Räikkönen tütet Mercedes' WM-Titel ein

Lewis Hamilton feierte in Russland seinen neunten Sieg in der Formel-1-Saison 2015
© getty

Formel-1-Weltmeister Lewis Hamilton hat den Ausfall von Mercedes-Teamkollege Nico Rosberg genutzt und in Sotschi einen riesigen Schritt in Richtung Titelverteidigung gemacht. Der 30-jährige Engländer verlor zwar das Duell beim Start, nachdem der Vizeweltmeister sein Auto mit gebrochenem Gaspedal abstellte, fuhr er aber unbedrängt zum 42. GP-Sieg seiner Karriere und hat damit Ayrton Senna überholt.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Hamiltons Vorsprung auf seinen Teamkollegen beträgt nun 73 Punkte. In den vier ausstehenden Grands Prix sind maximal 100 Punkte zu vergeben. Holt der Titelverteidiger beim nächsten Rennen im US-amerikanischen Austin drei Zähler mehr als Rosberg, ist der Deutsche aus dem WM-Rennen ausgeschieden. Rosberg würde Hamilton selbst dann nicht mehr einholen, wenn er alle ausstehenden Rennen gewinnt und der Engländer keinen einzigen Punkt holt.

Allerdings ist Rosberg nun ohnehin nicht mehr der Hauptkonkurrent. Sebastian Vettel liegt mit sieben Punkten Vorsprung auf Platz 2 der Fahrer-Wertung. Der Ferrari-Pilot glich seinen verpatzten Start mit einem Überholmanöver gegen Teamkollege Kimi Räikkönen auf der Strecke und einer gut umgesetzten Strategie gegen Williams-Pilot Valtteri Bottas aus und kam in Sotschi als Zweiter über die Linie.

Das Ergebnis des Rennens im Überblick

Dritter wurde überraschend Sergio Perez. Der Mexikaner nutzte die Safety-Car-Phase nach einem Unfall von Romain Grosjean für einen extrem frühen Boxenstopp und wehrte in der Schlussphase die Angriffe von Bottas ab, bis der Finne in der vorletzten Runde mit einem mutigen Manöver vorbeiging. Nach Belgien 2009 und Bahrain 2014 holte Perez trotzdem das dritte Podium in der Force-India-Geschichte - dank Kimi Räikkönen.

Der attackierte in der letzten Runde Bottas aus aussichtsloser Position und schoss seinen finnischen Landsmann so ab. Platz 4 übernahm hinter Perez Felipe Massa im zweiten Williams, der von Platz 15 ins Rennen gegangen war. Räikkönen kam als Fünfter über die Linie, erhielt aber eine 30-Sekunden-Zeitstrafe für den Abschuss. Damit wurde er Achter und machte Mercedes zum Konstrukteurs-Weltmeister.

Reaktionen:

Lewis Hamilton (Mercedes): "Es ist ein spezieller Moment für mich, an Ayrton vorbeizuziehen. Ich war aufgeregt, weil Nico und ich am Anfang ziemlich dicht beieinander waren. Sehr schade für das Team, ein Auto zu verlieren."

Sebastian Vettel (Ferrari): "Ich glaube, es war ein gutes Rennen. Das Auto war fantastisch und wurde immer besser. Ich dachte zwischendurch kurz, ich hätte eine kleine Chance, Lewis abzufangen, aber seine Pace war einfach viel besser."

Nico Rosberg (Mercedes): "Direkt in der Safety Car Phase habe ich gemerkt, dass irgendwas kaputt ist. Das ist nicht lustig. Am Ende musste ich das Bein komplett anziehen, um irgendwie vom Gas zu kommen. Unglaublich, dass sowas passieren kann."

Kimi Räikkönen (Ferrari): "Ich weiß nicht ob er mich nicht gesehen hat oder nicht erwartet hat, dass ich ihn dort überhole. Ich weiß auf jeden Fall nicht, woher er kam. Keine Ahnung, wie die Stewards entscheiden. Für mich war das eine normale Renngeschichte."

Sergio Perez (Force India): "Eine Runde vor Schluss schien uns alles durch die Finger zu gleiten. Ich war total unglücklich. Als es sich in der letzten Runde wieder umdrehte, war das einfach unglaublich."

Der Spielfilm:

Vor dem Start: Carlos Sainz jr. startet nach seinem heftigen Crash im 3. Freien Training als Letzter. Roberto Merhi ersetzt bei Manor Alexander Rossi, der in der GP2 den Titelkampf an diesem Wochenende gegen McLaren-Junior Stoffel Vandoorne verloren hat.

