Vielleicht trotzdem Retter

Huub Stevens trat am Mittwoch aus gesundheitlichen Gründen in Hoffenheim zurück
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Huub Stevens verlässt die TSG Hoffenheim vor Ablauf seines Vertrages aus gesundheitlichen Gründen. Die Nachfolge für die kommende Saison ist bereits geklärt, die kurzfristige ist improvisiert. Der Verein muss den heftigsten Schlag der Saison verkraften - doch der könnte der verfahrenen Situation sogar guttun.

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"Wir waren nach den ersten Gesprächen sofort davon überzeugt, dass Huub Stevens die optimale Lösung ist", kommentierte TSG-Sportchef Alexander Rosen am 26. Oktober im vergangenen Jahr die Entscheidung pro Stevens. Wenige Augenblicke zuvor war durchgesickert, dass Hoffenheim seinen damaligen Trainer Markus Gisdol entlassen hatte.

Der neue Retter war da. Huub Stevens, der 2014 und 2015 dem völlig verunsicherten VfB Stuttgart als Feuerwehrmann gleich zweimal den Bundesliga-Verbleib gerettet hatte, unterschrieb in Hoffenheim bis Saisonende. Seine Aufgabe: Die gleiche wie beim VfB.

Die in ihn - und von ihm selbst - gesetzten Erwartungen wird Stevens aber nicht erfüllen können. Am Mittwoch gab der Trainer aus gesundheitlichen Gründen seinen Rücktritt bekannt. Neben der sportlichen Entwicklung ist das der heftigste Schlag, den der Klub in dieser Saison verkraften muss.

Sportliches Armutszeugnis

"Die Saison ist noch lang, daher mache ich mir keine Sorgen um den Klassenerhalt", hatte der Niederländer bei seinem Amtsantritt noch gewohnt selbstbewusst und bestimmt gesagt. Ausgangslage: Vorletzter nach zehn Spieltagen, zwei Punkte Rückstand auf einen Nichtabstiegsplatz.

Zehn Spieltage später hat sich am Tabellenplatz rein gar nichts geändert. Die Lücke zu Rang 15 hat sich allerdings auf sieben Zähler ausgeweitet. Zuletzt gab es aus vier Spielen nur einen Punkt, schlechter war im gleichen Zeitraum nur Schlusslicht Hannover 96.

Nicht zuletzt beim völlig verunsicherten Heim-Auftritt gegen Aufsteiger Darmstadt (0:2) zeigte sich deutlich, wie es um die TSG in dieser Saison bestellt ist: Die von der Kämpfernatur Stevens geforderte Körpersprache war im Spiel der Kraichgauer nicht einmal ansatzweise zu sehen. Es fehlte dem Team an Mitteln. Jeder, der das Spiel sah, konnte 1899 schamlos ein Armutszeugnis ausstellen.

Rücktritt als Erleichterung für den Klub?

"Es ist keine Alternative, den Laden zuzumachen. Und ein Trainerwechsel ist auch keine Alternative", hatte Rosen nach dem sportlichen Offenbarungseid gegen die Lilien gesagt. Man wollte an Stevens festhalten, doch es hätte womöglich nicht mehr lange gedauert, bis sich Rosen auch dafür hätte rechtfertigen müssen.

Genau deshalb könnte aus dem großen Rückschlag sogar eine Erleichterung hervorgehen: Die mediale Unruhe, die es zuletzt zunehmend um Stevens' ausbleibenden Erfolg gab, fällt als zusätzliche Belastung erst einmal weg.

Thon: "Stevens auf einer Stufe mit Heynckes"

Alfred Schreuder und Armin Reutershahn sollen die Mannschaft betreuen. Zumindest vorerst. Spätestens im Sommer werden sie von Julian Nagelsmann abgelöst. Der künftige Coach hat einen Vertrag bis 2019 unterschrieben und wäre im Fall des Klassenerhalts in der kommenden Spielzeit mit 28 Jahren der jüngste Trainer der Bundesliga.

Vorerst treten aber Stevens' bisherige Assistenten in den Vordergrund. Sie haben den Vorteil, dass sie das Team bereits kennen und mit den Arbeitsweisen des "Knurrers" vertraut sind. Wenn nicht nun ein "Jetzt-erst-recht"-Ruck durch die Mannschaft geht, wann sonst?

Abschied eines Kult-Trainers

Es kann nur noch besser werden. So muss man die Situation in Hoffenheim verstehen. Mit Stevens' Abschied verliert die Bundesliga zwar einen Kult-Coach und Hoffenheim die personifizierte Hoffnung, womöglich macht er mit diesem Schritt aber auch den Weg frei für einen Aufschwung, der sich unter ihm bei 1899 zu keinem Zeitpunkt andeutete.

Der Klub von Mäzen Dietmar Hopp, der 2008 hocheuphorisch den Aufstieg in die Bundesliga realisierte, steht vor dem Abgrund. Beim Auswärtsspiel am Samstag in Bremen (15.30 Uhr im LIVETICKER) könnte bereits eine Vorentscheidung im Abstiegskampf fallen.

Vielleicht trotzdem Retter

Stevens, dem sogar eine OP droht, kann diesen Kraftakt nicht mehr bewerkstelligen. Er wird eigenen Aussagen zufolge nie mehr auf eine Trainerbank zurückkehren. "Der Verein verdient einen Trainer, der 100 Prozent fit ist, und ich bin das leider nicht. Daher ist das Risiko zu groß. Schade, dass der Knurrer nicht mehr da ist", sagte er auf seiner Abschieds-Pressekonferenz mit gezeichneter Mine: "Ich habe nicht mehr so viele Jahre, aber die verbleibenden will ich genießen."

Seine Rolle als Retter lebte Stevens an jedem Tag in vollem Maße. Das war auf Schalke der Fall, genauso wie in Hamburg und Stuttgart und schließlich im Kraichgau. Nun rettet er sich aber erst einmal selbst - und am Ende ja vielleicht doch auch ein Stück weit die TSG 1899 Hoffenheim. Unbeabsichtigterweise.

Dem Coach bleibt zu wünschen, dass er sich körperlich schnellstmöglich erholt. Dann könnte sich der 10. Februar am Ende womöglich sogar als Win-Win-Situation entpuppen.

Die TSG 1899 Hoffenheim im Überblick

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