Am Ende lacht nur der Vermieter

Von Mario Krischel
Markus Weinzierl muss nach einem Jahr auf Schalke schon wieder gehen
© getty

Am Freitag hat sich der FC Schalke 04 nach einer schwachen Saison doch von Trainer Markus Weinzierl getrennt, der erst vor einem Jahr mit viel Vorschusslorbeeren vom FC Augsburg gekommen war. Mit der Entlassung setzt sich Manager Christian Heidel gleichzeitig selbst unter Druck, hat jedoch ein Ass im Ärmel.

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Locker lässig und mit einem nicht enden wollenden Grinsen betrat Markus Weinzierl Ende Juni letzten Jahres den Presseraum in der Veltins-Arena. Die Bräune aus dem Urlaub brachte er mit nach Gelsenkirchen.

Nach vier erfolgreichen Jahren beim FC Augsburg hatte sich der FC Schalke 04 die Dienste des jungen Trainers gesichert, der es mit dem FCA in der Saison zuvor sogar in die Zwischenrunde der Europa League geschafft hatte.

Jetzt war es Zeit für eine neue Herausforderung, erklärte Weinzierl den Wechsel aus der ruhigen Fuggerstadt ins weniger ruhige Ruhrgebiet und meinte außerdem, er habe sich seit acht Jahren auf diesen Schritt vorbereitet.

Links neben ihm positionierte sich Neu-Manager Christian Heidel, der ähnlich wie Weinzierl doch recht zufrieden dreinblickte. Beide Parteien schienen diesen Schritt sehr zu begrüßen. Schließlich lag hinter Königsblau eine enttäuschende Saison, die nur auf dem fünften Tabellenplatz endete. Coach Andre Breitenreiter, ein Jahr zuvor vom SC Paderborn gekommen, musste gemeinsam mit Manager Horst Heldt seinen Hut nehmen.

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Weinzierl, der Fast-Wunschtrainer

Breitenreiter und Heldt hatten die Knappen nicht dahin geführt, wo sich der Verein selbst gern gesehen hätte - in der Königsklasse. Aufsichtsratsboss Clemens Tönnies hatte genug und lud Mainz-Macher Heidel zu sich ins ostwestfälische Rheda ein. Beide waren sich schnell einig, Heidel sollte S04 endlich Stabilität und Kontinuität verleihen.

Noch bevor Heidel das mit zu viel Zigarettenaroma versehene Büro im obersten Geschoss der Schalker Geschäftsstelle von Heldt übernehmen konnte, legte er mit seiner ersten Amtshandlung einen entscheidenden Hebel um und setzte Breitenreiter vor die Tür.

Der Neuanfang sollte her. Und dieser Neuanfang hieß Markus Weinzierl.

"Es war von Tag eins mein Anspruch, die bestmögliche Lösung für Schalke 04 zu finden", versicherte Heidel in seinem Einstiegsplädoyer. "Heute bin ich froh, dass der Wunschtrainer rechts neben mir sitzt."

Die Vorahnung des Vermieters

Wobei Heidel sich später selbst noch korrigieren sollte. Niemand könne der Idealvorstellung eines Trainers gerecht werden, doch Weinzierl käme "diesem Bild sehr nahe". Sowohl Trainer und Manager machten gleich auf dieser Vorstellungsrunde deutlich, dass sie vieles vorhaben auf Schalke. Zu dem Zeitpunkt hatte Heidel die infrastrukturellen Gegebenheiten am Ernst-Kuzorra-Weg bereits als "nicht bundesligatauglich" abgestempelt. Weinzierl wollte ihm dabei helfen, "alles zu optimieren".

Optimal war für Weinzierl bis dahin trotzdem nicht alles verlaufen, denn eine Wohnung oder ein Haus für seine Familie hatte er in der Umgebung noch nicht gefunden. Das Problem war oft dasselbe: "Der Vermieter hat etwas Langfristiges gesucht."

Während Weinzierl im Juni 2016 noch viele Lacher erntete, lacht im Juni 2017 nur jener Vermieter, der vor zwölf Monaten ein goldenes Näschen bewies.

Nach wieder mal nur einem Jahr zieht der FC Schalke die Reißleine und trennt sich von Weinzierl. Mit Ablauf der Spielzeit, die für Königsblau auf Platz zehn und ohne Europacup endete, hatte noch alles danach ausgesehen, als würde Heidel Weinzierl eine zweite Chance geben.

Schließlich wollte das Gespann gemeinsam etwas aufbauen und es seinen Vorgängern zeigen, die in den Vorjahren unzählige Male Trainer und Management ausgetauscht hatten.

Heidel erkennt kein Konzept und reagiert

Schon vor wenigen Wochen hatte Heidel in seinem Saisonfazit scharfe Kritik an Weinzierl geübt, die erste Risse im Verhältnis vermuten ließ. "Ich möchte, dass die Mannschaft ein klares Konzept auf dem Platz zeigt. Das habe ich nicht erkannt."

