Mercedes coacht Hamilton zum Sieg

Lewis Hamilton ließ auch Teamkollege Nico Rosberg einmal mehr hinter sich
© getty

Formel-1-Weltmeister Lewis Hamilton hat zum vierten Mal in seiner Karriere den Großen Preis von Kanada gewonnen. Der 30-Jährige Brite kontrollierte das Rennen in Montreal vom Start weg und gab nur für einen Umlauf die Führung an seinen Teamkollegen Nico Rosberg ab, der mit 2,2 Sekunden Rückstand Zweiter wurde.

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Hamilton und Rosberg mussten allerdings zittern. Bremsverschleiß und Benzinverbrauch machten Probleme, doch beide Piloten brachten ihre Autos am Ende mit Hilfe der Ingenieure ins Ziel. Hamilton kontrollierte dabei die den Abstand nach Belieben, von seinem Teamkollegen ging nie echte Gefahr aus.

Platz 3 erbte Williams-Pilot Valtteri Bottas von Kimi Räikkönen. Der Ferrari-Pilot hatte sich nach seinem Boxenstopp gedreht und dabei viel Zeit und einen Platz verloren.

Das gesamte Ergebnis im Überblick

Schon als Fünfter überquerte Sebastian Vettel im zweiten Ferrari die Ziellinie. Der vierfache Weltmeister war nach technischen Problemen im Qualifying und einer Strafe nur als 18. gestartet, kämpfte sich aber mit sehenswerten Aktionen durchs Feld. Dabei berührte er Dauerrivale Fernando Alonso und fast auch noch Nico Hülkenberg.

Der Force-India-Pilot profitierte auf der Ile de Notre Dame vom starken Mercedes-Motor und fuhr mit Platz 8 das drittbeste Resultat seines Teams in dieser Saison ein. An Felipe Massa im Williams (5.) und Pastor Maldonado (6.) im Lotus kam er aber nicht mehr heran.

Neunter wurde Daniil Kvyat im Toro Rosso, Zehnter Romain Grosjean (Lotus). Der Franzose wurde der wegen einer Kollision beim Überrunden mit einer Zeitstrafe belegt, blieb aber knapp vor Sergio Perez (Force India).

In der Fahrer-WM nimmt Hamilton (151 Punkte) 17 Zähler Vorsprung auf Teamkollege Rosberg (134) mit nach Österreich. Vettel (108) hat 43 Punkte Rückstand auf den Führenden, Räikkönen (78) folgt mit Respektabstand.

Die Reaktionen:

Toto Wolff (Mercedes-Motorsportdirektor): "Wir sind nicht immer Idioten. Wir waren beim Sprit immer wieder über dem kritischen Limit. Wir waren uns auch nicht sicher, ob wir auf ein oder zwei Stopps gehen sollen. Hätte Nico vorne gestanden, hätte er das Rennen wohl gewonnen."

Lewis Hamilton (Mercedes): "Ich fühle mich nicht, als müsste ich erleichtert sein. Ich war auch am gesamten letzten Wochenende der Schnellste. Ich hatte viel Untersteuern. Im Cockpit war es nicht so bequem, wie es vielleicht nach außen hin wirkte. Das Rennen war ganz schön intensiv."

Nico Rosberg (Mercedes): "Ich habe gekämpft wie sonst was, um Druck aufzubauen. Dass er einen Fehler macht, war meine einzige Chance. Aber er hat sich keinen geleistet und verdient gewonnen."

Valtteri Bottas (Williams): "Kimis Fehler hat uns erlaubt, eine Position gut zu machen. Wir haben dieses Ergebnis wirklich gebraucht."

Sebastian Vettel (Ferrari): "Es war ein langweiliges Rennen. Ich weiß nicht, ob die zwei sich wirklich duelliert haben. Es ist schade, wir hätten heute ein bisschen mitmischen können, wenn wir weiter vorne gestartet wären."

Der Spielfilm:

Vor dem Start: Vettel kassiert eine Strafversetzung um fünf Plätze für ein illegales Überholmanöver im 3. Training und geht von Rang 18 ins Rennen. Dahinter steht Verstappen, der zusätzlich beim ersten Boxenstopp zehn Sekunden warten muss, weil er seine sieben Strafplätze für den neuen Verbrennungsmotor nicht absitzen konnte. Als Letzter startet Jenson Button, der in den ersten drei Runden eine Durchfahrtsstrafe absitzt, weil er ohne Zeit im Qualifying keinen einzigen seiner 15 Plätze für den fünften Turbolader und die fünfte MGU-H antreten kann.

