Glaubenskampf in der Liga

Von Interview: Haruka Gruber
Hopp (l.) mit Freund Beckenbauer in Hoffenheims Rhein-Neckar-Arena. Finanziert von: Hopp
© Imago

Der verbale Kleinkrieg zwischen Hoffenheims Dietmar Hopp und Dortmunds Hans-Joachim Watzke ist mehr als nur ein Streit zweier Klub-Bosse. "Der Disput spiegelt das grundlegende Dilemma der Bundesliga wider", sagt Wirtschafts-Experte Professor Dr. Tobias Kollmann.

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Im Interview spricht Kollmann, Lehrstuhlinhaber an der Universität Duisburg-Essen, über die "Mischform" Hopp und die Glaubensfrage im deutschen Fußball.

SPOX: Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke hat Dietmar Hopps finanzielles Engagement für Hoffenheim kritisiert und eine Überprüfung durch die DFL angeregt  - was Hopp als "lächerlich" anprangert. Hat Hopp Recht?

Tobias Kollmann: Unabhängig von der Wortwahl gebe ich Herrn Hopp insofern Recht, dass eine Überprüfung wohl sinnlos wäre, weil Hopp offenbar gegen keine geltenden Regeln verstößt. Aber bevor Missverständnisse aufkommen: Im Disput geht es nur vordergründig um persönliche Befindlichkeiten. Vielmehr spiegelt der Streit das grundlegende Dilemma der Bundesliga wider.

SPOX: Wie meinen Sie das?

Kollmann: Mittlerweile geht es in Deutschland nicht mehr nur um das Für und Wider der 50+1-Regelung. Die Diskussion verschiebt sich hin zur Frage, unter welchen Bedingungen ein Investor allgemein eingebunden werden sollte, egal ob er 10, 49 oder mehr Prozent eines Klubs besitzt. Die Kernfrage lautet: Darf er nur im wirtschaftlichen oder auch im sportlichen Bereich mitreden?

SPOX: Sie spielen auf 1860 München an.

Kollmann: Da kommt ein Investor, will für fünf Millionen Euro 20, 25 Prozent des Vereins aufkaufen - was laut der 50+1-Regelung legitim wäre - und gleichzeitig erfolgt sofort ein Austausch der sportlichen Führung. Man kann kaum glauben, dass dies nicht im Zusammenhang steht.

SPOX: Aus diesem Grund war die DFL gegen den Einstieg des Investors, der sich deswegen zurückgezogen hat. Aber ist die Sachlage bei Hoffenheim und Hopp nicht eine ähnliche? Ihm gehören 49 Prozent der Spielbetriebs-GmbH von Hoffenheim.

Kollmann: Im Falle von 1860 scheint sich laut Aussage des Investors die DFL nicht an dem Austausch des Sportdirektors gestört zu haben, sondern an anderen vertraglichen Details zwischen Verein und Investor. Die Gestaltung im Falle Hoffenheim ist der DFL aber ebenfalls seit Jahren bekannt und es gab offenbar keine Hinweise darauf, dass etwas nicht in Ordnung sein könnte.

SPOX: Es herrscht trotzdem nach wie vor Unklarheit über Hopps Rolle in Hoffenheim. Er besitzt 49 Prozent, in den Medien ist aber nur die Rede vom Mäzen. Was ist er denn nun?

Kollmann: Ein Mäzen gibt sein Geld ohne direkte Gegenleistung. Er fördert zum Beispiel einen Verein, weil er aus kulturellen oder sportlichen Gründen Spaß daran hat und darauf hofft, dass sich der Verein erfolgreich entwickelt. Ein Investor gibt sein Geld und erwartet dafür vom Verein eine Gegenleistung in Form von Anteilen und Renditen.

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SPOX: Hopp ist demnach...

