Waldemar Anton im Interview: "Wir sind der VfB Stuttgart und ziehen unser Ding durch"

Der Coach und sein Abwehrchef: Waldemar Anton mit Pellegrino Matarazzo.
© getty
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Wie sehen Sie Ihre Rolle als Abwehrchef in diesem Konstrukt? Matarazzo hat Sie als Coach auf dem Platz gelobt, der seine Mitspieler mit seiner Leidenschaft ansteckt.

Anton: In meiner Rolle kommt es sicher sehr darauf an, dass ich auf dem Platz viel sprechen und organisieren muss. Das ist elementarer Bestandteil der Position als zentraler Innenverteidiger. Und natürlich versuche ich auch, Emotionen reinzubringen. Das ist meine Art und gerade in der Zeit ohne Fans, in der man noch mehr hört auf dem Platz, ist es besonders wichtig, Feuer reinzubringen. Wenn du einen Sprint über 70 Meter hinlegst und noch den Ball klärst, muss das jeder hören. Das betrifft aber nicht nur mich, da gehören alle dazu.

Und spielerisch?

Anton: Spielerisch ist der wichtigste Aspekt für mich, dass ich eine hohe Passgenauigkeit an den Tag lege und unser Spiel von hinten heraus sauber aufbaue. Der Trainer erwartet von mir, dass ich da auch offensiv denke, aber das muss er mir gar nicht extra sagen. So ticke ich eh und das würde er auch nicht aus mir herauskriegen. (lacht)

Anton: "Für mich ist Ramos der Beste der Welt"

Heutzutage ist das auch fester Bestandteil für einen Top-Verteidiger. Gibt es auf Ihrer Position Spieler, die Sie inspiriert haben?

Anton: Da muss ich auf jeden Fall Gerard Pique nennen. Er hat mir mit seiner Spielweise immer sehr imponiert. Seine Ruhe und seine Geduld am Ball sind beeindruckend. Bei ihm habe ich immer das Gefühl, dass auch drei Spieler auf ihn zustürmen könnten, es würde ihn nicht aus der Ruhe bringen. Er würde trotzdem ganz locker den Pass spielen. Aber Barca finde ich eh beeindruckend. Einmal wegen der Spielidee und dann auch wegen Messi. Als ich aufgewachsen bin, musste man sich zwischen Messi und Ronaldo entscheiden. Ich bin Team Messi. (lacht)

Wer ist denn für Sie aktuell der beste Innenverteidiger der Welt?

Anton: Für mich ist Sergio Ramos der Beste. Immer noch. Ich weiß nicht, wie viele Spiele er schon in letzter Minute mit einem Tor entschieden hat. Virgil van Dijk ist ja momentan leider verletzt, er ist sicher auch überragend, aber meine Nummer 1 ist Ramos. Er ist so ein extremer Gewinner-Typ, für mich ein absolutes Vorbild in der Hinsicht.

Die junge VfB-Truppe zeichnet Ramos-mäßig zumindest auch aus, dass Sie in der Saison mehrfach bewiesen hat, nie aufzugeben und in Spielen zurückzukommen.

Anton: Das stimmt. Wir sind eine Mannschaft, die wirklich einen ganz faszinierenden Mix aus unterschiedlichen Charakteren hat, aber bei aller Unterschiedlichkeit eint uns eine Sache: Wir gehen mit der festen Überzeugung in jedes Spiel, das auch gewinnen zu wollen. Und dafür investiert jeder alles und stellt seine persönlichen Befindlichkeiten im Zweifel auch hinten an. Wenn sie mich fragen, was passieren muss, damit ich am Ende der Saison wirklich zu 100 Prozent zufrieden bin, würde ich sagen: Dafür müssten wir jedes einzelne Spiel gewinnen bis zum Saisonende. Sonst reicht mir das nicht. Was ich damit sagen will: Wir haben eine gierige und ehrgeizige Mannschaft, das sieht man denke ich auch. Wir müssten nur ab und zu etwas ruhiger sein.

Anton: "Darüber habe ich nicht einziges Wort gelesen"

Was meinen Sie damit?

Anton: Ich ärgere mich immer noch über einige Spiele, die wir unnötigerweise hergeschenkt haben. Ich denke spontan an das Frankfurt-Spiel, als wir super gespielt und 2:0 geführt haben, dann aber insgesamt zu hektisch geworden sind. Auf der anderen Seite ist das aber auch ein völlig normaler Teil unseres Entwicklungsprozesses, den wir durchlaufen. Wir haben noch ein bisschen viele Aufs und Abs, aber das gehört dazu. Wir sprechen die Fehler klar an und arbeiten hart daran, es immer besser zu machen. Das merkt man in jedem Training.

Gegen Mainz stand jetzt endlich mal wieder die Null.

Anton: Ja, das hat wirklich gutgetan. Wir haben in dieser Saison schon so viele Tore bekommen, bei denen du nur den Kopf schütteln konntest. Da waren einige Ping-Pong-Tore dabei, die schwer zu erklären sind. Aber insgesamt waren es zu viele Gegentore, sodass wir uns alle auch gegenseitig gepusht haben, noch mal zehn Prozent mehr draufzulegen, um die Aktionen zu klären. Das haben wir gegen Mainz jetzt endlich mal geschafft.

Letzte Frage: Im Gegensatz zum Sportlichen läuft es vereinspolitisch momentan desaströs. Und das ist noch nett ausgedrückt. Hand aufs Herz: Bekommen Sie davon überhaupt irgendwas mit?

Anton: Ganz ehrlich: kaum etwas. Ich lese generell wenig, was in der Zeitung steht. Und darüber habe ich nicht ein einziges Wort gelesen. Der Trainer hat das Thema einmal vor der Mannschaft angesprochen. Aber damit hat sich das für uns auch erledigt. Ich verstehe natürlich, dass es viele Fans sehr bewegt, aber wir können das sehr gut trennen und konzentrieren uns auf unseren Bereich.

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