Die Gefahren der Poldi-Mania

Von Thomas Gaber
Lukas Podolski kam nach drei Jahren bei Bayern München wieder zurück nach Köln
© Getty

Lukas Podolski wird in Köln hofiert wie ein König. Er tut alles, um seiner Rolle gerecht zu werden. Doch der FC hat schon jetzt an der Poldi-Verpflichtung zu knabbern.

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Nach den Bayern ist fast wie vor den Bayern. Das gilt für Lukas Podolski nicht nur bezüglich seiner Vereinszugehörigkeit. Nach drei Jahren München ist der Nationalstürmer zum 1. FC Köln zurückgekehrt und hat sich auch seinem Physiotherapeuten von damals wieder anvertraut.

Baybora Acemi war von 2002 bis 2006 für den körperlichen Zustand und eine vernünftige Regeneration der FC-Profis verantwortlich. Podolski engagierte ihn vor wenigen Wochen als Privatcoach.

Er ist sich seines Superstar-Status in der Domstadt bewusst und weiß, dass er die immens hohen Erwartungen nur erfüllen kann, wenn er sich schindet. "Lukas hat super trainiert. Ich musste ihn fast ein bisschen bremsen, damit er nicht zum Saisonstart womöglich in ein kleines Loch fällt", sagt Acemi.

Bodyguards für Podolski

Podolskis neue Einstellung hätten sie sich in München auch manchmal gewünscht. Dort kam er in drei Jahren auf keinen grünen Zweig. Den Bayern-Bossen und so manchem Trainer war er zu lasch, zu unprofessionell, schlichtweg nicht gut genug.

Eine deutliche Leistungssteigerung in seinen letzten Spielen für die Bayern änderte nichts an der Tatsache, dass sie froh sind in München, ihn los zu sein.

Jetzt also wieder Köln. Zehn Millionen Euro kratzte der FC zusammen, um den verlorenen Sohn zurückzuholen.

20.000 Fans fanden sich zur ersten Trainingseinheit in Müngersdorf ein. Selbst für FC-Verhältnisse ist das nicht normal. Am Mittwoch traten die Kölner zum ersten Testspiel beim SC Schneifel (3:1) in der Eifel an. Der hauseigene Fernsehsender "FC-TV" war bereits einen Tag zuvor angereist und übertrug die Partie live.

Der Gastgeber hatte sich verpflichtet, drei Bodyguards eines professionellen Personenschutz-Unternehmens für Podolski abzustellen. Allen Besuchern, die nach dem Spiel eine Unterschrift ihres Halbgottes erhaschen wollten, wies ein großes Schild den Weg: "Autogrammzaun Lukas Podolski".

Daum fehlt als Blitzableiter

Noch bevor der erste Ball der neuen Saison gespielt ist (zum Spielplan), richtet sich der gesamte Fokus der Öffentlichkeit nur noch auf Podolski. Der zweite Kölner Lichtgestalt, Christoph Daum, ist seit einigen Tagen weg - und der Druck für den Nationalspieler damit nur noch größer.

Daums große Klappe lenkte nicht selten die Aufmerksamkeit auf den Trainer. Er eröffnete immer wieder künstliche Nebenkriegsschauplätze, um von den eigentlichen Problemen der Mannschaft abzulenken. Eigentlich war das auch für die zu erwartende Poldi-Mania angedacht. Jetzt aber ist Daum nicht mehr da. Und Podolski der alleinige Blitzableiter.

Köln total von Poldi abhängig

Podolski ist der 1. FC Köln, kein anderer Klub der Liga ist so sehr von einem einzigen Spieler abhängig. Von Trainer Zvonimir Soldo hörte man dazu in den letzten Tagen aber nur stets drei Worte: "Alles kein Problem."

Podolski nimmt die Rolle gerne an. "Ich komme als Führungsspieler zurück, das ist mein Anspruch auf dem Platz. Und ich hoffe, dass ich mit meiner Spielweise und meiner Erfahrung der Mannschaft auf dem Platz etwas geben kann und dass wir das gemeinsame Ziel, das der Verein hat, dann auch verwirklichen."

