Erkenntnisse des 15. Bundesliga-Spieltags: Ausrufezeichen von Reus - Hertha-Luxuskader im Dauertief

Stefan Rommel
11. Januar 202110:36
Marco Reus hat beim BVB-Sieg in Leipzig eine starke Leistung gezeigt.getty
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Hertha BSC stolpert weiter durch die Liga und weiß die TSG Hoffenheim an seiner Seite, während beim VfL Wolfsburg eine Schwachstelle des Corona-Fußballs offensichtlich wird. Es gibt aber auch positive Nachrichten: Beispielsweise von Marco Reus und Borussia Dortmund. Die Erkenntnisse zum 15. Spieltag.

Hertha BSC hängt weiter im Dauertief

Eigentlich ist es bei Hertha BSC ganz einfach: Wenn Matheus Cunha dabei ist, besteht die Chance auf ein bisschen Fußball und auch den einen oder anderen Sieg. Und wenn nicht? Dann kommt so etwas heraus wie beim Auswärtsspiel in Bielefeld: Eine uninspirierte Vorstellung einer Mannschaft, die auch nach 15 Spieltagen noch keine ist und dann nicht einmal mehr gerettet werden kann von der individuellen Klasse eines Einzelspielers.

Der Berliner Luxuskader bleibt auch nach der knappen Hälfte der Saison nicht mehr als ein Experiment, das zu scheitern droht. Und langsam rückt dabei auch der Trainer in den Fokus. Bruno Labbadia verweist immer wieder darauf, dass man Geduld haben müsse und sich die Dinge erst langsam entwickeln könnten. Aber Labbadia hatte nun ein halbes Jahr Zeit, um der Mannschaft so etwas wie eine erkennbare Idee zu vermitteln.

Hertha spielt anders als viele andere vermeintliche Konkurrenten aus dem oberen Tabellensegment nicht international, hat also unter der Woche genug Zeit zu trainieren, selbst die Doppelbelastung im Pokal fällt seit dem Aus in der ersten Runde weg. Da bleiben kaum noch Ausreden, warum mit dieser teuer konzipierten Mannschaft nicht mehr möglich sein soll als 16 Punkte und Tabellenplatz zwölf.

VfL Wolfsburg: Das hochriskante Spiel mit der Gesundheit

Im November hatte sich Marin Pongracic bei einer Länderspielreise mit der kroatischen Nationalmannschaft mit Covid-19 infiziert, die Viruserkrankung folgte nur Wochen nach Pongracic' Pfeifferschem Drüsenfieber. Das waren nicht nur zwei schwere Erkrankungen innerhalb kurzer Zeit, die Erfahrungen mit den Spätfolgen einer Corona-Erkrankung sind bis heute wenig erforscht und diffus.

Trotzdem stand Wolfsburgs Innenverteidiger wegen der angespannten Personallage bei den Wölfen seitdem in vier Ligaspielen in der Startelf - beendete aber keine dieser vier Partien auch auf dem Platz. Pongracic wurde immer ausgewechselt, vielleicht auch aus taktischen Gründen wie bei den Spielen in München und Dortmund, als der VfL zurücklag. Am Wochenende in Berlin musste der Kroate aber schon nach 45 Minuten runter.

"Marin hatte große Probleme mit der Luft. Er hatte schon während der ersten Halbzeit hin und wieder beide Arme auf den Knien, wie man es normalerweise am Ende einer Verlängerung kennt. Bei ihm war es nach 15 Minuten zum ersten Mal", sagte sein Trainer Oliver Glasner und fügte an: "Er ist nicht in einem hundertprozent fitten Zustand. Keiner von uns weiß, wie sich die Infektion über Monate hinweg auswirkt."

Sätze wie diese deuten eine Lücke im viel gelobten DFL-Hygienekonzept an: Bis heute wird an medizinischen Studien zum Zeitpunkt der Ausarbeitung des Konzepts festgehalten. Das war im letzten Mai. Pongracic' Innenverteidigerkollege Maxence Lacroix pausierte übrigens gegen Union - wegen den Folgen einer Covid-Erkrankung. Aber so lange alle das Spiel mitspielen, Spieler, Klubs, Politik, Ärzte und die Medien, wird sich kaum etwas ändern.

SC Freiburg: Der nächste interessante Spieler

Der Höhenflug des SC Freiburg hält nicht nur an, er erreicht mittlerweile ungeahnte neue Bestmarken. Das 5:0 gegen einen unterirdischen 1. FC Köln bedeutete den fünften Bundesligasieg in Folge und damit Vereinsrekord. Fünf verschiedene Torschützen unterstreichen die Unberechenbarkeit in Christian Streichs Kader, der nun schon insgesamt zehn verschiedene Torschützen beherbergt.

Neben den üblichen Verdächtigen wie Vincenzo Grifo, Roland Sallai oder Nils Petersen, spielt sich in den letzten Wochen auch ein anfangs eher übersehener Spieler immer mehr in den Vordergrund. Ermedin Demirovic kam im Sommer für stattliche 3,7 Millionen Euro aus Alaves, für Freiburger Verhältnisse eine sehr große Ablösesumme - die der in Hamburg geborene Bosnier nicht auf Anhieb rechtfertigen konnte.

