Schalke 04 - Trainer Dimitrios Grammozis im Porträt: "Hinter der sympathischen Fassade verbirgt sich ein harter Hund"

Von Dennis Melzer
Dimitrios Grammozis ist neuer Schalke-Coach.
© imago images/RHR-Foto

Dimitrios Grammozis wurde mit der Mammutaufgabe betraut, Schalke 04 zu retten. SPOX und Goal nehmen den 42-Jährigen unter die Lupe - und sprachen zu diesem Anlass mit seinem langjährigen Weggefährten Christian Hochstätter.

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Es war die Frage, die am Mittwochnachmittag kommen musste: Warum, Herr Grammozis, tun Sie sich das an? Warum steigen Sie als junger, unverbrauchter Trainer auf ein Schiff, dessen Havarie nur noch durch ein schier beispielloses Wunder zu verhindern ist?

"Weil ich Lust darauf habe", gab Grammozis mit breitem, selbstbewusstem Grinsen zu Protokoll. "Das ist kein normaler Verein, keine normale Aufgabe. Aber ich weiß, worauf ich mich einlasse. Ich sehe Schalke 04 als große Herausforderung."

Dass Grammozis dieser Herausforderung gewachsen ist, davon ist Christian Hochstätter überzeugt. "Das ist eine richtig große Aufgabe, gerade für einen jungen Trainer wie Dimi. Aber er hat das nötige Selbstbewusstsein, das es benötigt, um sich dieser Aufgabe zu stellen", sagt Hochstätter, der Grammozis aus gemeinsamen Zeiten beim VfL Bochum bestens kennt, im Gespräch mit SPOX und Goal.

Allerdings hatten sich bereits Manuel Baum und Christian Gross mit ähnlichem Enthusiasmus wie Grammozis vor nicht allzu langer Zeit in Gelsenkirchen vorgestellt. Sie sollten als die beiden Übungsleiter mit dem niedrigsten Punkteschnitt (Trainer mit mindestens zehn Spielen seit 2000 / Baum 0,4, Gross 0,5) in die Knappen-Annalen eingehen - hinter David Wagner, der zu Beginn der Saison die Segel hatte streichen müssen (1,08).

Schon bevor Baum die Königsblauen übernommen hatte, spukte Grammozis' Name über das Berger Feld, im Anschluss machte Ex-Sportchef Jochen Schneider quasi im Alleingang Gross zum Coach. Jetzt, im dritten Anlauf hat es also geklappt,"die Braut" wurde laut Grammozis von Interimschef Peter Knäbel endlich "zum Mann gebracht". Ein Bund fürs Leben oder doch eine Ehe, die zum Scheitern verurteilt ist?

Schalke: Grammozis bereits als Wagner-Nachfolger gehandelt

Der 42-jährige Grammozis unternahm seine ersten fußballerischen Gehversuche in Velbert. Zunächst für TuS Neviges aktiv, landete er über die Zwischenstationen SSVg Velbert und Borussia Velbert beim ehemaligen Bundesligisten Wuppertaler SV. 1994, im Alter von 16 Jahren schloss er sich dem KFC Uerdingen an, für dessen Profimannschaft er schließlich zwei Jahre später in der 2. Bundesliga debütierte.

Grammozis ergatterte bei den Krefeldern im defensiven Mittelfeld schnell einen Stammplatz, machte sich als Defensivallrounder und Kämpfer einen Namen. Schon bald zog er das Interesse größerer Vereine auf sich. Der Hamburger SV erhielt den Zuschlag, überwies 350.000 Euro Ablöse an den Niederrhein.

Auf zwei Spielzeiten bei den Hanseaten folgten fünf Bundesliga-Jahre in Kaiserslautern sowie eine weitere Saison beim 1.FC Köln. Nach einem Kurz-Intermezzo bei Rot-Weiss Essen zog es den Defensivspezialisten 2007 in das Heimatland seiner Eltern, nach Griechenland.

2013 beendete Grammozis seine aktive Laufbahn, zuletzt hatte er in Bochum unter Vertrag gestanden, für die zweite Mannschaft des Revierklubs gespielt. Sowohl dem Fußball als auch dem VfL blieb er im Anschluss treu, verdiente sich erste Trainer-Sporen im Nachwuchs der Bochumer. "Er ist als Spieler immer voran gegangen, hat die Ärmel hochgekrempelt und sein Team mitgenommen", sagt Hochstätter.

Hochstätter, zwischen 2013 und 2018 Sportvorstand beim VfL, ergänzt: "Dimi ist ein konsequenter Mann, der weiß, was er will. Diese Einstellung, dieses Durchsetzungsvermögen hat ihn schon als Spieler ausgezeichnet. Er ist imstande, seine Jungs für seine Sache und für das, was er vorhat, zu begeistern."

