Kolumne - Die Probleme des deutschen Fußballs: Finanzlöcher, Fan-Entfremdung, Führungsvakuum

Von Martin Volkmar
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Seit Beginn der Corona-Pandemie steckt der deutsche Fußball in einer tiefen Krise - doch auch mit der Bewältigung des Virus wären viele Probleme noch längst nicht gelöst. Das Geld fehlt an allen Ecken und Enden, der Rückhalt der Fans schwindet. Und wer den stotternden Dampfer nach dem Abschied von Christian Seifert wieder flottmachen wird, ist unklar. Die Fußball-Kolumne.

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Als Christian Seifert im Frühjahr 2016 die Auktion der TV-Rechte ab der Saison 2017/18 startete, war er sehr zuversichtlich. Doch am ersten Tag tat sich nichts im eigens eingerichteten Mail-Postfach. Also rief der DFL-Geschäftsführer seine Frau an, um zu wissen, ob der Account überhaupt funktionsfähig sei. "Die erste Mail habe ich fotografiert: Verena Seifert, Betreff: Test", erzählte er diese Woche auf dem Sportbusiness-Kongress SPOBIS.

Zu Seiferts Beruhigung trug dann aber vor allem bei, dass wenig später auch die Angebote der Sender hereinrauschten, eins besser als das andere. Am Ende stand der bis heute gültige Rekorderlös von 4,6 Milliarden Euro, was einer unglaublichen Steigerung gegenüber dem vorherigen Vierjahresvertrag von 85 Prozent entsprach.

Als Seifert diese Anekdote auf dem Podium in Düsseldorf zum Besten gab, auf dem er vom Veranstalter Sponsors mit dem Ehrenpreis ausgezeichnet wurde, kam bei manchem Zuhörer aus der Bundesliga im vollbesetzten Auditorium Wehmut auf. Denn Umsatzsteigerungen wie damals könnten die Klubs angesichts der massiven Auswirkungen der Corona-Welle aktuell dringend gebrauchen. Doch erwartbar kam es beim jüngsten TV-Vertrag, der mitten in der Pandemie verhandelt werden musste, erstmals seit Seiferts Dienstbeginn 2005 zu einem Rückgang der Erlöse um 240 Millionen Euro.

Nun verlässt der Kapitän, der die strauchelnden 36 Klubs mit seinem viel gelobten Management vergleichsweise erfolgreich durch die tiefste Krise der Liga-Geschichte geführt hat, das Schiff. Und das ausgerechnet in einer Situation, wo es wesentlich mehr offene Fragen als Antworten gibt. "Für den Fußball schmilzt nach Corona das Eis", schrieb die dpa.

Fünf der drängendsten Themen hat Frankfurts Vorstandssprecher Axel Hellmann beim SPOBIS thematisiert: Die Bewältigung von Corona, die Umsatzschwäche der Liga, die 50+1-Regelung, die Führungsfragen in DFL und DFB sowie die Angriffe auf nationale Liga-Modelle durch die Super League.

Fasst man die Thesen zusammen, landet man bei den drei größten Problemen im deutschen Fußball: Finanzlöcher, Fan-Entfremdung, Führungsvakuum.

Finanzen, Fans, Führungsfragen: Axel Hellmann von Eintracht Frankfurt legte auf dem SPOBIS den Finger in die Wunden des deutschen Fußballs.
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Finanzen, Fans, Führungsfragen: Axel Hellmann von Eintracht Frankfurt legte auf dem SPOBIS den Finger in die Wunden des deutschen Fußballs.

Finanzlöcher im deutschen Fußball: "Weg aus der Krise ist weit"

Die durch den Verzicht auf Zuschauereinnahmen und Sponsoring sowie den Absprung von Werbepartnern bedingten Umsatzverluste von geschätzt rund zwei Milliarden Euro sorgen schon seit Monaten für angespannte Stimmung in den Chefetagen, denn Besserung ist vorerst nicht in Sicht.

Was auch daran liegt, dass die übergroße Mehrheit der Vereine schon vorher wirtschaftlich gesehen nur auf Sicht gefahren ist, so dass Corona laut Hellmann lediglich "der Brandbeschleuniger" gewesen sei: "Der Weg zurück aus der Krise ist viel weiter, als wir denken."

Denn auch die Erlöse bei den Medienrechten stagnieren. "Wenn immer mehr Traditionsvereine absteigen, haben wir keine Argumente, um bei unseren Partnern einen Mehrerlös zu erzielen", nannte Hellmann ein Kernproblem. "Unser Ertragsniveau ist schon denkbar schwach", meinte der Eintracht-Boss, der aber bei der Auslandsvermarktung noch Luft nach oben sieht: "Unser Vermarktungsniveau spiegelt den grundsätzlichen Wert der Liga international nicht wider."

Bundesliga-Krise: "Legt alle zusammen und haltet Haaland"

Schließlich erzielt die Liga laut den Planzahlen vor Corona dort nur etwa 15 Prozent der Premier-League-Einnahmen von knapp 1,7 Milliarden Euro. Seifert widersprach allerdings mit Verweis auf den seit einem Jahrzehnt praktisch ausgesetzten Meisterschaftskampf, zu wenige internationale Titel und die regelmäßige Abwanderung potenzieller Topstars nach England oder Spanien. Ihm habe daher ein internationaler Medienmanager gesagt: "Ich gebe euch einen guten Tipp: Legt alle zusammen und haltet Haaland."

Wahrscheinlicher allerdings ist auch der Abschied des norwegischen Torjägers zur nächsten Saison, weil selbst Borussia Dortmund kaum die lukrativen Ablöseangebot ablehnen können wird. Neben erfolgreicher Transferpolitik und dem Zwang zum Sparen dürfte wohl nur der Einstieg von Investoren zusätzliches Geld bringen.

Hellmanns Ziel ist es, Private-Equity-Firmen an die Klubs zu binden, bei gleichzeitiger Einhaltung der 50+1-Regeln - ohne die jetzigen Ausnahmen für die so genannten Werksvereine. Noch vor kurzem schien das nicht mehrheitsfähig, doch die finanziellen Nöte könnten schon bald bei den meisten DFL-Vertretern zu einem Umdenken führen.

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