Rolfes: "Wir verdienen mehr Respekt"

Von Interview: Haruka Gruber
Wünscht sich mehr Respekt und ein DFB-Comeback: Leverkusen-Kapitän Simon Rolfes
© getty

Sein Team besiegte als einziges die Super-Bayern und jagte Dortmund. Zeit für Kapitän Simon Rolfes, bei SPOX mehr Wertschätzung für Bayer Leverkusen im deutschen Fußball zu fordern. Und er verrät, warum er an ein Comeback in der DFB-Elf glaubt.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

SPOX: Herr Rolfes, Sie waren einer der Star-Gäste beim Fußball-Benefizspiel zwischen einer Auswahl von Dirk Nowitzki und Manuel Neuer. Wie kam es dazu?

Simon Rolfes: Dirk und Bayer 04 Leverkusen haben denselben Osteopathen, Jens Joppich. Er stellte den Kontakt zu mir her und lud mich ein. Zum Glück! Der Tag in Würzburg war fantastisch. Das Wetter traumhaft, die Fans super drauf - und das alles für einen guten Zweck.

SPOX: Sind Sie Basketball-Fan?

Rolfes: Ich bin leider nicht immer auf dem neusten Stand, weil die NBA-Spiele zu ungünstigen Zeiten laufen. Dennoch mag ich Basketball sehr. Ich war in der Jugend häufig auf dem Streetball-Court. Und als Dirk mit Dallas 2011 gegen Miami im Finale stand, bin ich nachts natürlich aufgestanden.

SPOX: Der Basketball ist mit all den Playbooks noch mehr von der Taktik geprägt als Fußball. Gefällt Ihnen als Mittelfeld-Stratege deswegen Basketball?

Rolfes: Das kann gut sein, es gibt wirklich Parallelen. Wobei es im Basketball wesentlich einfacher ist, in einem Angriff vorher definierte Situationen herzustellen, weil man mit der Hand einfach mehr Ballkontrolle hat. Trotzdem sollte es im Fußball ebenfalls das Ziel sein, feste Abläufe zu institutionalisieren. Am besten geht es mit einem vorher vereinbarten Ausgangspunkt: Der Torwart oder die Abwehrspieler haben den Ball und von da an laufen Automatismen ab, die einen möglichst weit nach vorne tragen sollen. Wir dürfen allerdings nicht vergessen, dass Strategie alleine nicht reicht. Irgendwann kommt der Punkt, an dem ein Spieler den Ball bekommt und ihm mit individueller Kreativität die entscheidende Aktion gelingen muss.

SPOX: In Leverkusen klappte das in der letzten Saison gut.

Rolfes: Es klappte sogar sehr, sehr gut. Wir fanden die richtige Formation und verinnerlichten die entsprechenden Automatismen. Am Ende entscheidet genau das über Erfolg und Misserfolg. Manchmal denkt man als Zuschauer bei Mannschaften, bei denen es nicht gut läuft: "Das gibt's doch nicht! Können die gar keinen Fußball mehr spielen?" Natürlich können sie es noch, allerdings misslingt ohne Automatismen der einfachste Pass, weil auf dem Niveau die Kleinigkeiten entscheiden. Steht ein Mitspieler gut, ist ein einfacher Pass auch einfach. Steht der Mitspieler aber schlecht, weil die Abläufe nicht stimmen, bringt er dich in riesige Probleme. Im Gegensatz dazu die Bayern in der Vorsaison: Bei denen sah alles furchtbar einfach aus. Das ist die hohe Kunst, das Besondere.

Bayern gegen Milan & Co.: Sichere Dir jetzt Tickets für den Audi Cup 2013 in München!

SPOX: Was bei Bayer auffiel: Mit Ihnen, Lars Bender und Stefan Reinartz setzte Leverkusen entgegen des Trends auf ein massives Sechser-Trio im Mittelfeld. Wie gefiel Ihnen die Formation?