Der Start in der Bundesliga verlief holprig, Demirovic hatte eine vergleichsweise kurze Sommerpause, auch dadurch Probleme auf dem Platz und fiel abseits eher mit fragwürdigen Social-Media-Postings auf. Ein kleiner öffentlicher Rüffel des Trainers war die Folge.

Aber nach dem Tiefpunkt beim 1:3 zu Hause gegen Mainz Mitte November fand nicht nur die Mannschaft in die Spur, sondern auch der 22-Jährige. Seitdem taucht Demirovic fast dauerhaft in der Startelf auf und zeigt, warum Freiburg so viel Geld in ihn investiert hat. Als falsche Neun bringt der Spieler Spielintelligenz und Abschlussstärke mit, glänzte zuletzt auch immer wieder als Vorbereiter. Zwei Tore und fünf Assists sind die starke Zwischenbilanz, aber man darf sicher sein: Da geht auch noch mehr.

TSG Hoffenheim stürzt in den Keller ab

Zwölf Ausfälle hatte Trainer Sebastian Hoeneß vor Hoffenheims Spiel auf Schalke beklagt und tatsächlich ist bei den Kraichgauern in dieser Saison irgendwie der Wurm drin. Hoffenheims Kader lässt wirklich nichts aus, sodass Hoeneß zu diesem frühen Zeitpunkt der Saison schon 28 verschiedene Spieler einsetzen musste.

Die Dreifachbelastung hat sich durch das Aus im Pokal kurz vor Weihnachten zwar um einen Wetbewerb reduziert, die personelle Lage bleibt aber weiter angespannt - und geht mittlerweile einher mit einer veritablen sportlichen Delle. Nach 15 Spieltagen stehen erst vier Siege, aber schon acht Niederlagen und 30 Gegentore, die drittmeisten der Liga. Und das hat nicht nur mit der Verletzungsmisere und ein wenig Pech mit der einen oder anderen Schiedsrichterentscheidung zu tun.

Bei einer Mannschaft, die zuvor fast ein Jahr lang kein Ligaspiel mehr gewonnen hatte, gleich mit 0:4 unterzugehen, ist kaum zu erklären. Hoffenheims Kader ist tief und stark genug besetzt, um auch Ausfälle zu verkraften - und er sollte auch reichen, um im Zwischenklassement nicht hinter Klubs wie Werder, Stuttgart, Augsburg oder Freiburg zu stehen. Derzeit ist der Rückstand auf die internationalen Plätze (zehn Punkte) doppelt so groß wie der Vorsprung auf den Relegationsplatz. Allein das sollte den Ernst der Lage im Kraichgau verdeutlichen.

Die medial schon heraufbeschworene Trainerdiskussion wird es nicht geben, sagt Sportchef Alexander Rosen. Trotzdem bekommt das nächste Heimspiel gegen Bielefeld nun einen ganz anderen Charakter: Die Arminia steht derzeit auf dem Relegationsrang.

SPOX

BVB: Findet Marco Reus endlich in die Spur?

Die Krise von Borussia Dortmund war auch die Krise von Marco Reus. Der Kapitän wollte einfach nicht so richtig in diese Saison kommen, die schon so schwierig begonnen hatte. Reus kam aus einer langen Verletzung, fing sich dann in der Vorbereitung noch eine Sehnenentzündung ein.

Die Leistungen bis hierher zeichnen einen Wellenverlauf, ordentlichen bis guten Vorstellungen folgten immer wieder echte Durchhänger, was Reus in gewisser Weise auch zum Sinnbild für die gesamte Mannschaft machte. Umso wichtiger war die Partie in Leipzig, weil der BVB bei einer Niederlage wohl definitiv raus gewesen wäre aus dem Titelrennen und Reus als Anführer der Mannschaft unter besonderer Beobachtung steht - insbesondere mit dem immer noch jungen und neuen Trainer an der Seitenlinie.

Im Spitzenspiel setzte der Kapitän zumindest ein Ausrufezeichen, zeigte seine wohl beste Saisonleistung und führte die Mannschaft zum wichtigen Sieg. "Das heute war ein deutlicher Schritt nach vorn von uns, auch von mir selbst", sagte Reus nach dem Spiel. Wie viel der wert ist und wie es mit Reus' Saison weitergeht, wird sich erst noch zeigen. Dafür waren die bisherigen Leistungen einfach zu unkonstant.

Bundesliga: Die aktuelle Tabelle

PlatzTeamSp.ToreDiffPkt.
1.Bayern München1546:242233
2.RB Leipzig1526:121431
3.Bayer Leverkusen1530:151529
4.Borussia Dortmund1531:191228
5.1. FC Union Berlin1531:201125
6.Wolfsburg1522:17525
7.Borussia M'gladbach1528:24424
8.SC Freiburg1528:24423
9.Eintracht Frankfurt1525:23223
10.VfB Stuttgart1530:22821
11.FC Augsburg1517:23-619
12.Hertha BSC1523:25-216
13.Werder Bremen1517:24-715
14.TSG Hoffenheim1522:30-815
15.Arminia Bielefeld1510:24-1413
16.1. FC Köln1513:27-1411
17.Schalke 041512:39-277
18.1. FSV Mainz 051514:33-196