"Man darf Heldt nicht unterschätzen"

Jens Keller war fast zwei Jahre lang Cheftrainer auf Schalke
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Jens Keller führte Schalke zweimal in die Champions League, ehe er seinen Platz für Roberto Di Matteo räumen musste. In diesem Jahr kehrte er nach Gelsenkirchen zurück, um ein Management-Studium zu absolvieren. Im Interview spricht er über den Weg zurück auf die Schulbank, die Hospitanz bei van Gaal und seine Anforderungen an eine Rückkehr in den Profi-Fußball. Außerdem erzählt er von der Arbeit mit Horst Heldt und vom Gefühl, immer auf gepackten Koffern zu sitzen.

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SPOX: Herr Keller, Sie sind im März nach Schalke zurückgekehrt - um einen Crashkurs in Sportmanagement zu absolvieren. Wie kam es dazu?

Jens Keller: Das Studium wurde von Schalke und der Universität St. Gallen angeboten. Der referierende Professor ist ein guter Freund von mir und er fragte mich, ob ich mitmachen würde. Einerseits stand der Kurs durch meine Teilnahme mehr im öffentlichen Fokus, andererseits waren viele der Inhalte tatsächlich auch sehr interessant für mich. Es war beeindruckend, das große Ganze eines Vereins zu sehen. Und dümmer wird man durch eine solche Fortbildung auch nicht.

SPOX: In der Kursbeschreibung heißt es, man bekomme Fachkenntnisse in den Schwerpunkten Sportorganisation, Sportmarketing und Führung im Sport vermittelt. War für Sie noch so viel Neues dabei?

Keller: Das Wort Führung sollte man als Trainer schon einmal gehört haben. (lacht) Dennoch war es für mich ein wichtiger Punkt des Studiums, zusammen mit den Aspekten Selbstvermarktung und Verhandlungsgeschick. Auch für einen Trainer sind diese Themen sehr wichtig.

SPOX: War es ein komisches Gefühl, plötzlich wieder in der Schülerrolle zu stecken?

Keller: Definitiv. Das Gefühl hatte ich zuletzt beim Abitur und das ist schon ein paar Tage her. Es ist nicht so, dass wir das Studium im Vorbeilaufen gemacht haben. Jeder Tag umfasste acht Unterrichtsstunden. Den Kopf wieder anzustrengen und auch Prüfungen abzulegen, war durchaus eine Herausforderung.

SPOX: Sehen Sie sich zukünftig gar nicht mehr auf der Trainerbank?

Keller: Doch, das habe ich schon vor. Ich weiß aber nicht, was die Zukunft bringt - speziell, was vielleicht in zehn Jahren ist. Womöglich macht mir das Alltagsgeschäft auf dem Platz irgendwann keinen Spaß mehr und ich möchte lieber in die Organisation. Von daher ist es einfach gut, gewisse Dinge schon einmal gehört zu haben.

SPOX: Vor Ihrem Studium waren Sie auch fünf Tage lang Gast bei Manchester United. Was haben Sie sich von der Hospitanz bei Louis van Gaal erhofft?

Keller: Es ging vor allem darum, neue und tiefgründige Einblicke zu erhalten, um bei meiner nächsten Anstellung manche Dinge besser zu machen. Ich habe mit den United-Trainern mehrere Stunden gesprochen und in diesen Tagen alle Trainingseinheiten gesehen.

SPOX: Wie unterscheidet sich die Arbeitsweise von der, die Sie aus der Bundesliga kennen?

Keller: In erster Linie haben die Trainer viel mehr Ruhe, da in England generell unter Ausschluss der Öffentlichkeit trainiert wird. Durch die finanziellen Mittel sind auch die Trainingsgelände auf einem wahnsinnigen Niveau und überdimensional groß. Van Gaal macht nicht alles komplett anders, als ich es kannte. Er ist aber ein sehr großer Trainer mit viel Erfahrung, von dem man eine Menge lernen kann.