Rolfes: Wir Mittelfeldspieler bekamen vor der Saison eine andere Aufgabenstellung als sonst. Damit die Außenverteidiger sehr offensiv spielen können, sollten wir eine Absicherungsfunktion für sie übernehmen. Und zugleich unsere gewohnte Pass-, Lauf- und Zweikampfstärke mit einbringen. Dadurch spielten wir sehr flexibel und wechselten im Dreier-Mittelfeld immer wieder die Positionen, weil wir ähnliche Spielertypen sind. Es machte richtig Bock.

SPOX: Leverkusen wurde Bundesliga-Dritter und erreichte souverän die Champions League. Dennoch spricht angesichts der Dominanz der Bayern und der Dortmunder kaum jemand über Ihren Klub. Fluch oder Segen?

Rolfes: Ruhe ist nie verkehrt zum Arbeiten. Dennoch hätte ich mir mehr Anerkennung gewünscht. Natürlich zog Dortmund durch die Champions League Aufmerksamkeit auf sich und die Bayern räumten alles ab. Aber wir waren das einzige Team, das die Bayern in der Bundesliga schlagen konnte und wir lagen nach dem 34. Spieltag nur einen Punkt hinter Dortmund. Leider wurde das kaum registriert. Die öffentliche Wahrnehmung für Leverkusen muss besser sein. Wir verdienen mehr Respekt.

Papa für Bernd: Palop im Porträt

SPOX: Weil Sie sich in der Lage sehen, in der kommenden Saison die Bayern und Dortmund anzugreifen?

Rolfes: Wir dürfen nicht vergessen, dass wir im Sommer viele gute Spieler verloren haben. Andre Schürrle natürlich, ebenso Michal Kadlec und Dani Carvajal, der ein ganz wichtiger Spieler in unserem System war. Die Bayern und mittlerweile Dortmund verfügen über eine enorme Finanzkraft und können auf allerhöchstem Niveau investieren. Jetzt gilt es, im Rahmen unserer Möglichkeiten dranzubleiben. Wir haben eine Basis, auf der wir bauen können. Um konkurrenzfähig zu bleiben, brauchen wir einen Top-Kader.

SPOX: Reichen Neuzugänge wie Heung-Min Son?

Rolfes: Das ist schon einmal eine gute Verpflichtung. Trotzdem sollte man nicht zu viel Druck machen. Er verkörpert hohes Niveau, doch er muss sich schnell einfügen, das ist nicht immer einfach. Doch das wäre natürlich wichtig, weil wir einen nicht so tiefen Kader besitzen, um zu sagen: "Okay, es funktioniert momentan noch nicht, dann übernimmt fürs Erste ein anderer diese Aufgabe." Generell müssen bei uns die Neuzugänge sitzen.

SPOX: Sie sind nach einer schweren Zeit unter Robin Dutt wieder uneingeschränkter Leistungsträger. Sehen Sie bei sich mit 31 Jahren noch Entwicklungsmöglichkeiten?

Rolfes: Man muss ehrlich sein und sagen, dass ein Fußballer ab einem gewissen Alter in gewissen Bereichen nicht mehr das leisten kann wie ein 26-Jähriger. Auf der anderen Seite weiß ein etwas erfahrener Spieler, in welchen Bereichen noch etwas auszureizen ist. Jede Phase hat Vor- und Nachteile. Ein jüngerer Spieler läuft häufig unbedarft herum, ein älterer Spieler kann viel effizienter sein und alles, was er erlebt hat, in die Waagschale werfen. Daher bin ich zuversichtlich, dass ich den Höhepunkt noch vor mir habe.

SPOX: Was die Frage nach einem Nationalmannschafts-Comeback aufwirft?

Rolfes: Wir sind in Deutschland im Mittelfeld herausragend besetzt, das ist klar. Alleine die fantastische Saison von Ilkay Gündogan! Aber: Man weiß nie, was passiert. Ich traue Leverkusen eine sehr gute Saison zu, auch in der Champions League. Daher ist nichts ausgeschlossen. Die WM ist immer ein Highlight. Wenn sich etwas ergeben sollte, stehe ich bereit, um die Chance unbedingt zu nutzen.

Simon Rolfes im Steckbrief

Artikel und Videos zum Thema