"Evolution statt Revolution": Neuer TV-Schlüssel sorgt für Unzufriedenheit

SID
Die DFL hat am Montag den neuen TV-Gelder-Schlüssel bekanntgegeben.
© getty

Der Streit um die TV-Milliarden im deutschen Profifußball ist beendet. Richtig zufrieden ist mit dem neuen Verteilungsschlüssel aber niemand.

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"Evolution statt Revolution", "schmerzhafter Kompromiss" und "nicht mutig genug" - kaum hatte DFL-Boss Christian Seifert den neuen Verteilungsschlüssel für die TV-Milliarden präsentiert, wurden auch schon deutliche Misstöne von den Profiklubs laut. Angesichts der enormen finanziellen Bedrohungen durch die Corona-Pandemie können sich die Vereine zwar mit dem Beschluss arrangieren - richtig zufrieden ist aber niemand.

Vor allem bei den kleineren und mittleren der 36 Erst- und Zweitligisten machte sich Ernüchterung breit. Sie hatten sich im wochen- und monatelangen Streit um das Ausschüttungsmodell für die Spielzeiten 2021/22 bis 2024/25 für deutliche Reformen zugunsten der Chancengleichheit stark gemacht - herausgekommen ist nur ein "Reförmchen".

Wie die Deutsche Fußball Liga (DFL) errechnete, werden aus dem Topf der deutschsprachigen Medienrechte in den kommenden beiden Jahren insgesamt zusätzlich rund 75 Millionen Euro gleich unter den Klubs verteilt. Dies gehe zwar "grundsätzlich in die richtige Richtung", sagte Finanzvorstand Jan Lehmann vom FSV Mainz 05: "Anderseits hätten wir uns ein noch stärkeres Signal der Solidarität und zugunsten eines fairen sportlichen Wettbewerbs gewünscht."

TV-Schlüssel: "Weiterentwicklung des Status quo"

Mit dieser Meinung waren die Mainzer nicht allein. Laut Werder Bremens Geschäftsführer Klaus Filbry erreiche das neue Modell "vor allem eine Weiterentwicklung des Status quo", für seinen Paderborner Kollege Martin Hornberger handle es sich "eher um eine Evolution statt um eine Revolution".

Arminia Bielefelds Finanzvorstand Markus Rejek sprach von einem "kleinen Schritt in eine dringend notwendige Veränderung", betonte aber auch: "Das zentrale Anliegen wurde aus unserer Sicht nicht mutig genug angegangen."

Seifert hatte solche Reaktionen wohl schon erwartet, zu heftig war der Streit ums Geld zwischen "Großen" und "Kleinen" zuletzt geführt worden. "Man kann kaum Lösungen finden, die es allen recht machen", sagte der DFL-Geschäftsführer und meinte: "Indem man den Bayern fünf Millionen weniger gibt und Bielefeld fünf Millionen mehr, macht man die Meisterschaft nicht spannender."

Ohnehin sei das oberste Ziel, alle 36 Profiklubs sicher durch die Coronakrise zu führen, sagte Seifert, denn er befürchte insgesamt zwei Milliarden Euro an Umsatzeinbußen. "Es sind keine Zeiten für radikale Lösungen, sondern für verlässliche Lösungen", sagte der 51-Jährige und versicherte, dass die Kluft zwischen Top- und Geringverdienern durch das neue Modell kleiner werde.

TV-Schlüssel: "Ein schmerzhaften Kompromiss"

Doch obwohl die Summe der Gleichverteilung nach zwei Jahren sinken und das Leistungsprinzip wieder stärker gewichtet wird, gaben sich auch die Vertreter der "Großen" eher zerknirscht zufrieden. Die Entscheidung des DFL-Präsidiums stelle "einen schmerzhaften Kompromiss dar", sagte Borussia Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke, vor dem Hintergrund der Pandemie und des Solidaritätsgedanken sei dieser "aber unumgänglich und daher auch richtig".

Leverkusen-Boss Fernando Carro gratulierte zwar dem DFL-Präsidium zur Entscheidung - kam aber nicht umhin zu betonen, dass "die erfolgten Änderungen für Bayer 04 nicht unbedingt von Vorteil sein werden". Bayern München und dessen Vorstandsvorsitzender Karl-Heinz Rummenigge, der im Vorfeld scharf gegen die Reformwilligen geschossen hatte, wollten sich auf SID-Anfrage zunächst nicht äußern.

Das tat hingegen die Fanszene - und die Kritik ist groß. Das Fanbündnis "Unsere Kurve" bezeichnete das neue Modell als "absolut enttäuschend" und fragte bei Twitter provokativ: "Kurzfristige Coronahilfe, Zementierung der Unterschiede, Bonbons im Prozentbereich. Sieht so der Einstieg in Reformen aus?"

Die Antwort war aus den Reaktionen der Klubs herauszulesen. Und die nächste Chance für grundlegende Änderungen gibt es erst in vier Jahren. Dann wird es allerdings der Nachfolger des scheidenden Seifert sein, der es niemandem recht machen kann.

 

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