Der fehlende Stratege

Von Andreas Lehner und Daniel Reimann
Johannes Geis wechselte von Mainz 05 zu Schalke 04
© getty

Johannes Geis gehörte zu den begehrtesten Mittelfeldspielern der Bundesliga - und entschied sich für Schalke 04. Dort kann der 21-Jährige mit seinen Qualitäten eine zu lange vernachlässigte Planstelle schließen.

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Johannes Geis ließ sich nichts anmerken. Keine Enttäuschung, keine Emotionen. Man kam bei dieser Pressekonferenz am Montag in Prag nicht auf die Idee, dass hier ein Bankdrücker sprach, der in der Bundesliga zu den begehrtesten Transferkandidaten gehört, aber unter Horst Hrubesch aktuell nur die Nummer vier im defensiven Mittelfeld ist.

Geis sprach von tollem Teamgeist, großen Zielen und natürlich davon, dass man einen Schritt nach dem anderen gehen müsse. Sätze, die dem üblichen Muster entsprechen und den Trainer zufriedenstellen und bei einem Turnier auch unerlässlich sind. Schließlich hat sich die A-Nationalmannschaft des DFB den Teamgedanken unter dem Claim "Die Mannschaft" gerade erst zum Marketingkern gemacht.

Dass Geis schon das volle Repertoire eines Medienprofis draufhat, wurde schließlich klar, als er zu seiner persönlichen Zukunft befragt wurde. Es sei nicht der Zeitpunkt für solche Themen, er ließe das eh nicht an sich heran und überhaupt werde er sich damit erst nach der EM beschäftigen. Am Dienstag wechselte er zum FC Schalke 04.

Johannes Geis: "Ich wollte unbedingt international spielen"

Kreativloch im Zentrum

"Wir sind sehr froh, dass sich einer der begehrtesten jungen Spieler für unseren Klub entschieden hat", ließ Manager Horst Heldt in einer Pressemitteilung ausrichten. Neben Schalke war vor allem Borussia Dortmund an Geis interessiert. Dort hat sich die Personalplanung aufgrund der Kehrtwende im Fall Ilkay Gündogan allerdings verändert.

Und so war der Weg schneller als gedacht frei für Schalke. Dort kann Geis mit all seinem Potenzial und all seinen Qualitäten in eine Lücke stoßen, wo in Dortmund eine erheblich härtere Konkurrenzsituation den Start zumindest erschwert hätte.

Die Königsblauen haben zwar auch in der Post-Magath-Ära noch einen überdurchschnittlich üppig besetzten Kader, vor allem in der Innenverteidigung und den offensiven Außenbahnen, aber die zentrale Position vor der Abwehr wurde nie ausfüllend besetzt.

Marco Höger und Roman Neustädter sind solide Arbeiter in der Defensive, Jermaine Jones war ein bissiger Abräumer, strategisches Potenzial und spielerische Klasse gab es auf Schalke aber auf dieser Position seit Ivan Rakitic' Abschied 2011 nicht mehr.

Die Opta-Statistiken der Saison 2014/15 von Geis und Höger im Vergleich

"Er ist ein absoluter Stratege"

Es trifft sich also gut, dass Schalke für die im Aufbauspiel so wichtige Rolle des Sechsers einen Spieler bekommt, den Heldt für "seine gefährlichen Standards, sein präzises Passspiel und seinen Blick für die freien Mitspieler" rühmt.

Es sind wiederkehrende Elemente in der Beschreibung Geis', die je nach Gesprächspartner noch um Spielruhe, Handlungsschnelligkeit und Führungspersönlichkeit ergänzt werden.

"Man hat früh gesehen, dass er einen Schritt weiter ist als andere", sagt Mario Himsl, der als sportlicher Leiter des Nachwuchsleistungszentrums in Fürth Geis' Entwicklung begleitete, gegenüber SPOX. "Er ist ein absoluter Stratege, einer, der das Spiel kapiert und den Rhythmus bestimmen kann." Das Vorbild Bastian Schweinsteiger hat er gut gewählt.

Knick im rasanten Aufstieg

Sein Aufstieg bei der Spielvereinigung verlief rasant. 2008 wechselte der vom TSV Großbardorf ins NLZ der Fürther und fand in Konrad Fünfstück einen großen Förderer. Im November 2010 gelang ihm direkt aus der U19 der Sprung zu den Profis, mit 17 Jahren, drei Monaten und drei Tagen wurde er zum jüngsten Debütanten in der Geschichte Greuther Fürths.