Eine Trennung von Weinzierl, der Schalke immerhin rund vier Millionen Euro Ablöse gekostet hatte und noch einen Vertrag bis 2019 besitzt, schloss Heidel damals aber aus. "Das Thema will ich überhaupt nicht aufmachen", sagte er, "wir werden einen Weg finden, dass die nächste Saison besser läuft und Schalke besser Fußball spielt. Dabei werden wir sehr, sehr viel Wert auf ein Spielkonzept legen."

Nachdem Heidel in dieser Woche aus seinem Urlaub zurückgekehrt war, kam es zu einem dreistündigen Krisengipfel mit Weinzierl, der ihn dabei offenbar nicht mehr von seinem Konzept überzeugen konnte. Zusammen habe man "die gesamte Saison auf den Prüfstand gestellt. Das Ergebnis unserer Überlegungen ist, dass wir Veränderungen vornehmen müssen, um die von uns gewollte Entwicklung vorantreiben zu können. Dies beinhaltet auch eine Neubesetzung der Position des Chef-Trainers."

Auch wenn der Schritt nicht mehr erwartet wurde, wirklich überraschend ist die Trennung nicht. Mit 1,26 Punkten im Schnitt war Weinzierl nochmals deutlich schlechter als sein Vorgänger Breitenreiter (1,53). Selbst Roberto di Matteo oder Fred Rutten (beide 1,48) weisen eine bessere Bilanz auf als der ehemalige Augsburg-Coach.

Neben der schwachen Ausbeute war es der zumeist fußballerische Offenbarungseid auf dem Feld, der den treuen Anhängern zusetzte. Ein Fortschritt, wie Heidel richtig erklärte, war kaum zu sehen.

Vor allem der ständige Gesichtswandel der Mannschaft war rational nicht zu begründen. Ging man in der Liga auch nur einen kleinen Schritt Richtung europäische Plätze, folgten durch Pleiten in Darmstadt oder Freiburg gleich wieder mehrere Rollen rückwärts.

Schalkes Saisonbilanz im Vergleich zum Rivalen Borussia Dortmund

Ist Golden Boy Tedesco schon Heidels letzter Schuss?

Und doch ist der Trainerwechsel auch diesmal wieder wie ein kleines Beben auf Schalke, das unweigerlich ins Büro von Heidel führt. Wie der kicker schreibt, ist auch der Sportvorstand nach der schwachen Spielzeit intern in die Kritik geraten. Nicht nur wegen seiner teuren Transfers, von denen nur wenige zündeten, sondern vor allem wegen der Trainer-Wahl.

Sein nächster Griff muss sitzen, sonst wird auch für Heidel die Luft dünner. Dieser Griff ist Domenico Tedesco. Der 31-jährige Shootingstar führte Erzgebirge Aue in der vergangenen Saison zum Klassenerhalt in Liga zwei. Zudem schloss er den Trainerlehrgang als Jahrgangsbester vor Hoffenheims Julian Nagelsmann und Bremens Alexander Nouri mit 1,0 ab.

Keine neue Situation für Heidel, der zu seinen Bruchweg-Zeiten bereits Jürgen Klopp, Thomas Tuchel und Martin Schmidt als Neulinge installiert hatte. Tuchel wurde genau wie Ex-Leverkusen-Coach Roger Schmidt als potenzieller Weinzierl-Nachfolger gehandelt.

Doch schließlich fiel die Wahl auf Tedesco, der in letzter Instanz nur noch vom Aufsichtsrat abgesegnet werden musste. Der Deutsch-Italiener, der als Spieler nie Profi war, ist der 13. Schalke-Trainer in den vergangenen zwölf Jahren.

"Domenico Tedesco hat uns in den Gesprächen überzeugt, wie er die sportliche Zukunft bei Schalke 04 mitgestalten will. Wie viele andere Vereine setzen wir auf einen ebenso besonders jungen wie auch besonders innovativen Trainer", begründete Heidel die Entscheidung auf der Schalker Vereinsseite. "Der gesamte Vorstand und der Aufsichtsrat des FC Schalke 04 unterstützen die Entscheidung."

Tedesco und Vorbild Nagelsmann

Unweigerlich werden auch bei ihm dieselben Fragen und derselbe Druck auftauchen, wie es bereits bei seinen Vorgängern der Fall war. Kann sich ein so junger, noch sehr unerfahrener Trainer überhaupt in der Bundesliga behaupten? Noch dazu auf Schalke? Zumindest TSG-Erfolgscoach Nagelsmann hat seine Kritiker schnell verstummen lassen.

Dieser arbeitet allerdings auch in Sinsheim, wo nicht so viele Kessel brennen wie auf Schalke. Selbst Jens Keller, der in den letzten Jahren noch beste S04-Coach, musste sich dem Druck der Medien und der Obigen schließlich beugen.

Es gibt vermutlich keinen schwierigeren Verein für aufstrebende Bundesliga-Trainer als den FC Schalke. Deshalb werden die Vermieter im Raum Gelsenkirchen wohl auch in diesem Früh-Sommer für Tedesco keine Risiken eingehen.

Schalke 04: Termine, Kader, Ergebnisse