Niemals geht man so ganz

Von Fatih Demireli
Jupp Heynckes holte in dieser Saison vier Pokale mit dem FC Bayern
© getty

Jupp Heynckes hat sich beim FC Bayern München feierlich verabschiedet und gleichzeitig seinen Rückzug erklärt. Beim Abschied in München gab es warme Worte, beste Grüße an den Nachfolger und eine klare Botschaft an sich selbst. Daher blieb der endgültige Rücktritt auch aus.

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So eine Veranstaltung macht ja auch hungrig. Besonders, wenn vorher angekündigt wird, dass es im Anschluss Rheinischen Sauerbraten für alle Anwesenden gibt. Es ist die Leibspeise von Jupp Heynckes, die er in der abgelaufenen Saison das eine oder andere Mal sehnsüchtig erwähnte und die es nun zur Abschiedszusammenkunft des scheidenden Trainers des FC Bayern in der Allianz Arena gab.

Über 80 Minuten dauerte die Verabschiedung, in der Uli Hoeneß, Karl-Heinz Rummenigge, aber vor allem Heynckes zu Wort kamen. Hätte der in Zürich weilende Bastian Schweinsteiger ein Flugzeug erwischt, das ihn rechtzeitig nach München chauffiert, wäre der Vizekapitän des Triple-Gewinners als Überraschungsgast auch dabei gewesen.

Während Heynckes am Ende noch für ein paar Erinnerungsfotos mit den vier Pokalen, der Supercup wurde schließlich ja auch geholt, zur Verfügung stand, saß Bayern-Präsident Hoeneß schon bei Sauerbraten, Kartoffelknödel und reichlich Rotkohl vorglühend am Tisch.

Entschluss im Sommer

Bis Heynckes in den Genuss des Bratens kam, dauerte es noch eine Weile. Der 67-Jährige verabschiedete sich einzeln von den Vertretern der Medien. Und diese verabschiedeten sich von ihm. Er durfte viele Hände schütteln und genoss es, dass er nach zwei Jahren FC Bayern wieder als Freund den Klub verlässt. Hätte Heynckes gewollt, wäre er mit Kutsche und vier weißen Schimmeln durchs Siegestor hofiert worden. Rummenigge bot sich augenzwinkernd als Organisator an. Aber Heynckes genügt auch ein schlichter Abschied in der Stätte, in der er viele schöne Momente erlebte.

Daher ist es auch ein Abschied, der ihm nicht leicht fällt - und das trotz eines langen Anlaufs. "Ich habe meiner Frau Iris im Sommer gesagt, dass ich meinen Vertrag erfüllen werde und danach beim FC Bayern aufhöre", sagte Heynckes. Am damals feststehenden Entschluss rüttelten die Erfolge, und vor allem der Spaß, den Heynckes mit seinem Team hatte.

"Die beste Mannschaft der Welt"

Heynckes und die Bayern-Mannschaft 2012/2013 - das wurde eine innige und sehr persönliche Angelegenheit. Als der Klub am Sonntag im Münchener Rathaus vom Oberbürgermeister der bayerischen Landeshauptstadt, Christian Ude, geehrt wurde, stand Heynckes mit seinen Jungs in einer Ecke des Saals und scherzte mit ihnen, ohne eine große Distanz zu wahren. Thomas Müller, Chef der Abteilung Stimmungsmache, kriegte sich vor Lachen gar nicht mehr ein und umarmte seinen Trainer.

Hätte der FC Bayern irgendwann gefragt, Heynckes hätte als Bayern-Trainer weitergemacht. Nun ist aber Schluss. "Einen besseren Abgang kann es eigentlich nicht geben", sagte Vorstandschef Rummenigge. Heynckes sieht es in vielerlei Hinsicht genauso: Er geht als Triumphator. Er hinterlässt nach eigenen Angaben seinem Nachfolger Josep Guardiola "wohl die beste Mannschaft der Welt".

So Pep, und jetzt kommst Du!

Eine Aussage, die zum einen seine Mannschaft ehren soll, die im abgelaufenen Spieljahr Hervorragendes leistete und die beste Saison der 113-jährigen Klub-Geschichte vollbrachte. Allerdings, und das klang aus vielen Verlautbarungen des scheidenden Trainers heraus, wollte Heynckes auch nicht verheimlichen, dass er selbst noch eine große Nummer dieses Geschäfts ist.