RE-LIVE: Das ganze Rennen im Ticker

Start: Rosberg setzt sich vor dem Vollgas-Rechtsknick vor Hamilton und bleibt auf der Innenbahn. Der Weltmeister geht mit Windschatten außen daneben, hat aber keine Chance. Räikkönen gewinnt gleich zwei Plätze, weil er Vettel und Bottas überholt. Hülkenberg dreht sich, Marcus Ericsson rauscht ihm rein. Safety Car!

Runde 1: Verstappen kommt mit Plattfuß in die Box und bleibt gerade noch in der Führungsrunde. Auch Grosjean wechselt auf die soften Reifen. Beide waren in den Hülkenberg-Unfall involviert.

Runde 4: Restart! Rosberg beschleunigt gut, hat drei Wagenlängen zwischen sich und Hamilton. Er bleibt vorn. Bottas schnappt sich Räikkönen auf Start-Ziel und ist Dritter.

Runde 7: Hamilton ist vorn! Wie das? Rosbergs Gaspedal ist gebrochen und klemmt. Er verpasst den Scheitelpunkt von Turn 2, räubert über den Kerb, was seinen Teamkollegen problemlos vorbeiziehen lässt. Rosberg nimmt das Gas komplett weg und fährt in die Box. Zweiter Ausfall in der Saison 2015 für den Vizeweltmeister!

Runde 12: Die nächste Safety-Car-Phase! Grosjean fliegt mit rund 250 km/h in die Mauer. In der megaschnellen Linkskurve um die Medals Plaza verliert er plötzlich das Heck. Glücklicherweise steigt er unverletzt aus eigener Kraft aus. Perez, Ricciardo, Sainz und Button fahren direkt an die Box. Danach kommen auch Alonso, Merhi und Stevens.

Runde 17: Hamilton lässt Bottas keine Chance. Dafür setzt sich Vettel mit einem entschiedenen Angriff innen neben Räikkönen, der in Turn 2 in die Auslaufzone fährt. Der Finne lässt den Deutschen danach bei Turn 7 regelkonform vorbei. Perez geht unterdessen an Maldonado vorbei und übernimmt Platz 8. Der Mexikaner ist der bestplatzierte Pilot, der schon an der Box war.

Runde 26: Bottas fährt als Zweitplatzierter in die Box. Vettel kommt erst vier Runden später rein. Der Stopp ist eine Sekunde schneller, Vettel vorbei. Räikkönen macht es einen Umlauf später nach und kommt aus Turn 2 besser raus. Bottas macht aber die Tür zu, der Iceman lupft das Gaspedal. Ihr Problem: Perez und Ricciardo, die schon unter SC-Bedingungen in der Box waren, fahren vor den Beiden.

Runde 35: Irrer Fight zwischen den Finnen! Bottas greift Ricciardo in Turn 4 außen an, muss aber zurückstecken. Räikkönen wittert Morgenluft, setzt sich eine Kurve später neben seinen Landsmann und geht vorbei. Doch Bottas kontert beim Herausbeschleunigen, bevor Räikkönen in Turn 6 nochmal daneben geht. Dieses Mal ohne Erfolg. Ricciardo freut sich, weil sich die Nordlichter gegenseitig Zeit kosten.

Runde 38: Hamilton stellt einen neuen Rundenrekord auf. 1:40,777 Minuten. Den Vorsprung auf Vettel konserviert er bei knapp über 12 Sekunden.

Runde 45: Bottas geht mit DRS-Unterstützung endlich an Ricciardo vorbei. 2,2 Sekunden fehlen ihm auf Perez, der Dritter ist. Allerdings rauchen seine Bremsen. Das ist auch bei Sainz der Fall, dessen linke Vorderbremse eine Runde später vor Turn 13 explodiert.

Runde 48: Räikkönen schließt zu Ricciardo auf und geht auf Start-Ziel wie Bottas zuvor vorbei. Fünfter Platz für die Nummer 2 bei Ferrari. Der Australier stellt seinen Red Bull kurz darauf ab.

Runde 51: Vettel klaut Hamilton den Rundenkekord. 1:40,071 Minuten gilt es jetzt zu schlagen.

Runde 53: Da hat einer von ganz oben eingegriffen! Räikkönen greift Bottas in der letzten Runde in Kurve 4 an, es kommt zur Berührung und beide verlassen die Rennstrecke. Und Perez fährt an beiden wieder vorbei. Bottas ist raus!

