Formel 1 - Kommentar zum peinlichen Verhalten der Rennleitung beim Saudi-Arabien-GP: Feilscherei wie auf einem Basar

Von Christian Guinin
Max Verstappen, Lewis Hamilton
© getty

Beim Großen Preis von Saudi-Arabien findet das WM-Duell zwischen Max Verstappen und Lewis Hamilton einen neuen Höhepunkt. Während sich beide Kontrahenten auf der Strecke ein packendes Duell inklusive Positionswechsel und Kollision liefern, gibt die Rennleitung jedoch einmal mehr ein erschreckendes Bild ab, welches diesem WM-Showdown nicht würdig ist. Ein Kommentar.

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Manch einer dürfte sich bei den Szenen beim Saudi-Arabien-GP an einen ähnlichen Vorfall aus dem Jahr 2017 erinnert haben. Beim damaligen Großen Preis von Aserbaidschan verringert der in Führung liegende Lewis Hamilton beim Aufwärmen seiner Reifen hinter dem Safety Car plötzlich deutlich seine Geschwindigkeit.

Der unmittelbar hinter ihm fahrende Sebastian Vettel, damals noch in Diensten der Scuderia Ferrari, kann dem stark verlangsamten Boliden vor ihm nicht mehr ausweichen und kracht Hamilton ins Heck. Nach Sichtung der Daten spricht die Rennleitung schließlich keine Strafe gegen Hamilton aus. Der Brite habe der Untersuchung zufolge weder gebremst noch sei er komplett vom Gas gegangen.

Nun, mehr als vier Jahre später, ist Hamilton beim Rennen auf dem Jeddah Street Circuit derjenige, der seinem Konkurrenten Max Verstappen ins Heck kracht. Dieses Mal ist es jedoch der Niederländer, der Stunden nach der Zieleinfahrt mit einer 10-Sekunden-Zeitstrafe belegt wird. Diese ändert glücklicherweise nichts am Endergebnis, betrachtet man die Umstände des Crashs aber genauer, ist die Entscheidung der Rennleitung ein handfester Skandal.

Doch der Reihe nach: Nach einer Berührung zwischen Kimi Räikkönen (Alfa Romeo) und Sebastian Vettel (Aston Martin) in Runde 33 lagen mehrere Trümmer-Teile auf der Strecke, die Rennleitung entschied sich daher richtigerweise für den Einsatz des Virtual Safety Cars (VSC). Bei VSC-Ende in Runde 37 erwischte Hamilton den deutlich besseren Ausgang aus der letzten Kurve und setzte am Ende der Start-und Zielgeraden zum Überholen an.

Hamilton-Verstappen-Crash: Mercedes bekommt keinen Hinweis der Rennleitung

Verstappen ließ dies nicht kampflos über sich ergehen, bremste sehr spät in die erste Kurve und drängte beide Autos von der Strecke ab - behielt aber seine Position. Erst nach mehreren Beschwerden von Mercedes forderte ihn sein Renningenieur Gianpiero Lambiase dazu auf, Hamilton überholen zu lassen. Taktisch clever wählte Verstappen das kurze Geraden-Stück nach Kurve 25 für das Vorbeilassen, um in der darauffolgenden DRS-Zone kontern zu können.

Der von hinten kommende Hamilton war auf das Manöver jedoch überhaupt nicht vorbereitet. Sichtlich überrascht vom langsamen Verstappen vor ihm bremste der Mercedes Pilot zu spät und krachte ins Heck des RB-Boliden. Verstappen sah bei dem Manöver zugegeben nicht unbedingt gut aus. Dass es überhaupt zu einer Kollision kommen konnte, ist jedoch dem Versagen der Rennleitung geschuldet.

Diese hatte Mercedes nämlich zu keinem Zeitpunkt über das Vorhaben von Verstappen, Hamilton vorbeizulassen, informiert.

"Ich habe die Nachricht erst hinterher bekommen, dass er uns vorbeilassen würde. Das war etwas verwirrend", sagte Hamilton. Auch Mercedes Teamchef Toto Wolff bestätigte die Unkenntnis. Sein Pilot habe "nicht gewusst", dass Verstappen die Anweisung erhalten hatte, ihn vorbeizulassen, so Wolff. "Sollte es eine Verwirrung gegeben haben und die Fahrer nicht richtig informiert worden sein, dann spielt das eine große Rolle."

Marko: "Dann macht man da im Rennen Angebote"

Doch nicht nur diesbezüglich machte die Rennleitung rund um Michael Masi in Dschidda keinen sonderlich guten Job. Auch beim Manöver von Verstappen gegen Hamilton nach dem ersten Restart schien man auf Seiten der FIA weniger den eigenen Regeln zu folgen. Es schien eher so, als wollte man um keinen Preis die Wut eines der beiden Top-Teams auf sich ziehen. Anstatt Verstappen für sein Vergehen dem Reglement nach zu bestrafen, unterbreitete Masi Red Bull das Angebot, beim nächsten Restart von weiter hinten zu starten. Eine Feilscherei wie auf einem Basar.

"Es war eine völlig neue Situation. Ich habe gedacht, Regeln sind irgendwo fix. Und dann macht man da im Rennen Angebote", schüttelte Red Bulls Motorsportchef Helmut Marko den Kopf. Auch Teamchef Christian Horner war vom Vorgehen der Rennleitung überrascht: "Ich glaube, es gibt zu viele Regeln. Und es fühlte sich heute so an, als würde Charlie Whiting (ehemaliger FIA-Renndirektor, Anm. d. Red.) der Formel 1 fehlen. Tut mir leid, wenn ich das sage, aber die Erfahrung, die er besaß ..."

Beinahe wirkt es so, als würde die Rennleitung auf keinen Fall mit einer Entscheidung das Titelrennen beeinflussen wollen. Das ist aus Sicht des Sports zwar löblich, agiert man jedoch - wie es in Dschidda der Fall war - zu zögerlich und nicht nachvollziehbar, entstehen genau solche Situationen. Das kann vor einem Saisonfinale, welches mit zwei punktgleichen Kontrahenten kaum spannender sein könnte, nun wirklich niemand wollen.

Wenn man sich die Hitze des aktuellen Fights zwischen Verstappen und Hamilton ansieht, ist es nicht unwahrscheinlich, dass es auch am nächsten Wochenende in Abu Dhabi zu strittigen Situationen kommen könnte. Dann muss die Rennleitung aus dieser Situation gelernt haben. Das Bild, was sie aktuell abgibt, ist dieser Weltmeisterschaft nämlich nicht würdig.

Formel 1: Die WM-Wertung nach 21 von 22 Rennen

  • Fahrerwertung:
PlatzFahrerTeamPunkte
1Max VerstappenRed Bull369,5*
2Lewis HamiltonMercedes369,5*
3Valtteri BottasMercedes218
4Sergio PerezRed Bull190
5Charles LeclercFerrari158
6Lando NorrisMcLaren154
7Carlos SainzFerrari149,5*
8Daniel RicciardoMcLaren115
9Pierre GaslyAlphaTauri100
10Fernando AlonsoAlpine77
  • Konstrukteurswertung:
PlatzTeamPunkte
1Mercedes587,5*
2Red Bull559,5*
3Ferrari307,5*
4McLaren269
5Alpine149
6AlphaTauri120
7Aston Martin77
8Williams23
9Alfa Romeo13
10Haas0

*Beim 12. WM-Lauf in Belgien wurden aufgrund der nicht vollständig absolvierten Renndistanz nur halbe Punkte vergeben.

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