Geis war jetzt dabei im großen Geschäft, er durfte immer mal wieder Zweitligaluft schnuppern. Der endgültige Durchbruch ließ aber auf sich warten. In der Aufstiegssaison bekam er nur mehr drei Einsätze und spielte meist im Regionalligateam. In der Bundesliga bekam er von Mike Büskens dann gar keine Chance mehr.

Der Trainer setzte auf erfahrene Spieler wie Milorad Pekovic und war auch mit Geis' Einstellung nicht ganz einverstanden. Das eine oder andere Kilo zu viel soll der Jungstar mit sich herumgeschleppt haben, der Lebenswandel des damals 19-Jährigen in der WG mit seinem Kumpel Felix Klaus war dem Trainer nicht professionell genug.

Trainerwechsel durchbricht das Dilemma

Im Verein gab es durchaus unterschiedliche Auffassungen über den Umgang mit dem Talent. Nicht jeder konnte die dauerhafte Degradierung verstehen. Ein Denkzettel? Okay. Aber Geis wegen kleinerer Verfehlungen in der Ernährung gar nicht mehr zu bringen, ging vielen doch zu weit. Schließlich waren alle von Geis' Begabung überzeugt.

"Die Bestrafung von Büskens war im Nachhinein gar nicht schlecht. Es ging zwar nur um ein paar Kilos, aber mir hat die Disziplin gefehlt. Ich habe richtig eins auf den Deckel bekommen, aber dadurch bin ich stärker geworden", sagte Geis später selbstkritisch.

Es brauchte aber erst einen Trainerwechsel, um dieses Dilemma zu durchbrechen. Der erst kurz zuvor für die U23 verpflichtete und dann hochgezogene Ludwig Preis stellte ihn gleich im ersten Spiel gegen Bayer Leverkusen in die Startelf. Ins Rampenlicht trat er mit seinem sehenswerten Siegtreffer im Derby gegen den 1. FC Nürnberg.

Tuchel, Hjulmand, Schmidt: Geis überzeugt alle

Nach dem Abstieg der Fürther etablierte sich Geis mit seinem Wechsel zu Mainz 05 in der Bundesliga. Unter Thomas Tuchel, Kasper Hjulmand und Martin Schmidt absolvierte er 67 von 68 möglichen Spielen und wurde zum Taktgeber im zentralen Mittelfeld. Keiner wollte auf ihn verzichten, alle schätzten seine speziellen Qualitäten und seinen klaren Kopf.

Laut Opta hatte Geis in der Saison 2014/15 mit durchschnittlichen 74 Ballaktionen die meisten aller Mainzer. Ein besonders beliebtes Mittel seiner Spieleröffnung ist der lange Ball, kein Spieler in der Liga schlug mehr lange Pässe als er (551, davon kamen 50,8 Prozent an).

Trotz seiner Aufgaben im Spielaufbau ist Geis auch im Abschluss enorm präsent. Mit 78 Torschüssen war er der aktivste Mainzer und seine 74 Torschussvorlagen wurden ligaweit nur von drei Spielern übertroffen. Mit seinen gefährlichen Standards traf er viermal selbst und bereitete drei Tore vor.

Führungsspieler mit Entwicklungspotenzial

Schalkes Manager Heldt hat also die Fakten auf seiner Seite, wenn er sagt, dass S04 mit Geis einen "der besten Profis auf dieser Position in der Bundesliga" bekommt. Und der mit 21 Jahren noch viel Entwicklungspotenzial besitzt, sich aber trotzdem schon eine Führungsrolle zutraut.

Dass Kritiker ihm mangelnde Schnelligkeit vorhalten, entkräftet Geis problemlos. "Für mich entscheidet auf der Position nicht die Schnelligkeit. Man benötigt das geschulte Auge, die Ruhe und den Fuß, um Bälle präzise zu verteilen", sagte er kürzlich im Interview mit goal.com.

Es käme nicht überraschend, wenn auch Andre Breitenreiter Geis schnell zu seinem verlängerten Arm auf dem Spielfeld machen würde. "Er versteht, was der Trainer von ihm will", sagt Himsl. Und Geiß weiß, was er will. Bei Schalke ein wichtiger Teil des Neuanfangs werden und den nächsten Schritt in seiner noch immer rasanten Entwicklung machen.

Johannes Geis im Steckbrief

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