"Ich hatte im vergangenen Sommer keinen Urlaub", sagte Heynckes, weil er die "Weichen stellen" wollte und tägliche Korrespondenz mit den Verantwortlichen führte. Heynckes erzählte von morgendlichen Anrufen auf Sylt, wo Rummenigge und dessen Ehefrau Martina Urlaub machten. "Du hast den Urlaub ein bisschen mehr genossen", sagte Heynckes. Rummenigge schmunzelte.

Ungefragt erzählte Heynckes von einem Gespräch mit Hoeneß, der fragte, wann der FC Bayern mal so wie Barcelona spielen werde. Heute könne Heynckes sagen, und das machte er mit deutlicher Mimik und Gestik, "der FC Bayern spielt nicht wie Barcelona, der FC Bayern spielt moderner, zeitgemäßer und erfolgreicher." Sehr frei interpretiert heißt es: So Pep, und jetzt kommst Du.

Heynckes hat seinem Nachfolger eine Mammutaufgabe hinterlassen. An Zielen wird es beim Branchenprimus nie mangeln. Aber die aktuelle Spielzeit zu toppen? Das wird ein Akt, der fast genauso schwierig wird, wie er es war, die aktuelle Saison auf diese Weise zu gestalten. "Es war nie schwerer, die Champions League zu gewinnen", sagte Rummenigge kürzlich in einem Interview. Viel leichter wird es in der neuen Saison nicht, wenn die internationale Konkurrenz aufrüstet. "Ich bin mir sicher, dass der FC Bayern in Zukunft erfolgreich weitermacht", sagt Heynckes.

Angebot von Real Madrid

Heynckes sprach viel über die Vergangenheit, und auch um die Zukunft des Klubs. Wie es um seine Perspektive bestellt ist, ging dabei fast unter - dabei war der Hintergrund dieser Veranstaltung doch eigentlich, Heynckes' Zukunftspläne zu erfahren. Er holte lange aus, ließ die seit Monaten wartenden und fragenden Journalisten zappeln, um dann zu verkünden, dass er sich zurückzieht.

"Ich werde erst mal Urlaub machen und weder im Inland noch im Ausland ab 1.7. ein Engagement eingehen, werde mich zurückziehen, werde mich regenerieren und Privatmann sein", sagte Heynckes. Hätte er gewollt, dass man unmissverständlich weiß, dass er am Samstag gegen den VfB Stuttgart sein letztes Spiel als Profi-Trainer absolviert hat, hätte Heynckes es geäußert.

Aber er wollte nicht. Denn niemals geht man so ganz. Schon gar nicht, wenn man gerade das Triple geholt hat und Real Madrid mit einem Anschlussjob winkte; und auch der eine oder andere Klub, der recht viel Geld zur Verfügung hat. "Aber das hat mich noch nie interessiert", so Heynckes. Er ist im Trend und ein gefragter Mann - und er könnte sofort wieder einsteigen, wenn er den wollte.

Jetzt steht aber erst einmal Urlaub auf dem Programm, und dann muss Heynckes einen Receiver kaufen, um die Bundesliga zu gucken. Und vielleicht kommt ja dann noch mal ein Angebot, das kitzelt.

Noch mal Nationaltrainer?

"Ich habe persönlich etwas gegen eine Endgültigkeit. Aber ich bin jetzt 68 und es gibt auch ein Leben nach dem Berufsleben", sagt Heynckes. Als Bayern-Trainer habe er ständig die Gewichtslisten gelesen, die Fettgehalte überprüft. "Ich will mein Leben noch genießen, nicht an Spielvorbereitung denken, an die Vorbereitung mit Powerpoint, nicht nur mit dem Edding."

Als Nationaltrainer hätte er es vielleicht entspannter. Ab 2014 wird ein Platz in Spanien frei, weil Vicente Del Bosque aufhört. Aus Spanien haben sich zuletzt nicht nur die Chefs von Real gemeldet, sondern auch alte Freunde, um zu gratulieren. Vielleicht wird der Posten auch in Deutschland frei, man kennt die Pläne Joachim Löws nicht und wer wäre ein besserer Nachfolger als der erfolgreichste Trainer der "modernsten Mannschaft" unserer Zeit.

Vorher zählt aber nur eins: der Rheinische Sauerbraten.

Jupp Heynckes im Steckbrief