Übersteigerte Zielsetzung

Mittelfristig will sich der FC in der Bundesliga etablieren, doch Köln wäre nicht Köln, gingen die Gedanken nicht schon Richtung Europacup. "Das Ziel heißt Champions League. Vielleicht nicht jetzt, aber in vier Jahren", sagt Podolski - offenbar unwissend, dass er sich und der Mannschaft mit solchen Aussagen keinen großen Gefallen tut.

Oliver Kahn sieht in der riesigen Euphorie ein Problem. "Köln ist positiv verrückt, aber sie machen mir immer gleich zu viel Tamtam. Es wäre besser, wenn sie erst mal ruhig machen würden und dann, vielleicht am Ende der Saison, Tamtam", sagte der Ex-Torhüter, der Podolskis Rückkehr zum FC als "Rückschritt" für dessen persönliche Entwicklung sieht.

Michael Meier ist da ganz anderer Meinung. Der Manager würdigt Podolskis Engagement: "Er war in den letzten Wochen immer wieder auf der Geschäftsstelle und hat uns mitgenommen mit seinem Drang, seinen Klub sportlich nach vorne zu bringen."

"Nicht zu sehr auf ihn verlassen"

Das Projekt Podolski in Köln hat gerade erst begonnen, doch die Gefahren sind schon jetzt abzusehen. Der ganze Verein macht sich abhängig von einem Spieler. Alles wird letztlich an ihm festgemacht - Erfolge, aber auch Misserfolge.

"Die Mannschaft weiß, was sie an Podolski hat. Er hat einen unglaublichen Stellenwert in Köln. Aber sie darf sich nicht zu sehr auf ihn verlassen", sagte FC-Idol Pierre Littbarski im Gespräch mit SPOX.

Dass Podolski bei Misserfolgen als Alibi herhalten muss, glaubt Littbarski nicht. "Es kann immer passieren, dass sich Spieler hinter anderen verstecken. Das ist der Charakter der Spieler gefragt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das beim 1. FC Köln passieren wird."

Poldi-Deal macht weitere Zukäufe schwer

Fest steht aber, dass der 10-Millionen-Euro-Deal den FC enorme Kraftanstrengung gekostet und Ressourcen verschlungen hat, die im Prinzip gar nicht vorhanden waren. Mehrere Sponsoren haben letztlich das Geld beschafft. Geld, das dem FC jetzt fehlt, um vernünftig in die Breite des Kades zu investieren.

Außer den beiden Stürmern Podolski und Sebastian Freis hat der FC noch keinen neuen Spieler geholt. Dabei bräuchten alle Mannschaftsteile eine Blutauffrischung. Das Mittelfeld ist höchstens Bundesliga-Durchschnitt. Ohne Nemanja Vucicevic, der den Verein verlassen hat, fehlt das kreative Moment. Nur acht Tore erzielte das FC-Mittelfeld in der letzten Saison.

"Köln ist im Mittelfeld nicht ausreichend besetzt. Wenn der FC erfolgreich sein will, müssen sie im offensiven Mittelfeld noch etwas tun. Denn nur so kann der Sturm, der mit Podolski, Novakovic und Freis gut besetzt ist, unterstützt werden", sagt Littbarski.

Spielmacher soll kommen

Der FC fahndet noch nach einem Spielmacher. "Wir dürfen uns keinen Fehler bei der Verpflichtung von Spielern erlauben", sagt Soldo. Topleute sind nicht finanzierbar. Ein Kandidat ist deshalb Semir Stilic von Lech Posen.

Der 21-jährige bosnische Nationalspieler ist ein Typ wie Zvjezdan Misimovic, technisch stark, mit gutem Auge und torgefährlich. Er hat bislang allerdings nur in drittklassigen Ligen gespielt, in Bosnien und Polen.

Zudem bereitet dem FC der Gesundheitszustand von Milivoje Novakovic Sorgen. Nach seiner Leisten-Operation begann der Slowene wieder mit dem Lauftraining, reiste am Mittwoch aber wegen Adduktorenproblemen aus dem Trainingslager in Bitburg ab.

Novakovic war in der letzten Saison Kölns Lebensversicherung. Er erzielte von 35 Saisontoren 16. Auch diese Rolle soll jetzt Podolski einnehmen. Er ist der neue Messias. Alles blickt auf ihn. Podolski ist nicht zu beneiden.

Lukas Podolski im Steckbrief