BVB, VfB Stuttgart und Eintracht Frankfurt in der Saison 1991/1992: Das größte Drama der Bundesliga-Geschichte?

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Auch in der laufenden Bundesliga-Saison deutet wenig auf echte Spannung im Meisterrennen hin. Das war früher anders, in der Saison 1991/1992 zum Beispiel. Vor 30 Jahren krönte sich der VfB Stuttgart am letzten Spieltag in einem dramatischen Dreikampf mit dem BVB und Eintracht Frankfurt zum Meister. Ein Rückblick auf einen historischen Fußball-Thriller.

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Dieser Artikel wurde im August 2022 veröffentlicht

16. Mai 1992, 38. und letzter Spieltag der nach dem Mauerfall vorübergehend auf 20 Mannschaften aufgestockten Bundesliga. Mit Eintracht Frankfurt, dem VfB Stuttgart und Borussia Dortmund, die alle 50 Punkte auf dem Konto hatten, machten sich noch drei Klubs Hoffnungen auf die Meisterschaft.

Klarer Favorit war die Eintracht. Das Team von Trainer Dragoslav Stepanovic war mit Spielern wie Anthony Yeboah, Andreas Möller oder Uwe Bein traumhaft besetzt und spielte bereits die gesamte Saison über den "Fußball 2000". Einen Fußball, der in seiner Eleganz und Schönheit seiner Zeit um Jahre voraus war.

Trotz Punktgleichheit sprach auch die tabellarische Ausgangslage für die Hessen. Frankfurt hatte ein um sieben Treffer besseres Torverhältnis als der zweitplatzierte VfB. Auf den BVB, der auf Rang drei lag, waren es sogar 18 Tore Vorsprung. Und der FC Bayern? Belegte am Ende den zehnten Platz und spielte keine Rolle.

Dazu hatte die SGE einen vermeintlich leichten Gegner: Ein Auswärtsspiel bei Hansa Rostock, das quasi abgestiegen war und zuletzt fünf Mal in Folge verloren hatte. Dortmund musste beim ebenfalls um den Klassenerhalt kämpfenden MSV Duisburg ran, Stuttgart bei Bayer Leverkusen, das noch auf eine UEFA-Cup-Teilnahme schielte. Ein Sieg der Eintracht hätte also die erste Meisterschaft seit 1959 bedeutet. Reine Formsache?

9. Minute: Dortmund ist Tabellenführer

Stephane Chapuisat bringt den BVB in Duisburg nach Vorlage von Michael Zorc in Führung, die Dortmunder springen in der Blitztabelle auf Platz eins. Stuttgart erwischt in Leverkusen einen holprigen Start, während den Frankfurtern in Rostock die Nervosität deutlich anzumerken ist: Ungenauigkeiten, Fehlpässe, Leichtsinn. Trotzdem: So richtig will noch niemand an einen Ausrutscher des Spitzenreiters glauben.

Zwischenstände: Rostock - Frankfurt 0:0, Leverkusen - Stuttgart 0:0, Duisburg - Dortmund 0:1

Tabellenführer: Dortmund

"Für mich gab es überhaupt keine Überlegung, dass Rostock uns schlagen könnte", erinnerte sich Stepanovic Jahre später bei Sport1. Und Eintracht-Stürmer Axel Kruse ergänzte: "Wir haben überhaupt nicht daran gedacht, dass wir vielleicht nicht Deutscher Meister werden könnten."

Die Konkurrenz aus Stuttgart und Dortmund war auch nicht wirklich von einer Überraschung im Ostseestadion überzeugt. "Eigentlich waren wir uns sicher, dass Frankfurt in Rostock gewinnt und damit Meister wird. Entsprechend waren unsere Hoffnungen relativ begrenzt", sagte Dortmunds Thomas Helmer.

Dragoslav Stepanovic war damals Trainer der Eintracht.
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Dragoslav Stepanovic war damals Trainer der Eintracht.

Beim VfB war die Stimmung nach einem mageren 1:1 gegen Wattenscheid in der Vorwoche komplett im Keller. "Die Titelchance schien verspielt", meinte Kapitän Guido Buchwald: "Aber dann haben uns Christoph Daum und Dieter Hoeneß nochmal extrem angeheizt."

Manager Hoeneß erhöhte die Siegprämie von 3000 auf 8000 Mark. Trainer Daum redete die ganze Woche über nur vom Titelgewinn, prophezeite einen Frankfurter Ausrutscher und hängte am Samstagmorgen ein martialisches Plakat in der Kabine auf: "15.30 Uhr - Krieg in Leverkusen!"