Dimitrios Grammozis soll Schalke in bessere Zeiten führen.
© IMAGO / Sven Simon
Dimitrios Grammozis soll Schalke in bessere Zeiten führen.

Hochstätter: Grammozis "ein harter Hund - im positiven Sinne"

Dabei helfe dem mittlerweile 42-Jährigen, dass er "nicht als Diktator fungiert", sondern im ständigen Austausch mit seinen Spielern stehe. Hochstätter erklärt: "Dimi ist ein sehr umgänglicher und angenehmer Mensch. Wir haben sehr eng miteinander gearbeitet, weil die Verzahnung zwischen Profi- und Jugendbereich in Bochum intensiv war. Man sollte sich aber nicht von der sympathischen Fassade blenden lassen, denn dahinter verbirgt sich ein harter Hund - im positiven Sinne. Er weiß, was er will."

Eine Attitüde, die Grammozis auch beim SV Darmstadt 98 an den Tag legte. Die Hessen verschafften ihm seine erste Profitrainerstation, anderthalb Jahre stand er für die Lilien an der Seitenlinie. Ende Februar 2020 gaben Klub und Trainer überraschend bekannt, dass sich die Wege im Sommer trennen würden. Grammozis und Darmstadt hatten sich nicht auf einen neuen Vertrag einigen können. Seine Spieler seien "nicht glücklich" mit der Entscheidung gewesen.

"Enttäuschung und Wut gibt es aber nicht", sagte er, der gerne längerfristig beim SVD gearbeitet hätte, auf einer Pressekonferenz. Im Hintergrund soll es seinerzeit zwischen den Parteien jedoch sehr wohl zu einem Zerwürfnis gekommen sein.

In den verbleibenden Monaten seiner Amtszeit in Darmstadt fuhr Grammozis etliche Siege ein, holte in der zweiten Saisonhälfte 32 Zähler und pulverisierte damit den Rückrundenrekord aus der Aufstiegssaison 2014/15 (30 Punkte). Werte, von denen S04 in der jüngeren Vergangenheit nur träumen durfte, belegt der Traditionsklub mit mickrigen neun Punkten abgeschlagen Tabellenplatz 18. Dennoch ist Grammozis guter Dinge, er wolle sich zumindest "nicht nachsagen lassen, dass wir nicht alles probiert hätten."

Hochstätter: "Er hat das nötige Selbstbewusstsein"

Hochstätter drückt seinem Weggefährten für die utopische Mission Klassenerhalt jedenfalls die Daumen. "Ich glaube, dass er zu den Leuten zählt, die darin eine Chance sehen und nicht ausschließlich das Risiko", sagt der frühere Gladbach-Profi.

Natürlich bestehe laut Hochstätter die Gefahr, dass Grammozis nach wenigen Wochen mit Gegenwind kämpfen müsse, sollten die erhofften Ergebnisse ausbleiben. "Es gibt wahrscheinlich viele Experten, die sich fragen, warum Schalke bereits jetzt auf ihn setzt. Wenn er drei Spiele verliert, wird er vermutlich schon wieder infrage gestellt", sagt der gebürtige Augsburger.

"Diese Frage werden sich Peter Knäbel und die Verantwortlichen auf Schalke auch gestellt haben. Aber sie haben sich für ihn entschieden und Dimi hat sich für Schalke entschieden. Sie werden schon einen Nenner gefunden haben. Vielleicht ist der Glaube an das Unmögliche doch noch da, so etwas passiert selten, aber es kommt vor."

Dimitrios Grammozis weiß jedenfalls, worauf er sich einlässt, das hat er deutlich zu verstehen gegeben. Ob sein selbstbewusstes Auftreten auf die Schalker Spieler überspringt? Am Freitag sollen sie den womöglich allerletzten Strohhalm packen und versuchen, das Unmögliche möglich zu machen.

Bundesliga: Die aktuelle Tabelle

PlatzTeamSp.ToreDiffPkt.
1.Bayern München2367:323552
2.RB Leipzig2343:202350
3.Wolfsburg2337:191845
4.Eintracht Frankfurt2346:321442
5.Borussia Dortmund2348:311739
6.Bayer Leverkusen2341:261537
7.1. FC Union Berlin2336:261034
8.SC Freiburg2337:35234
9.Borussia M'gladbach2340:36433
10.VfB Stuttgart2344:36832
11.TSG Hoffenheim2337:40-327
12.Werder Bremen2226:32-626
13.FC Augsburg2323:35-1226
14.1. FC Köln2321:41-2021
15.Hertha BSC2326:42-1618
16.Arminia Bielefeld2218:41-2318
17.1. FSV Mainz 052323:44-2117
18.Schalke 042316:61-459
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