Ebay für ältere Herrschaften

Von Stefan Rommel
FIFA meets Doha: Joseph Blatter (r.) und Scheich Hamad bin Khalifa al-Thani (l.)
© Getty

Die Vergabe der Weltmeisterschaften 2018 und 2022 an Russland beziehungsweise den Katar hat die Fußball-Welt in Aufruhr versetzt. Macht die FIFA jetzt nur noch, was sie will? Präsident Joseph Blatter jedenfalls führt den Trend der Enteignung des Fußballs von seiner Basis aggressiv fort. Auch sehr zu seinem eigenen Vorteil. Ein Kommentar.

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 KOMMENTAR Seit Wochen, Monaten, ach was: seit Jahren wird der FIFA und ihrem Anführer Joseph Blatter nachgegeifert. Journalisten, Kommissionen, Ausschüsse, ganze Regierungen hetzen die Fußball-Weltorganisation.

Zu viel verbrannte Erde, Schmutzkampagnen, Skandale und Schmiergeldaffären hängen der FIFA nach. Bisher ist alles am Verband und an Blatter selbst abgeperlt wie Wasser an einer Teflonpfanne. Als Non-Profit-Organisation unterliegt sie nicht dem Korruptionsgesetz.

Mit welch unerhörter Nonchalance die FIFA jetzt aber ein weiteres Mal ihre eigenen Interessen vorbei an einer sehr großen Mehrheit durchgedrückt hat, eröffnet eine ganz neue Dimension.

Russland 2018 und Katar 2022 dürfen die Weltmeisterschaft austragen. Nicht unbedingt die Favoriten in ihren Gewichtsklassen. Aber eben das zahlungskräftigste Klientel und jene Länder, zu denen Blatter schon länger Beziehungen unterhält oder sie in naher Zukunft verstärkt unterhalten wird.

Als der Schweizer vor rund zwölf Jahren ins höchste Amt des Fußballs gehievt wurde, waren es einige Millionen aus dem kleinen Scheichtum Katar, die Blatters Wahlkampf großzügig alimentierten.

Vor gar nicht allzu langer Zeit wollte der Geschäftsmann Mohammed Bin Hammam aus Doha (Katar), im Nebenberuf Präsident der asiatischen Fußballföderation, mit unzähligen Petrol-Dollars im Rücken gegen Blatter als FIFA-Präsident antreten. Der Mann dürfte besänftigt sein.

Und Wladimir Putin, einer der mächtigsten Männer des Planeten, wird Blatter für die im kommenden Jahr anstehende Wiederwahl die nötigen Stimmen aus den Satellitenstaaten der ehemaligen Sowjetunion und dem übrigen Osteuropa zuverlässig zuschustern.

Es gehört schon eine zynische Kälte dazu, wenn Joseph Blatter wenige Sekunden vor dem Öffnen des Umschlags über Werte und Normen im Fußball fabuliert.

Die FIFA hat den Fußball der Basis endgültig entrissen und an Sponsoren, Handlanger, neu zu erschließende Märkte, kurz: den Meistbietenden verkauft. Wie ebay für ältere Herrschaften. Die Theorien, mit denen sie ihr Wirken zum Wohl entwicklungsbedürftiger Länder verkaufen will, sind lediglich undurchsichtiges Beiwerk.

Nachzufragen in Südafrika, das auf rund zwei Milliarden Euro Verlust sitzen bleibt - während die FIFA einen Rekordgewinn von kolportierten knapp drei Milliarden Euro auswies. Steuerfrei, weil der Weltverband in der Schweiz als gemeinnützige Organisation gelistet ist und auch im jeweiligen Ausrichterland keinen müden Euro an Abgaben bezahlen muss.

Wie ein tropisches Insekt sucht sich die FIFA alle vier Jahre einen neuen Wirt und saugt diesen aus. Insofern sind Russland mit seiner diktatorisch anmutenden Demokratie und das stinkreiche Katar sogar noch stringente Lösungen.

Der Weltfußball-Zirkus hat sich zu einer Parallelwelt entfremdet, darüber können auch die sicherlich vorhandenen Vorteile Katars und Russlands gegenüber der Konkurrenz nicht hinwegtäuschen. For the game. For the world. Aber vor allen Dingen für die FIFA. Und schon lange nicht mehr für die Fans.

Und noch eine weitere glückliche Fügung des Schicksals bringt der Entscheid von Zürich mit sich. Denn der Sieger für 2026 dürfte jetzt  auch schon feststehen: China hat am Dienstag seinen Plan geäußert, sich für die Titelkämpfe in 16 Jahren als Ausrichter zu bewerben. Das Riesenreich, eine der am schnellsten wachsenden Ökonomien der Erde. Was für ein verrückter Zufall.

Die asiatischen Bewerber Japan und Korea sind ja diesmal noch leer ausgegangen. Ein Elfmeter ohne Torhüter für die FIFA. Es wäre schließlich schon wieder eine Premiere und ein Neuland, wie schon Südafrika, Russland und Katar. Genau das richtige für Blatter, immer auf der Suche nach noch einem weiteren Höhepunkt.

Und den vorzuschiebenden Herzschmerz-Grund gibt's auch schon: Im 3. Jahrhundert vor Christus wurde bereits Fußball gespielt. In China. Football's coming home.

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