Kollmann: ... eine Mischform. Auf der einen Seite hat er viel Geld für die Jugendarbeit von Vereinen gespendet, auf der anderen Seite hält er aber auch Anteile an Hoffenheim. Erst wenn er sich von 1899 zurückzieht, wird man abschließend wissen, woran man war. Wenn er sagt: Ich schenke dem Verein meine Anteile, ziehe mich zurück und hinterlasse euch etwas, was auch meinen Namen trägt, ist er eher ein Mäzen. Wenn Hoffenheim oder jemand anders aber die Anteile zurückkauft beziehungsweise auf dem Weg dahin Renditezahlungen erfolgen, war Hopp eher ein Investor.

SPOX: Etwas verwirrend.

Kollmann: Deswegen plädiere ich dafür, dass im deutschen Fußball so schnell es geht Klarheit herrscht. Ob die 50+1-Regelung abgeschafft werden soll oder nicht, ist nicht das größte Problem. Vielmehr sollte generell darüber diskutiert werden, welche Rolle Investoren im Verein spielen sollen.

SPOX: Zu diesem Zweck haben Sie eine Agenda verfasst, die sie der DFL und den Bundesliga-Vorständen vorgelegt haben. Worum geht es?

Kollmann: Es geht um die Frage, wie die Rahmenbedingungen unabhängig von der Beteiligungshöhe gestaltet werden können, unter denen die Interessen von Vereinen und Investoren, aber auch von Fans und Liga, unter einen Hut zu bringen sind. Ein zentraler Punkt ist die Gewaltenteilung. Ein Investor sollte - unabhängig von der Höhe seiner Anteile - keinen direkten oder indirekten Einfluss auf das operative Tagesgeschäft eines Klubs ausüben, sondern sich auf Rechte im Kontrollorgan wie dem Aufsichtsrat konzentrieren. Damit können Auswüchse wie in der Premier League verhindert werden.

SPOX: Was bedeuten würde, dass Hopp entweder seine Anteile veräußern, oder sich aus dem Tagesgeschäft zurückziehen muss. Oder dass VW bei Wolfsburg und Bayer bei Leverkusen an Einfluss einbüßen würden.

Kollmann: Nicht unbedingt, denn in einer Neuregelung könnten und müssen auch diese Fälle einbezogen werden. Und weil Sie die Werksklubs ins Gespräch bringen ein Beispiel: Was würde passieren, wenn sich die Telekom oder Deutsche Post entscheidet, den Bonner SC zu einem weiteren Werksklub für die Bundesliga zu entwickeln? Viele würden das nicht gerne sehen wollen.

SPOX: Besonders Traditionsvereine wie Dortmund.

Kollmann: Die alte und die neue Welt prallen derzeit aufeinander. Es ist aus der Perspektive der Traditionsvereine nur verständlich, dass es nicht in deren Interesse sein kann, wenn ein Emporkömmling wie Hoffenheim auf einmal um den Titel mitmischt. Nur: Die alt eingesessenen Klubs dürfen ihren Weg nicht als den einzig legitimen ansehen. Es steht nirgendwo in Stein gemeißelt, dass nur Traditionsvereine oben stehen dürfen. Wenn jemand glaubt, mit einer anderen Philosophie und externem Kapital zum Ziel zu kommen, sollte man das nicht verbieten.

SPOX: Zieht sich ein Graben durch Fußball-Deutschland?

Kollmann: Auf jeden Fall ist es eine Glaubensfrage: Möchte man den Status Quo erhalten - oder lieber eine Evolution des Fußballs. Beide Alternativen sind aus den jeweiligen Sichtweisen nachvollziehbar.

SPOX: In der Natur ist die Evolution nicht aufzuhalten.

Kollmann: Wir leben im Fußball nicht unter einer Glocke. Der Fußball entwickelt sich genauso dynamisch wie jede andere Branche auch und hat sich in den letzten 20, 30 Jahren unglaublich verändert - für Deutschland im internationalen Vergleich nicht nur zum Vorteil. Wobei man auch nicht einfach blind dem englischen Modell nacheifern, sondern lieber einen eigenen deutschen Weg einschlagen sollte. Deswegen sollte es jedem deutschen Verein unter klaren Rahmenbedingungen freigestellt sein, ob er sich Investoren öffnet - solange er sich nicht mit Leib und Seele verkauft.

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