Wer wird the Best of the Rest?

Von Dominik Geißler
Force India und Williams liefern sich ein Kopf-an-Kopf-Duell
© getty

Vor dem Großen Preis von Malaysia (alle Sessions im LIVETICKER) sind die Top-Teams um Mercedes, Red Bull und Ferrari schon weit enteilt. Doch dahinter liefern sich Force India und Williams ein Kopf-an-Kopf-Duell um Platz vier der Konstrukteursweltmeisterschaft. Die Voraussetzungen der beiden Formel-1-Rennställe könnten dabei unterschiedlicher kaum sein. Wer am Ende vorne steht? Das scheint noch völlig offen.

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Erfolgreich geht anders. Valtteri Bottas stellte seinen Boliden vorzeitig in der Garage ab, Felipe Massa verpasste auf Platz zwölf die Punkte. Kurzum: Der Große Preis von Singapur lief für Williams alles andere als rund.

Und trotzdem war man im Lager des Traditionsrennstalls nicht gänzlich unzufrieden. Der Grund: Force India schnitt im Nachtrennen nur wenig besser ab. "Wir hatten ziemliches Glück, dass wir nur vier Punkte auf sie verloren haben", meinte Williams-Chefingenieur Rob Smedley mit Blick auf den Hauptkonkurrenten in der Konstrukteursweltmeisterschaft.

Während Nico Hülkenberg schon nach 100 Metern in der Bande steckte, fuhr Sergio Perez auf Platz acht. Macht im Vergleich ein Plus von vier Punkten für Force India - auf einem Stadtkurs, bei dem man sich gegen den abtriebsschwachen Williams eigentlich mehr erhofft hatte. "Wenn es für Nico nicht zu diesem Vorfall auf den ersten 100 Metern gekommen wäre, hätte es für uns viel schlimmer aussehen können", gab Smedley zu.

Dennoch durften die Inder den Marina Bay Street Circuit mit einem lachenden Auge verlassen. Immerhin haben sie Williams mit den gesammelten Zählern in der Teamwertung wieder überholt und liegen nun auf Platz vier. Mit 112 Punkten hat das Force-India-Duo nun genau einen Zähler mehr auf dem Konto als Bottas und Massa. Nur Mercedes, Red Bull und Ferrari sind besser.

"Es steht Spitz auf Knopf"

Hinter dem Top-Trio herrscht also ein echtes echtes Kopf-an-Kopf-Duell, das sich zum Saisonende mehr und mehr zuspitzt. "Ich denke, es wird hin und her gehen", prophezeit Force Indias stellvertretender Teamchef Robert Fernley: "Wir hatten gehofft, ihnen in Singapur etwas mehr zusetzen zu können. Aber dieselbe Hoffnung hatten sie womöglich selbst in Monza. Uns beiden ist das nicht gelungen. Jetzt steht es wieder Spitz auf Knopf. Das wird bis zum Ende der Saison so gehen. Spannung pur!"

Dass es dabei überhaupt so eng zwischen den beiden Teams zugeht, grenzt schon an ein kleines Formel-1-Wunder. Schließlich sind die Startvoraussetzungen von Williams und Force India gänzlich verschieden.

Williams, das ist der Rennstall, der schon seit 1977 in der Königsklasse dabei ist, 114 Grands Prix gewonnen und neun Weltmeisterschaftstitel eingefahren hat. Als Teil der Williams Grand Prix Holdings ist das Team seit 2011 an der Frankfurter Börse notiert und hat mit Williams Advanced Engineering (WAE) einen Experten in Sachen Zukunftstechnologie als Schwesterfirma.

Force India, die Effektivitätsmaschine

Und Force India? Das ist im Gegensatz dazu ein Frischling in der Formel 1. Im Jahr 2008 von Motorsportenthusiast Vijay Mallya aufgekauft, ist das einstige Jordan-Team für den exzentrischen Milliardär, der wegen eines Haftbefehls in seiner Heimat momentan in England festsitzt, eher ein Spielzeug als Berufsobjekt.

