Die schlechteste Mannschaft der Liga

Von Jochen Tittmar
Trainer Michael Skibbe steht bei Eintracht Frankfurt vor dem Aus
© Imago

Die Frankfurter Eintracht ist die schwächste Rückrundenmannschaft der Bundesliga. Der Stuhl des ratlos wirkenden Trainers Michael Skibbe beginnt mehr und mehr zu wackeln - auch weil dieser weiterhin unbeirrt an seinem taktischen Konzept festhält.

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Seit der E-Jugend spielte Cenk Tosun (zum Porträt) bei Eintracht Frankfurt. In der Winterpause hat der Deutschtürke den Verein verlassen, da er keine Perspektive mehr sah. Im Grunde hatte er im Profiteam auch nie eine. In der Regionalligaelf traf er aber regelmäßig.

Nun spielt Tosun beim türkischen Erstligisten Gaziantepspor. In seinen ersten sieben Pflichtspielen schoss er sieben Tore. Angesichts der dramatischen Torflaute, der die Eintracht momentan unterliegt, eine bemerkenswerte Randnotiz, die Trainer Michael Skibbe mit den Worten "es ist ein Unterschied zwischen der türkischen und der deutschen Liga" wegwischt.

Bruchhagen: "Eigendynamik des Misserfolgs"

Ob die Eintracht mit Tosun die derzeitige "Eigendynamik des Misserfolgs" (Klub-Boss Heribert Bruchhagen) aufgehalten hätte, ist freilich hypothetisch. Fakt ist: Frankfurt trifft nicht mehr ins Tor. Seit über zwölf Stunden schon.

Ein Zeichen für die eklatante Verunsicherung der Spieler? Frankfurt hat gegen die letzten Drei der Tabelle (Mönchengladbach, Stuttgart und Kaiserslautern) nicht gewonnen. Der Abstand zum 17. Rang beträgt nur noch drei Punkte - zur Winterpause war dies noch der Rückstand auf Platz fünf.

Bei all diesen Fakten ist es in der Fußballbranche üblich, über die sportlich Verantwortlichen zu diskutieren und ihre Arbeit zu hinterfragen.

Das ist in Frankfurt längst geschehen. Skibbe und Bruchhagen, dieses ungleich wirkende Duo, stehen vor dem Spiel auf Schalke (Sa., 15.15 Uhr im LIVE-TICKER) gewaltig unter Druck.

Finanzielles Risiko zu Saisonbeginn eingegangen

Gibt es in den nächsten zwei Spielen keinen Sieg, dürfte Skibbe seinen Job los sein, heißt es im Blätterwald.

Bruchhagen soll bei Marcel Koller - bereits 2009 heißer Kandidat für die Nachfolge von Friedhelm Funkel - für den Fall der Fälle schon vorgefühlt haben. Dies dementierte der Vorstandschef jedoch: "Ich habe ihn zuletzt vor drei Jahren gesehen."

Skibbe in der Kritik - kommt Koller?

Einen Trainer zu kontaktieren, weil der eigene immer mehr vom Erfolg abkommt, ist kein ungewöhnlicher Schritt. Bruchhagen sträubt sich allerdings, sich mit dem Gedanken anzufreunden, dass Skibbe plötzlich nicht mehr der Richtige sein soll.

In der Winterpause träumte man im Riederwald noch vom internationalen Geschäft, weil Skibbes Arbeit immer mehr Früchte zu tragen schien. Nicht umsonst ging man vor Saisonbeginn bei Spielereinkäufen erstmals seit Ewigkeiten wieder ein wirtschaftliches Risiko ein. In der Vergangenheit wäre das für Bruchhagen noch undenkbar gewesen.

Doch auch der 62-Jährige war überzeugt, dass die Eintracht auf einem guten Weg sei, sich in der für ihn seit Jahren zementierten Bundesligatabelle wieder ein Stückchen weiter nach oben zu meißeln.

Die Eindimensionalität Frankfurter Angriffe

In den letzten zwei Monaten hat sich der Wind am Main aufgrund der sportlichen Talfahrt allerdings beträchtlich gedreht. Die Eintracht, die sich in den eineinhalb Jahren unter Skibbe kontinuierlich in die vorgesehene Richtung entwickelte, gibt mittlerweile ein schauderhaftes Bild ab.

