zum Teufel gejagt werden. Und ich will auch nicht sagen: Hoffentlich geht es dem FC Bayern nach meinem Abschied schlecht, damit mein Schaffen im Nachhinein im größtmöglichen Licht dasteht. Meine Maxime ist, dass es dem Verein künftig sogar noch besser geht. Weil es mir immer um den FC Bayern geht, nie um einzelne Personen."

... seinen Einfluss nach dem Rückzug: "Wenn man beim FC Bayern meinen Rat braucht, bin ich da. Wenn sie ihn nicht brauchen, ist es ein gutes Zeichen. (...) Ich werde nie als Erstes mit einem Reporter sprechen. Ich bleibe im Aufsichtsrat, es wird weiter einen Austausch mit den Verantwortlichen geben. Mein Verhältnis ist zu allen handelnden Personen tadellos. Ich bin nicht so ehrgeizig, dem Verein jetzt weiter meinen Stempel aufzudrücken. Meine Stärke war immer, dass ich nie von mir dachte, alles besser zu wissen. Sondern dass ich an jeder Hand Leute hatte, die ich um Rat fragen konnte, die mich korrigiert haben, die mir was sagen durften. Und so eine Ratgeberfigur möchte ich jetzt für die anderen werden. Eines ist dabei klar: Ich werde kein Claqueur sein. Ich räume jetzt mein Büro, denn ich kenne mich: Sonst hätte sich nichts verändert. Es musste ein klarer Schnitt her. Aber ich bin nicht aus der Welt. (...) Aber wenn ich Abstand zu allem habe, könnte ich mir vorstellen, mal wieder Gast bei einer politischen Talkrunde zu sein. Als Präsident des FC Bayern hatte ich mir das abgewöhnt, auch wegen meiner Steuersache."

... über die Attacke gegen ihn auf der Jahreshauptversammlung 2018: "Ich muss ehrlich sagen, ich habe mich geärgert, dass jemand, der mich gar nicht kennt, über zehn Minuten lang in der Vielzahl unsachliche Vorwürfe gegen mich äußern konnte, ohne dass auch nur ein einziges der anwesenden Mitglieder darauf reagiert. Auf dem Heimweg war ich in dieser Nacht sehr betroffen - und das hielt an. Ob du an gewissen Dingen schuldig bist oder nicht, ob du für bestimmte Punkte verantwortlich bist oder nicht - das spielt irgendwann offenbar keine Rolle mehr."

... über die Steuer-Affäre: "Mein allergrößter Fehler war meine Steuersache. Das bereue ich zutiefst, und Kritik daran ist höchst berechtigt. Ich bin meiner Familie so dankbar, sie war ein ungeheurer Halt. Damals konnte ich viel nachdenken und über das Leben lernen. So verrückt es klingt: Auch diese Zeit möchte ich nicht missen. In schweren Stunden erinnere ich mich an die Schicksale, die ich da mitbekommen habe. Einmal saß einer in meiner Kammer, obwohl er entlassen war. Er sagte, er wüsste nicht, wohin er soll. Keiner hat ihn abgeholt. Irgendwann saß er dann in einem Taxi. Ins Nirgendwo. ­Solche Erlebnisse gehen nicht spurlos an einem vorüber."

... seine Emotionen während der Haftstrafe: "Ich habe im Gefängnis teilweise so rührende Briefe bekommen, dass ich in meiner Zelle wie ein Kind geweint habe."

... eine Attacke von Ex-Spieler Markus Babbel: "Der Markus Babbel, der ging mir in Bremen in der Kabine mal an die Kehle. (...) Er hatte sich von Andi Herzog zwei Mal tunneln lassen. Da schnauzte ich ihn an: "Mach' mal deine Beine zu!" Drei Spieler mussten ihn zurückhalten, aber er hatte mich schon am Kragen. Tags darauf gaben wir uns die Hand."

... über seine größten Bayern-Momente: "Drei wunderbare Momente, aber nicht miteinander vergleichbar. Die Tore im Europacup-Endspiel waren mit 22 mein internationaler Durchbruch. Ich weiß noch, wie kaputt wir vor dem Wiederholungsspiel waren - wir sind im Training getorkelt. Aber dann spielten wir tags drauf wie vom anderen Stern, unter anderem Gerd Müller und ich mit je zwei Toren. In der Kabine nahm ich fix und fertig den Pokal in die Hände und dachte mir: "Jetzt bitte das Leben anhalten - schöner kann es nicht werden!" Aber es kamen noch viele tolle Momente. Der Triumph in Wembley war für mich persönlich sehr emotional, weil ich wusste: Gefängnis ante portas. Franck Ribéry weinte, und die Fans sangen meinen Namen, das hat mich unfassbar bewegt. Ich weiß auch noch, dass ich mich erst in letzter Sekunde entschieden hatte, im November 2013 zu der Versammlung zu gehen, auf der ich mich als Präsident verabschieden musste. Wäre ich nicht hingegangen, wäre ich sicher nicht mehr zurückgekehrt, denn dieser Zuspruch unserer Fans damals hat mir eine ungemeine Kraft gegeben. Ich streckte nur den Kopf aus dem Auto, schon kam der Beistand von allen Seiten. Das hat mich umgehauen. Die Fans ließen mich nicht hängen, und als ich dann oben auf der Bühne sprechen sollte, brachen bei mir alle Dämme. Da musste alles raus. Ich war trotz allem: glücklich."

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