SPOX: Nachdem Sie Schalke verlassen hatten, betonten Sie, Ihre Zukunft weiterhin im Profi-Bereich zu sehen. Das ist auch heute noch der aktuelle Stand?

Keller: Mein Blick richtet sich zurzeit nur auf die Profis. Vielleicht kann ich mir irgendwann wieder vorstellen, noch einmal im Nachwuchsbereich tätig zu sein. Jetzt, da ich aber schon erfolgreich in der Bundesliga gearbeitet habe, möchte ich auch wieder dorthin zurück.

SPOX: Gab es im Sommer keine Möglichkeit dazu?

Keller: Viele Vereine waren gar nicht zu haben. Dass es mit Schalke nichts mehr wird, war klar. Deshalb gab es in der Bundesliga auch keine vakanten Stellen.

SPOX: Können Sie sich nicht vorstellen, in einer anderen Liga zu arbeiten?

Keller: Natürlich ist das Ausland denkbar. Auch einen Zweitligisten mit Perspektive würde ich nicht per se ausschließen. Durchschnitt oder Abstiegskampf in der 2. Liga stellen aktuell aber genauso wenig eine Option dar wie der Schritt runter in die 3. Liga.

SPOX: Dabei hat Ihnen genau diese Vorgehensweise als Spieler mehrfach als Sprungbrett gedient.

Keller: Das stimmt. Als ich zu 1860 München beziehungsweise zum VfL Wolfsburg und Eintracht Frankfurt gewechselt bin, habe ich auch noch einmal einen Schritt zurück gemacht. Das hatte auch immer Gründe. Für mich als Trainer ist es aber kein Ziel, noch einmal runterzugehen und wieder Anlauf zu nehmen. Wenn ich sehe, dass bei einem guten Zweitligisten Voraussetzungen für eine erfolgreiche Arbeit geschaffen sind, könnte ich mir das mal vorstellen. Darüber, wo ich als nächstes lande, mache ich mir aber keinen Kopf. Wenn man gute Arbeit leistet, kommen die Dinge von selbst.

SPOX: Ist "unverhofft kommt oft" generell eine treffende Redewendung für Ihre Karriere?

Keller: Das kann man so sagen, schließlich war es weder in Stuttgart noch auf Schalke absehbar, dass ich den Sprung zum Cheftrainer so schnell schaffe. Als ich den Fußballlehrer gemacht habe, hatte ich aber natürlich schon die Hoffnung, irgendwann einmal im Profi-Bereich zu arbeiten. Dass es so schnell ging, war nicht geplant.

SPOX: Hatten Sie anfangs Bedenken, dass es vielleicht sogar zu schnell ging?

Keller: Man merkt plötzlich, wie rasant der Karriere-Fahrstuhl gefahren ist. Nach nur zweieinhalb Jahren im Jugendbereich als Co-Trainer beziehungsweise Cheftrainer zu den Profis zu wechseln, ist schon ein großer Sprung. Ich habe mir die Aufgabe zugetraut und hatte keine Angst davor, immerhin war ich selbst fast 20 Jahre als Profi aktiv. Außerdem war ich in Stuttgart nur interimsweise tätig. Ich hätte wohl schon Wahnsinns-Ergebnisse holen müssen, dass man mit mir weitergemacht hätte. So hatte ich die Möglichkeit, nach Schalke zu gehen.

SPOX: Es ist fast genau ein Jahr her, dass Sie dort beurlaubt wurden. Welche Erkenntnisse hat Ihnen diese Zeit rückblickend gebracht?

Keller: Ich war überrascht, wie belastungsresistent ich bin und wie gut ich mit Druck umgehen kann. Ebenso wichtig war für mich aber auch die Erkenntnis, dass ich eine Profi-Mannschaft entwickeln kann und diese dann auch Erfolg hat.

Seite 1: Keller über den Weg zurück auf die Schulbank und die Hospitanz bei van Gaal

Seite 2: Keller über Druck bei S04, Horst Heldt und Parallelen zu Tuchel und Klopp

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