Ziel: Es gewinnt Hamilton vor Vettel. Neben Perez profiert auch noch Massa, der ein grottenschlechtes Rennwochenende abgeliefert hat, aber sich jetzt über Platz 4 freuen darf. Räikkönen rettet Rang 5 ins Ziel, Punkte gehen auch an Kvyat, Nasr, Maldonado und Button und Alonso. Beide McLaren in den Punkten! Aber es werden auch nur 15 Fahrer gewertet und nur 13 kamen ins Ziel.

Update Nach dem Ziel: Mercedes ist Konstrukteurs-Weltmeister! Räikkönen rutscht durch eine 30-Sekunden-Zeitstrafe für die unnötige Kollision auf Rang 8 ab. Ferrari kann bei den vier ausstehenden Rennen somit maximal auf 531 Punkte kommen. Die haben die Silberpfeile schon jetzt gesammelt. Da Mercedes aktuell 12 und Ferrari nur 3 Siege eingefahren hat, steht der Konstrukteursweltmeister fest.

Zudem wurde auch Alonso bestraft. Er erhielt 5,0 Sekunden auf seine Zielzeit addiert, weil er wiederholt die Streckenbregrenzung missachtet hatte. Dadurch verlor er Platz 10 an Toro-Rosso-Pilot Max Verstappen. Der Niederländer hat somit in seiner Debüt-Saison mehr als die Hälfte der Rennen in den Punkten beendet.

Mann des Rennens: Sergio Perez. What a ride! Sergio Perez ist das Glückskind der Formel 1. Immer wenn ihm sein Auto die Chance zu glänzen gibt, ist der Mexikaner zur Stelle. In Sotschi kontrollierte er seinen Fahrstil, nachdem er in Runde 12 den weichen Satz Slicks in der Box abgeholt hatte. Besonders in den schnellen Kurven nahm er Gas raus und schonte so die Vorderreifen. Weil Ricciardo hinter ihm mit derselben Strategie rundenlang Bottas abblockte, hätte er beinahe aus eigener Kraft Platz 3 geholt. Das Glück des Tüchtigen bescherte ihm den fünften Podestplatz seiner Karriere dann wirklich.

Flop des Rennens: Vettel hängte ihn einmal mehr ab, doch das ist fast normal. Kimi Räikkönen verschätzte sich - um Meilen. Der Angriff auf Bottas in der Schlussrunde war übermotiviert und aussichtslos. Der Ferrari-Finne zerstörte nicht nur das Rennen des Williams-Piloten, er verlor auch selbst einen Platz. Zudem riskierte er eine Strafe, die er letztlich auch bekam und Mercedes so den vorzeitigen Sieg in der Konstrukteurs-WM bescherte.

Das fiel auf:

  • Rosberg hatte am Samstag angekündigt, intensives Videostudium für den Start zu betreiben. Er entschied sich für die richtige Variante und blockierte entschieden die Innenbahn. Das Mercedes-Duell gewann der Deutsche so und fiel gleich danach aus. Der Dämpfer des Gaspedals, der Erschütterungen durch die Strecke ausgleicht, hatte versagt.
  • Hamilton reagierte auf Rosbergs Ausfall, indem er direkt das Tempo herausnahm. Der Grund? Sotschi ist eine der Spritfresser-Strecken im Kalender. Mercedes sparte Benzin, um für die Eventualität einer späten Safety-Car-Phase gewappnet zu sein. Vor den Boxenstopps zog der Weltmeister dann das Tempo an und baute die Lücke zu Bottas auf 12 Sekunden aus.
  • Williams reagierte beim Bottas-Boxenstopp richtig, verlor aber trotzdem den Kampf um Platz 2. Der Finne wurde mit den Supersofts immer langsamer und lief Gefahr, auf der Strecke überholt zu werden. Das Problem: Er kam mitten im Pulk wieder auf die Strecke und konnte die neuen Slicks nicht optimal nutzen.
  • Die frühen Stopps unter Safety-Car-Bedingungen zahlten sich aus. Perez und Ricciardo kamen so vor Bottas und Räikkönen wieder auf die Strecke. Wären sie nicht früh hereingekommen, hätten sich die Finnen unter normalen Umständen ein Polster erarbeitet. Überholen in Sotschi ist mit gleich alten Reifen allerdings nur bei Fehlern des Vordermannes drin. So wurde Perez Podestplatz erst möglich.

Die Formel-1-Saison 2015 im Überblick

Artikel und Videos zum Thema