RE-LIVE: Das ganze Rennen im Ticker

Start: Hamilton kommt ordentlich weg und schiebt sich vor Rosberg. Der Deutsche zuckt kurz nach innen, hat Räikkönen neben sich. Der Iceman muss in Turn 2 aber die weite Linie nehmen. Bottas schiebt sich fast vorbei. Dahinter überholt Hülkenberg in Turn 3 Maldonado auf der Außenbahn für Platz 6.

Runde 7: Vettel hat sich nach vorn gearbeitet und verfolgt Massa, der hinter Ericsson hängt. Der Brasilianer hat allerdings die härteren, soften Slicks drauf und kommt nicht vorbei. Ferrari holt den Deutschen rein, der Boxenstopp geht schief: Vettel steht 6,6 Sekunden lang - drei Sekunden länger als gewöhnlich. Er kommt als 17. raus, hinter ihm fahren Button und die beiden Manor.

Runde 9: Starker Zweikampf! Massa setzt sich auf der Zielgeraden neben Ericsson, der Schwede hält in Turn 2 auf der Außenbahn dagegen, Massa driftet spektakulär. Gleichauf fliegen beide auf Turn 3 zu, doch Massas Williams beschleunigt schneller. Platz 11 für den Brasilianer.

Runde 20: Berührung zwischen Vettel und Alonso! Der Deutsche will vor der Zielschikane an seinem Ferrari-Vorgänger vorbei, der lässt sich aber nicht abkochen und schneidet die zweite Kurve. Kurzer Kontakt, beide fahren weiter. Einen Umlauf später versucht es Vettel wieder und wieder hält Alonso dagegen. Doch der Deutsche beschleunigt ihn auf der Zielgeraden aus und macht danach mit Verstappen und Sainz jr. kurzen Prozess. Platz 13.

Runde 27: Ferrari macht Druck! Räikkönen kommt zum Boxenstopp, Rosberg muss Gas geben. Doch die Gefahr löst sich in Luft auf: Der Iceman dreht sich in der Haarnadel. "Genau das gleiche ist letztes Jahr passiert", regt er sich über Funk auf. Da setzte die Leistung plötzlich mit voller Gewalt ein. Das Durchdrehen der Hinterräder beim Wenden des Autos dürfte den Slicks nicht gerade gut bekommen sein. Bottas kommt bei seinem Stopp vorbei und übernimmt Rang 3.

Runde 29: Hamilton cruist zum Reifenwechsel und überlässt Rosberg Platz 1. Der Deutsche verbremst sich in der Haarnadel und lässt viel Zeit liegen. Er bleibt nach seinem Boxenstopp in der nächsten Runde Zweiter. Trotzdem kommt er drei Sekunden näher an seinen Teamkollegen heran.

Runde 36: Vettel fährt zum zweiten Stopp und bekommt einen neuen Satz der härteren Reifen. Damit kann er durchfahren. Zwei Runden später kommt Massa als Siebter zum ersten Wechsel und tauscht soft gegen supersoft. Halten sie bis zum Ziel? Vettel jagt derweil als Achter Hülkenberg, der ihn dank besserer Traktion rundenlang abwehrt.

Runde 41: Räikkönen kommt nochmal zum Stopp. Ferrari geht im Kampf ums Podium Risiko und verpasst ihm die superweichen Reifen. Räikkönen bleibt Vierter und muss knapp 20 Sekunden Rückstand auf Bottas zufahren. Derweil stoppt Verstappen erstmals.

Runde 43: Fast schon wieder eine Berührung von Vettel! Dieses Mal mit Hülkenberg, wieder in der Zielschikane. Der vierfache Weltmeister setzt sich beim Anbremsen außen daneben, sein Landsmann verliert die Kontrolle und dreht sich. Vettel fährt glücklicherweise über die Abweiser auf der Kurveninnenseite und entgeht damit dem Crash. Er fällt aber hinter Massa auf Rang 9 zurück.