20. Minute: Nackenschlag für den VfB

Stuttgarts Libero Slobodan Dubajic spielt den Ball mit der Hand, Schiedsrichter Hans-Peter Dellwing gibt Elfmeter und Martin Kree verwandelt zum 1:0 für Leverkusen. Während es in Rostock und Duisburg vorerst ruhig bleibt, folgt im Ulrich-Haberland-Stadion eine unglaubliche Szene. Andreas Thom vernascht die VfB-Abwehr und hebt den Ball über Keeper Eike Immel hinweg in Richtung Tor. Mit einer halsbrecherischen Aktion, einer Art Fallrückzieher kurz vor der eigenen Torlinie, verhindert Günther Schäfer den Gegentreffer. Auf wundersame Weise bugsiert der Verteidiger die Kugel über den Kasten und hält den VfB am Leben.

Zwischenstände: Rostock - Frankfurt 0:0, Leverkusen - Stuttgart 1:0, Duisburg - Dortmund 0:1

Tabellenführer: Dortmund

Bis heute gibt es in der Bundesliga keinen Feldspieler, der für eine Rettungstat noch Jahrzehnte später so sehr verehrt wird wie Schäfer. Neben seiner Vereinstreue - der mittlerweile 60-Jährige trug 21 Jahre das VfB-Trikot und ist heute Teammanager der Schwaben - ist die Szene von Leverkusen der wesentliche Grund für seinen Status als Klub-Ikone.

"Ich hatte vor allem wahnsinnige Schmerzen nach dem Flug, weil ich mit der Hüfte direkt auf die Torstange gefallen war", sagte Schäfer rückblickend: "Diese Szene hat einen festen Platz in der Fußballgeschichte. Nicht nur in der des VfB, sondern der gesamten Bundesliga."

43. Minute: Der VfB ist wieder im Geschäft

Christian Wörns foult Stuttgarts Ludwig Kögl, es gibt zum zweiten Mal Elfmeter. Der Pfiff ist umstritten, weil das Foul womöglich vor der Strafraumgrenze begangen wird. Fritz Walter, mit 22 Treffern Torschützenkönig der Saison 1991/1992, lässt sich die Chance nicht entgehen und gleicht aus.

Zwischenstände: Rostock - Frankfurt 0:0, Leverkusen - Stuttgart 1:1, Duisburg - Dortmund 0:1

Tabellenführer: Dortmund

Frankfurt glänzte in der Saison 91/92 gegen starke Mannschaften. Stand aber ein Team defensiv und agierte körperbetont, bekam die Stepanovic-Elf häufig Schwierigkeiten. So ließ die Eintracht immer wieder gegen Underdogs leichtfertig Punkte liegen.

Ganz bitter verlief aus Frankfurter Sicht der vorletzte Spieltag, als beim 2:2 gegen Werder Bremen ein riesiger Schritt in Richtung Titel verpasst wurde. Die Bremer hatten sich drei Tage zuvor durch einen 2:0-Sieg im Finale gegen die AS Monaco den Titel im Europapokal der Pokalsieger gesichert und anschließend "eine Party nach der anderen geschmissen", wie Werder-Verteidiger Uli Borowka in seinem Buch "Volle Pulle" schrieb.

Einen komplett nüchternen Bremer Spieler suchte man in Frankfurt somit vergeblich. Borowka hatte seinem Kumpel Andreas Möller vor dem Spiel noch zugerufen: "Ey Andy, macht mal locker, heute gewinnt ihr sowieso. Wir werden euch jedenfalls nicht daran hindern."

Doch dann agierten die Frankfurter übermotiviert. "Sie haben auf uns eingetreten, als hätte man ihnen für jeden blauen Fleck eine Prämie versprochen", berichtete Borowka: "Nach der dritten harten Grätsche wurde es uns zu bunt." Die Norddeutschen hielten fortan dagegen und klauten einen Zähler.

Halbzeit: Der BVB ist Meister

Dortmund ist in den ersten 45 Minuten in Duisburg spielbestimmend. Helmer und Flemming Povlsen vergeben gute Chancen, um zu erhöhen. In Leverkusen kann sich der VfB bei Immel bedanken, der mit einer starken Parade gegen Thom den erneuten Rückstand verhindert. Die Eintracht bekommt die Partie in Rostock nach einer halben Stunde immer besser in den Griff. Möller und Kruse lassen allerdings Möglichkeiten zur Führung aus.

Zwischenstände: Rostock - Frankfurt 0:0, Leverkusen - Stuttgart 1:1, Duisburg - Dortmund 0:1

Tabellenführer: Dortmund

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