"Wir gewinnen an keiner Stelle auf dem Feld eine Eins-gegen-eins-Situation, unser Spiel ist berechenbar und vorhersehbar, wir brauchen mehr Spritzigkeit", monierte Bruchhagen nach der gefühlten Niederlage gegen den FCK ungewohnt scharf. Mit dieser Aussage stellt er zwar nicht den Trainer in Frage, spricht aber Dinge an, für die dieser verantwortlich ist.

Am augenscheinlichsten ist in der Tat das durchsichtige Spiel der Hessen. Die Eindimensionalität der Frankfurter Angriffe wird besonders dann sichtbar, wenn Stürmer Theofanis Gekas nicht ins Spiel eingebunden ist.

Sobald Pirmin Schwegler als Spieleröffner blockiert wird oder, wie von manchen Gegnern bereits praktiziert, in Manndeckung genommen wird, verkommt der Frankfurter Fußball zu einem durchschaubaren Gemisch aus Hilflosigkeit und Lethargie.

Schwegler: "Wir sind die schlechteste Mannschaft der Liga"

Die Akteure wirken desillusioniert, ja teils wie gelähmt. Die im Herbst noch so erfrischend aufspielende rechte Seite mit Sebastian Jung und Patrick Ochs steckt genauso im Formtief wie die etablierten Alex Meier, Benjamin Köhler und Halil Altintop. Dass sich die Mannschaft von der Negativserie so beeindrucken lässt, war für niemanden vorherzusehen.

"Wir sind die schlechteste Mannschaft der Liga. Das kann man nicht ausblenden. Da sind die Beine schwer. Jeder ist nur mit sich beschäftigt, der Kopf ist blockiert. Es ist schwer, das Positive zu sehen", gibt Schwegler zu, der im Winter eine fast schon zu den Akten gelegte Vertragsverlängerung plötzlich platzen ließ.

Damit die Beine lockerer werden und die Blockade im Kopf verschwindet, hat Skibbe bereits alle Register gezogen, die man in einer solchen Phase als Übungsleiter ziehen kann: Es gab ein gemeinsames Essen der Spieler, man fuhr in ein Kurztrainingslager, sprach sich gegenseitig Mut zu und schmiss kurzzeitig einen Spieler (Ioannis Amanatidis) raus - alles ohne (Tor)Erfolg.

Skibbe hält an seinem Konzept fest

Skibbe setzt der rapide Abwärtstrend immer mehr zu, er wirkt gezeichnet. "Nun müssen wir halt bei Schalke den Bock umstoßen", lautete seine Durchhalteparole am vergangenen Samstag, die er um ein denkwürdiges "wie auch immer wir das schaffen sollen" verlängerte.

Wenig später revidierte er gegenüber Journalisten: Er möchte nicht den Eindruck erwecken, er sei ratlos. Denn solche Aussagen werden für gewöhnlich als Offenbarungseid gewertet.

Bruchhagen bleibt nach außen aber weiterhin ruhig und fordert: "Wir müssen formverbessert spielen, auch mutiger spielen und nicht die Verantwortung von einem zum anderen schieben. Sonst sieht es ganz, ganz gefährlich für Eintracht Frankfurt aus."

Frankfurt zu Saisonbeginn noch mit zwei Stürmern

Bis jetzt wollte Skibbe der Krise nicht mit einer veränderten Taktik zu Leibe rücken. Einen Versuch wäre es jetzt, wo scheinbar nichts mehr klappen will, aber allemal wert. Skibbe hält jedoch beharrlich an seinem System mit einem Stürmer fest und verweist bei Nachfragen auf die großen europäischen Topklubs, die in derselben Anordnung aufs Feld geschickt werden.

Dabei setzte der Trainer im vergangenen Sommer noch auf ein 4-4-2 und ließ auch beim Pflichtspielauftakt in Pokal und Liga mit zwei Angreifern spielen. Kandidaten wie Altintop oder Amanatidis haben die Sturmposition schon seit langer Zeit nicht mehr ausgefüllt und müssen stattdessen auf dem Flügel oder hinter Gekas kicken.

Doch Anzeichen für ein Umdenken gibt es bei Skibbe nicht. Geht es so weiter, taumelt die Eintracht zielsicher dem Abstieg entgegen - und auch Bruchhagen müsste sich unangenehme Fragen gefallen lassen.

Dessen von Kontinuität geprägte siebenjährige Arbeit würde auf einen Schlag in sich zusammenstürzen und den Verein auf jene Stufe zurückwerfen, auf der man bereits 2004 stand - auf der eines Zweitligisten.

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