Runde 47: Alonso stellt den McLaren-Honda in der Box ab. Vierter Ausfall im sechsten Rennen seit der Rückkehr zu McLaren. Dritter hintereinander. Das kam letztmals in seiner Debüt-Saison mit Minardi im Jahr 2001 vor.

Runde 50: Grosjean und Stevens stehen plötzlich an der Box, die Crews waren nicht vorbereitet. Der Lotus-Pilot funkt: "He hit me! He hit me!" Anders herum wird ein Schuh draus: Der Franzose zog beim Überrungen des Manor-Piloten vorm Einbiegen auf die Zielgerade einfach nach außen und führte damit die Kollision selbst herbei. Die Stewards belegten ihn deshalb mit einer Fünf-Sekunden-Strafe.

Runde 56: Vettel überholt Maldonado vor der letzten Schikane. Fünfter. Vor ihm sind nur noch Hamilton, Rosberg, Bottas und Räikkönen. Auf seinen Teamkollegen fehlen ihm zwölf Sekunden.

Runde 58: Feierabend für McLaren-Honda. Auch Button fährt in die Box und stellt das Auto ab.

Runde 64: Roberto Mehir rollt ebenfalls aus, das wäre dann Ausfall Nummer 3.

Ziel: Lewis Hamilton gewinnt völlig ungefährdet vor Nico Rosberg, das finnische Duell um den dritten Platz auf dem Podium geht an Valtteri Bottas. Vettel verbessert sich um 13 Plätze und wird Fünfter.

Mann des Rennens: Felipe Massa legte einen Husarenritt hin. Auf 39 Runden auf den härteren Reifen ab dem Start folgten 31 Runden auf den superweichen. So lange hielt kein anderer durch. Mit kontrollierter Fahrweise überholte der Brasilianer im Williams trotzdem nach Belieben und machte aus Startplatz 15 bis zur Zieldurchfahrt Rang sechs. Nach Vettel die größte Aufholjagd.

Flop des Rennens: Daniel Ricciardo. Was für eine Enttäuschung! Der Vorjahressieger kommt nur auf Rang 13 ins Ziel, obwohl er weder technische Probleme noch einen Unfall hat. Red Bull ist fernab von der Leistungsfähigkeit der Weltmeisterjahre, doch Kvyat kaschierte das besser. Der Russe holte immerhin noch zwei Punkte.

Das fiel auf:

  • Pferdestärken und Traktion sind auf der Ile de Notre Dame entscheidend. Deswegen tat sich Vettel schwer, als er in die Top 10 vorstieß: Gegen die von Mercedes-Powerunits angetriebenen Force India, Lotus und Williams bekam der Deutsche Probleme.
  • Mercedes hatte einfaches Spiel: Weil es kälter war als am Samstag, bekam Räikkönen keinen Stich. Hamilton kontrollierte an der Spitze das Rennen, bis er nach dem Stopp plötzlich vier Sekunden Vorsprung auf Rosberg verlor. Warum der Deutsche danach wieder etwas abreißen ließ? Sein Bremsverschleiß war zu hoch. Er musste zehn Runden lang Körner für einen finalen Angriff sparen.
  • Ein weiterer kritischer Punkt in Montreal: Der Benzinverbrauch ist durch das ständige Herausbeschleunigen aus sehr langsamen Kurven extrem hoch. Hamilton musste deshalb zehn Runden vor Schluss etwas langsamer fahren. Beim "Lift and Coast"-Verfahren nimmt der Fahrer früher den Fuß vom Gas und segelt im Leerlauf bis zum eigentlichen Bremspunkt. Hamiltons Renningenieur erklärte: 50 Meter sind ausreichend, in den letzten zwei Runden wurden es 100 Meter. Eigentlich sind Anweisungen zum Fahrstil per Funk ja verboten...
  • Kurioser Funkverkehr deshalb auch bei McLaren-Honda: Alonso sollte schon in Runde 25 von 70 Benzin sparen. "Ich will nicht", erwiderte er. Der Ingenieur erklärte, dass am Ende des Rennens nicht genug Sprit im Tank sein und er Probleme bekommen würde. "Wir haben jetzt Probleme", so der Spanier, der ohne Chance zu überholen im hintersten Mittelfeld herum fuhr.

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