Guardiolas gefährlicher Groll

Pep Guardiola (r.) während einer Diskussion mit Philipp Lahm im Supercup-Spiel gegen Wolfsburg
© getty

Bayern-Trainer Pep Guardiola wirkt bei öffentlichen Auftritten zunehmend genervt. Seine Zukunft, die Diskussion um den angeblichen Identitätsverlust des Vereins - er muss auf Schauplätzen präsent sein, die er verteufelt. Der Klub sieht sich gezwungen, die Eigendynamik der Debatten zu stoppen und prescht nach vorne. Das macht auch Guardiola.

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Die Liste der Menschen, die offenbar Pep Guardiolas Gedanken lesen können, wächst. Nach Stefan Effenberg äußerte sich jetzt Lothar Matthäus zur Zukunft des Bayern-Trainers. Natürlich werde Guardiola seinen Vertrag in München nicht verlängern, denn sonst hätte er das bereits getan, sagte Matthäus der Gazzetta dello Sport.

"Er wird gehen. Was für einen Sinn macht es, bis zum Winter zu warten, um den Vertrag zu verlängern? Entweder du machst das jetzt oder du gehst. Viel Respekt für Guardiola, der er so viel gewonnen hat, aber er muss deutlicher werden. Warum unterschreibst du nicht?", rief Matthäus in den Raum und forderte gleich noch eine deutliche Botschaft vom Spanier ein: "Rede Klartext!"

Das hat Guardiola getan - und zwar mehrfach. Wann immer er auf Pressekonferenzen in den letzten Monaten Fragen zu seiner "ungewissen" Zukunft beantworten musste, kam sinngemäß stets das Gleiche raus. Tenor: Ich habe mich noch nicht entschieden, wir reden im Laufe der Hinrunde.

Guardiola zunehmend genervt

In Guardiolas Aussagen hat sich dennoch etwas Wesentliches verändert. Der Trainer wirkt zunehmend genervt von der anhaltenden Diskussion um seine Person.

Als er nach dem Supercup gegen Wolfsburg im ZDF auf seine Zukunft angesprochen wurde, verweigerte er die Aussage: "Nächste Frage, bitte." Und am Montag ließ er einen Journalisten auf der Pressekonferenz anlässlich des Audi Cups (alle Spiele ab Di., 18.15 Uhr im LIVE-TICKER) abblitzen. Zum Thema Vertrag werde er nichts mehr sagen.

Guardiolas Gereiztheit hat sich mittlerweile auch auf andere Bereiche ausgedehnt. Auf die Frage, warum Mario Götze im Supercup gegen Wolfsburg nicht von Anfang an gespielt habe, antwortete er: "Ihr fragt immer nach Spielern, die nicht spielen, ein- oder ausgewechselt wurden. Mal ist es Götze, dann Müller, dann Lewandowski, dann Robben. Es können immer nur elf spielen."

Sammer: "Absurde Scheindiskussion"

Guardiola wird seine Zukunft in München nicht nur vom sportlichen Erfolg abhängig machen. Das Umfeld spielt für ihn eine wesentliche Rolle; er hat schon in Barcelona oft darauf hingewiesen, dass der Wohlfühlfaktor die Basis für vernünftiges Arbeiten ist.

Hinsichtlich dessen verliert der FC Bayern derzeit an Boden, weil sich der Trainer der Münchner zunehmend einer Kampagne ausgesetzt sieht, die eine gefährliche Dynamik entwickelt hat, sogar über die Landesgrenzen hinaus. Das spanische Blatt AS griff den Bericht einer deutschen Zeitung auf und schrieb von Peps "irritierender Arbeitsweise".

Die Klub-Verantwortlichen haben die Verselbständigung der Diskussion um Guardiola erkannt und sehen sich gezwungen, die Deutungshoheit zurückzuerobern, indem sie nach vorne preschen.

"Die Leute da draußen sollen wissen, dass sie sich keine Sorgen machen müssen. Der FC Bayern ist total stabil", sagte Sportvorstand Matthias Sammer der Süddeutschen Zeitung.

Den Vorwurf, Guardiola habe sich seine Mannschaft nach seinem Ebenbild zusammengestellt, bezeichnete Sammer als "völlig absurde Scheindiskussion."

Bayern wird weiter atmen

Dass die Bosse mit ihren Äußerungen zusätzlich Raum für Spekulationen liefern, sieht Sammer anders. Die Botschaft der Aussage von Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge, wonach die Welt in München ohne Pep Guardiola nicht untergehen werde, sei fehlinterpretiert worden.

"Der neue Tonfall des Vereins ist keine Abkehr von Pep. Wir wollten einfach nur die Balance wieder herstellen", erklärte Sammer und variierte in der Wortwahl: "Glauben Sie mir: Bayern München wird auch ohne Pep Guardiola weiter atmen."

Wie Sammer hat auch Guardiola darauf hingewiesen, dass sich niemand um die Zukunft des FC Bayern sorgen müsse. "Bayern München bleibt für die nächsten 100 Jahre ein deutscher Verein, keine Angst. Und ich werde nie, nie ein Problem für Bayern München sein, nie. Believe me!", sagte er vergangene Woche vor dem Supercup.

Hier die ungeklärte Zukunft, dort der Vorwurf des Identitätsverlusts durch die Transferpolitik. Guardiola muss derzeit auf Schauplätzen präsent sein, die er verteufelt.

Pep vs. deutsche Fußballmentalität

Mit den Inhalten der Debatten in Deutschland hat er schon länger zu kämpfen. Bereits im Mai, am Tag vor dem Rückspiel im Champions-League-Halbfinale gegen den FC Barcelona, warf er infolge der Taktikdiskussion die Frage auf, ob er überhaupt zur deutschen Fußballmentalität passe. Am Montag sah er sich erneut zu einer Rechtfertigung seiner Arbeitsweise gezwungen.

"Die Leute in Deutschland glauben, dass wir 1000 Tore schießen, wenn wir mit vier Stürmern spielen. Und sie glauben, dass wir jeden langen Ball abfangen, weil wir zwei Zwei-Meter-große Verteidiger haben. Aber Fußball ist anders", sagte er.

Nimmt man Guardiolas derzeitigen Gemütszustand zum Maßstab, ist es schwer vorstellbar, dass er seinen Vertrag in München verlängern wird. Allerdings tut man ihm und dem FC Bayern Unrecht, wenn man eine schnelle Entscheidung fordert. Rummenigge hat mehrfach erklärt, dass er Guardiola erst im zweiten Halbjahr 2015 mit dem Thema Vertragsverlängerung konfrontieren möchte.

Dem FC Bayern dürfte klar sein, dass die Diskussionen weitergehen werden, solange die Frage ungeklärt ist. Das beste Mittel zur Entspannung der Lage wäre Erfolg. Am besten schon im prestigeträchtigen Audi Cup.

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