Dennoch erarbeitete sich Force India im Laufe der Jahre den Ruf als eines der effizientesten Teams überhaupt. Mit Einzelerfolgen wie den beiden Podiumsplatzierungen von Perez in diesem Jahr (Monaco und Aserbaidschan) gelang es immer wieder, die Großen der Szene zu ärgern. Mit Platz fünf in der Konstrukteurs-WM gelang Force India in der Vorsaison das beste Resultat der Teamgeschichte. Nun könnte die nächste Steigerung folgen.

Nach einem schwachen Saisonstart hat sich Force India gefangen, ist regelmäßig in die Top 10 gefahren und hat allein nach der Sommerpause zehn Punkte auf Williams gutgemacht - im Formel-1-Mittelfeld, in dem die Punkte rar gesät sind, ein starker Wert. "Es ist ein großer Fight. Force India hat sein Auto stark verbessert", gab auch Massa auf der Pressekonferenz vor dem Malaysia-GP zu.

Williams schwächelt

Dass Perez und Hülkenberg die direkte Konkurrenz ein- und nun sogar überholen konnten, liegt jedoch nicht zuletzt auch an einer schon lange andauernden Schwächephase von Williams. Seit dem Großen Preis von Österreich Anfang Juli war ein sechster Platz von Bottas das beste Ergebnis für das Team aus Grove. Ansonsten war für Massa und den Finnen Rang acht das Höchste der Gefühle.

Der Williams profitiert zwar - wie auch Force India - vom Mercedes-Antrieb, generiert aber wie üblich zu wenig Abtrieb. Hinzu kommt in diesem Jahr ein zu hoher Reifenverschleiß sowie Strategiepatzer. Entsprechend reagierte Williams und verpflichtete Anfang September mit Antonio Spagnolo einen ausgewiesenen Reifenexperten, der von 2005 bis 2013 bei Ferrari unter Vertrag stand und dort als Leiter der Reifen-Arbeitsgruppe fungierte.

"Er spielt eine integrale Rolle dabei, einfach nur die Reifen zu verstehen", sagte Smedley gegenüber Autosport: "Er hilft uns, wieder auf die Beine zu kommen. Er hat seine eigenen Ideen, ist ein sehr cleverer Kerl und wir haben in diesem Bereich eine Schwäche. Das soll uns also auf ein anderes Niveau bringen."

Fakt ist: Williams muss seine Probleme schnell in den Griff bekommen. Sonst gehen nicht nur Platz vier in der Teamwertung, sondern auch mehrere Millionen Preisgeld verloren. 2015 erhielt das viertplatzierte Team (Red Bull) 70 Millionen Euro, Force India als Fünfter 67 Millionen Euro.

Offenes Ende

Obwohl Smedley davor warnte, die Augen nur auf Force India zu richten und von "einem großen Fehler" sprach, wenn man sich "nur auf einen Mitbewerber versteift", werden die Aktivitäten des jeweils anderen Teams ganz genau begutachtet.

Bei noch sechs verbleibenden Rennen zählt schließlich jeder Punkt. Wer dabei das bessere Finish haben wird, ist noch nicht abzusehen. "Zu sagen, dass wir zuversichtlich sind, sie zu schlagen, wäre vielleicht etwas zu optimistisch gesprochen", meint Williams' Smedley: "Wir kommen nach Malaysia und Japan mit einer ähnlichen Pace, eventuell mit einem kleinen Vorteil für uns. Dann geht es in die USA, wo uns der Kurs liegen sollte." Für Mexiko sieht der Schotte dann wieder die Konkurrenz von Force India vorne.

Am Ende könnte sogar schon ein einziges Rennen die vorzeitige Entscheidung bringen. "Wenn einer von den Leuten ganz vorne Fehler macht, könnte einer von uns auf dem Podium landen. Wenn das der Fall ist, könnte alles entschieden sein", spekulierte Claire Williams, stellvertretende Teamchefin und Tochter von Gründer Frank Williams, bei Autosport.

Vielleicht ist es ja schon beim kommenden GP auf dem Sepang International Circuit so weit. Die Strecke wurde mit einem neuen Asphalt ausgelegt und an einigen Stellen deutlich verändert. Wenn einer der Top-Fahrer aufgrund der Veränderungen schwächelt, könnten Force India oder Williams zur Stelle sein - und zum Best of the Rest werden.

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