Verpokert

Dutt wollte beim VfB eine Wende einleiten
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Mit großen Ambitionen hat VfB-Sportdirektor Robin Dutt die neue Saison am Neckar eingeläutet. Neuer Trainer, neue Spieler, Altlasten ausgemistet. Trotzdem steht Stuttgart nicht erst gegen Mainz 05 (ab 20.30 Uhr im LIVETICKER) zum wiederholten Male mit dem Rücken zur Wand. Welche Schuld trägt Manager Dutt bei der Misere?

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Hoffnung ist einer der elementaren Bestandteile der Sportwelt. Sie kann Wunder erschaffen, Träume Wirklichkeit werden lassen und sprichwörtlich Berge versetzen. Im Fußball verhalf sie dem FC Liverpool anno 2005 zu einem fulminanten Comeback gegen Milan, zerstörte 2001 in der Person von Patrick Andersson die Meisterträume der Schalker und führte Dortmund nach dem Fast-Bankrott geradewegs ins Finale der Champions League

Eben jene Hoffnung umgab auch das Neckarstadion, als am 25.05.2015 Robin Dutt mit Neu-Trainer Alexander Zorniger vor die Mikrofone trat, um eine neue 'Neue Ära' beim VfB einzuläuten. Wieder war eine nervenaufreibende Saison in Bad Cannstatt zu Ende gegangen. Trainer kamen, Trainer gingen. Schlussendlich musste der altbekannte Huub Stevens den Karren aus dem Dreck ziehen. Hoffnung wurde seit einigen Spielzeiten nur noch mit ironischem oder sarkastischem Unterton geteilt.

Dutt will klaren Plan verfolgen

Für die kommende Saison sollte alles anders werden. Robin Dutt legte einen klaren Plan offen. Man wolle sich wieder auf die Kernelemente des schwäbischen Traditionsvereins konzentrieren. Durchlässigkeit für Nachwuchsspieler bis hoch in die Bundesliga-Mannschaft schaffen. Ein lokal verwurzeltes Team aus Manager, Trainer, Scouts und Jugendleitern, die den VfB durch eine langersehnte 'ruhige' Saison steuern sollten. Garniert mit frischem, offensivem Fußball.

Nach der Aussage von Robin Dutt habe man intern die richtigen Schlüsse gezogen, um Stuttgart endlich wieder eine freudige Saison schenken zu können. Auch personell: Offensiv ließ schon die Rückrunde der Spielzeit 2014/15 erkennen, welches Potential im Kader schlummerte.

Dabei wehrte man sich bis zum Transferschluss erfolgreich gegen Abwerbungsversuche von Filip Kostic, Daniel Didavi oder Timo Werner. Dazu gab man die Großverdiener Vedad Ibisevic sowie Mohammed Abdellaoue ab und schnappte sich U21-Talent Jan Kliment.

Defensive ist der Schlüssel

Defensiv sahen die Verantwortlichen wiederrum den offensichtlichen Verbesserungsbedarf und verpflichteten für die Außen recht früh das Duo Philip Heise und Emiliano Insua. Gleichzeitig trennte man sich von vermeintlich unzufriedenem Durschnitt wie Konstantin Rausch und Gotuku Sakai.

Auch im Umfeld kam der Kurs gut an. Spätestens mit dem Erfolg über Manchester City schwang die Hoffnung in offenkundige Euphorie um. So resultierten die Entwicklungen in einem Absatz von 28.500 Dauerkarten.

Nur ein Kernproblem blieb, das auch mit in die neue Saison genommen wurde. Die größte Baustelle im Kader, die Innenverteidigung, wurde nicht entsprechend umgebaut. "Antonio Rüdiger hat einen Vertrag beim VfB Stuttgart. Es ist klar, dass wir unsere Top-Spieler auch halten wollen", sprach Dutt noch bei der Vorstellung von Neu-Trainer Zorniger.

Intern standen die Zeichen schon zu diesem Zeitpunkt auf Abschied. Vielmehr wollte der Manager damit klarstellen, dass sich der Verein bei seinen Top-Spielern nicht unter Wert verkaufen werde.

Das Ass auf der Hand

Die Bewerber aus England und Italien klopften bereits die vorherige Spielzeit wegen Rüdiger an die Tür des Sportdirektors. Dutt wusste also, dass er ein vielversprechendes Ass auf der Hand hatte, das nur richtig ausgespielt werden musste. Geld generieren, erfahrenen Ersatz holen, Abwehr stabilisieren. Drei einfache Schritte, die aber im Laufe des Sommers nicht mehr stringent verfolgt wurden.

