"Abramowitsch stinkt mir gewaltig"

Von Interview: Thomas Gaber
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© Imago

München - Fünf Wochen Vorbereitung auf die Bundesliga sind fast vorüber. Auch beim FC Bayern München wurde kräftig geschuftet. SPOX traf Manager Uli Hoeneß kurz vor dem Saisonstart und bat ihn zum Gespräch.

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Im Interview geht Hoeneß auf Jürgen Kinsmanns Philosophie, Ölmafiosi sowie auf Lukas Podolski und die Nachwuchsarbeit beim deutschen Rekordmeister ein.

SPOX: Herr Hoeneß, Sie gehen in Ihre 30. Saison als Manager des FC Bayern. Kribbelt's schon, oder ist das für Sie mittlerweile alles Routine?

Uli Hoeneß: Routine keinesfalls. Die Vorfreude auf die kommende Saison ist ungebrochen und nicht anders als sonst. Wir haben einige Veränderungen vorgenommen, einige neue Spieler dazubekommen und ein neues Trainerteam. Die Erwartungen sind riesig, vielleicht höher als sonst. Diesen Erwartungen wollen wir gerecht werden.

SPOX: Dafür muss der FC Bayern aber die deutsche Meisterschaft, den DFB-Pokal und die Champions League gewinnen.

Hoeneß: Es bringt uns überhaupt nichts, große Ziele zu setzen. In der Champions League kannst du im Achtelfinale Barcelona, Real Madrid oder Chelsea bekommen, da bist du schnell mal draußen. Der Druck ist höher denn je. Es reicht in der Öffentlichkeit nicht, nur Punkte einzufahren, wir müssen auch noch jedes Mal toll spielen. Aber ich habe ein sehr gutes Gefühl, die Trainer arbeiten mit einer Akribie, die ich in den letzten 20 Jahren selten erlebt habe. Mehr kann man nicht tun.

SPOX: Sie sind sich also sicher, dass Jürgen Klinsmann Erfolg haben wird.

Hoeneß: Das kann man nie wissen, die Voraussetzungen dafür sind aber geschaffen. Der Plan von Jürgen, jeden Spieler besser machen zu wollen, ist Gold wert für den FC Bayern. Die Spieler sind unser Kapital. Wenn der Plan aufgeht, erhöht sich das Kapital des Vereins, ohne dass man viel Geld investiert hat.

SPOX: Lief die Saison-Vorbereitung bislang optimal?

Hoeneß: Es läuft nicht alles optimal. Wir haben eine Menge Verletzte. Franck Ribery, Luca Toni, Tim Borowski, Willy Sagnol, nun Martin Demichelis. Vor allem Tonis Ausfall passt uns überhaupt nicht. Eine Vorbereitung nach einem Turnier wie EM oder WM läuft nie optimal. Die ausgeschiedenen Spieler trudeln tröpfchenweise ein, viele mit Blessuren. Es ist eine holprige Angelegenheit, in den Testspielen läuft nie eine Elf in Topform auf. Dieses Problem hat aber nicht nur der FC Bayern.

SPOX: Einer, der von Tonis Verletzung profitieren könnte, ist Lukas Podolski. Was erwarten Sie von Ihrem "Sorgenkind"?

Hoeneß: Unabhängig von Tonis Verletzung bin ich davon überzeugt, dass Lukas eine sehr gute Saison spielen wird. Er hat bereits in der Rückrunde der letzten Saison viele Spiele gemacht und wichtige Tore geschossen. Wenn er diesen Weg fortsetzt, sind alle zufrieden. Wir tun alles, damit sich Podolski bei uns wohlfühlt. Dann kann er sein volles Leistungsvermögen abrufen.

SPOX: Durchhänger wird sich Podolski aber wohl nicht erlauben können. Seine Leistung wird ja immer besonders genau beäugt.

Hoeneß: Durchhänger darf sich beim FC Bayern niemand erlauben. Wir verlangen auch von einem Tim Borowski, dass er von Beginn an Gas gibt. Wer beim FC Bayern einen Vertrag unterschreibt, muss sich im Klaren darüber sein, dass er nicht vier Wochen lang den größten Mist spielen kann und weiterhin zur ersten Elf zählt. Dafür sind die Ziele einfach zu hoch. Wir können nicht sechs Monate lang eine neue Mannschaft aufbauen, um in der Rückrunde von Platz 12 anzugreifen.>

SPOX: Angreifen will Jürgen Klinsmann auch in der Champions League. Seit dem Titel des FC Bayern 2001 gab es in acht Jahren sieben verschiedene Champions-League-Sieger. Ist der europäische Fußball ausgeglichener denn je?

Hoeneß: Absolut. Durch die enormen Investitionen, die viele Vereine tätigen, gibt es keine Dauersieger mehr wie Ajax Amsterdam oder Bayern München in den Siebziger Jahren. Die Hierarchie ist abgeschafft. Die Ausgeglichenheit ist reizvoll, ob die Investitionen gut für den Fußball sind, weiß ich nicht.

SPOX: Was stört Sie?

Hoeneß: Mich ärgert, wenn ich einmal in der Woche zum Tanken fahre. Diese Ölmafia zieht mir das Geld aus der Tasche, um es in Fußballspieler zu stecken. Das stinkt mir gewaltig, und das gilt auch für Herrn Abramowitsch.

SPOX: Der Chelsea-Boss ist wohl nicht Ihr Freund.

Hoeneß: Nein. Diese Mafia beherrscht die ganze Welt und manipuliert den Ölpreis. Ich lasse mir das nicht länger bieten.

SPOX: Was wollen Sie dagegen tun?

Hoeneß: Wir müssen Vereine wie Chelsea eben sportlich besiegen. Das wäre eine Genugtuung.

SPOX: Das soll mit "nur" drei Top-Stürmern gelingen.

Hoeneß: Das reicht, wir haben schon mit drei Stürmern genug zu tun, jeden zufrieden zu stellen.

SPOX: Wie darf man das verstehen?

Hoeneß: Alle, die einen vierten Stürmer verlangen, erinnere ich an das Theater in der letzten Saison um Lukas Podolski. Er hat am Anfang nicht so oft gespielt und bestimmte trotzdem die Schlagzeilen, obwohl er sich nie negativ über seine Situation geäußert hat.

SPOX: Mit Thomas Müller steht ein hoffnungsvoller Nachwuchsstürmer im Profi-Kader.

Hoeneß: Jürgen Klinsmann möchte die Jugendarbeit forcieren, da wäre es doch auch inkonsequent, den jungen Leuten immer Topspieler vor die Nase zu setzen. Jan Schlaudraff, den ich für einen sehr guten Fußballer halte, hat letztes Jahr kaum gespielt. Warum brauchen wir dann einen vierten Stürmer? Ich wiederhole mich: Drei Stürmer reichen aus.

SPOX: Verfolgt der FC Bayern eine langfristige Strategie, immer mehr junge Spieler in den Profi-Kader zu holen?

Hoeneß: Der Traum ist immer, möglichst viele Spieler aus dem eigenen Nachwuchsbereich in der ersten Mannschaft einzusetzen. Ich denke, wir haben diesbezüglich einiges richtig gemacht. Hargreaves, Lell, Rensing, Ottl, Schweinsteiger, Kroos - diese Spieler sind alle aus der eigenen Jugend gekommen. Zu verfolgen, wie sich diese Spieler entwickeln und irgendwann 25 Millionen Euro wert sind wie Hargreaves, macht Spaß.

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