Erst verletzte sich Rüdiger, sodass Dutt Kompromisse bei Transferverhandlungen eingehen musste und zunehmend unter Druck geriet. Zudem kassierte er bei der eigenen Suche eine Absage nach der anderen. Das finanzielle Argument, das gerade die spanischen oder italienischen Spieler angelockt hätte, stand auf wackeligen Beinen, weil kein Verein bereit war, die Ablöseforderung für Rüdiger zu erfüllen. Der schwäbische Manager verzettelte sich.

Dutt verpokert sich

Er wollte kein Stück von den gewünschten 18 Millionen Euro abrücken. Weder Wolfsburg noch Chelsea waren bereit, diese Summe zu bezahlen, sodass die Roma schließlich mit einem Leihgeschäft um die Ecke kam.

Die Abmache sah zunächst eine Zahlung von 4 Millionen Euro vor, um dann im kommenden Jahr weitere 9 Millionen Euro in Aussicht zu stellen. Das große Problem: Im VfB-Aufsichtsrat bestand das Übereinkommen, dass nach den finanziell angespannten Jahren des Stadionumbaus keine Ablösezahlungen in Vorleistung erfüllt werden würden.

Also stand Dutt mit 4 Millionen Euro da. 14 Millionen weit weg von der eigentlichen Planung und immer noch 8 Millionen weit entfernt vom Angebot des VfL. Nur woher jetzt den bundesligatauglichen Abwehrchef holen, der Timo Baumgartl auf den richtigen Pfad führt, das geplante Umschaltspiel von Zorniger ankurbelt und sich auch in Drucksituationen souverän gegen gegnerische Sturmläufe stellt?

Zorniger ohne Bausteine

Er kam nicht! Robin Dutt gab seinem neuen Trainer Toni Sunjic an die Hand. 3,5 Millionen Euro für einen Abwehrmann, der noch nie konstant europäischen Top-Fußball gespielt hatte. Der sich maximal durch eine durchschnittliche Ballverarbeitung auszeichnet.

"Der Markt war bei den Innenverteidigern total überhitzt", entschuldigte Dutt die Probleme bei der Suche. Allerdings sahen sich mit diesem Umstand alle Manager der Bundesliga konfrontiert. Das Resultat der 'Duttschen' Vorgehensweise zog eine traurige Entwicklung nach sich.

Von Anfang an fehlten Alexander Zorniger die richtigen Bausteine, um das angedachte Spielsystem auf einen stabilen Grundstein zu setzen. Dabei wollte Dutt diesen komplizierten Kopf unbedingt als Übungsleiter, der sich durch eine klare Spielidee auszeichnet. Auch wusste der Vorstand Sport, welches Rüstzeug Zorniger für seine Vorstellungen von Fußball benötigt.

Probleme, hausgemacht!

Dann kam es noch dicker: Die Offensive zündete nicht wie gewünscht und musste für das gesamte Spiel für harakiriartiges Pressing sorgen, um die wackelige Abwehr konstant zu entlasten. Zu allem Überfluss verletzte sich Stürmer Daniel Ginczek. Zorniger wollte von seinem angedachten Konzept nicht abweichen, während der Verein weiter dem Abgrund entgegenschlingerte. Schließlich zog Dutt die Reißleine.

"Alexander Zorniger ist mit dem Auftrag angetreten, viele konzeptionelle Dinge in die Wege zu leiten", sagte Sportvorstand nach der Entlassung: "viele Dinge fruchteten auch." Allerdings habe es auf beiden Seiten nicht mehr die Überzeugung gegeben, "dass der gemeinsame Weg erfolgreich bestritten werden kann."

Aus Hoffnung wird Depression

Abseits seines schwierigen Charakters hatte der Trainer wohl selbst erkannt, dass ihm nicht alle Werkzeuge zu Verfügung standen, um den angedachten Weg erfolgreich zu bestreiten. Doch genau darin liegt die Kernaufgabe von Robin Dutt, der sich spätestens in der Winterpause rücksichtslos hinterfragen und Antworten finden muss.

Hat er genug getan, um den Aufsichtsrat von einer vielleicht etwas risikoreicheren Verpflichtung zu überzeugen? Erfüllen die abgewickelten Verpflichtungen Bundesligaformat? Welcher Trainer kann seine Idee mit diesem Kader tatsächlich umsetzen?

Vor dem Spiel gegen Mainz 05 (ab 20.30 Uhr im LIVETICKER) ist die Hoffnung am Neckar längst verflogen. Auch wenn die unglückliche Saison des VfB nicht nur auf Robin Dutt heruntergebrochen werden kann, ist der Sportdirektor an der Krise nicht unschuldig. Der Initatior der Hoffnung hat gleichzeitig die Depression eingeleitet, die beim VfB zum x-ten Mal für lange Gesichter sorgt.

Der VfB Stuttgart im Überblick