Formel 1 - Zum Tod von Niki Lauda: Der ewige Kämpfer

Niki Lauda 2014 am Start eines Legendenrennens.
© getty

Niki Lauda ist im Alter von 70 Jahren gestorben. Das Leben des dreimaligen Formel-1-Weltmeisters war geprägt von zahlreichen Kämpfen: gegen die Familie, gegen Schmerzen, gegen den Tod - und immer mit ausgesprochener Hartnäckigkeit. Ein Nachruf.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

"Ich komme wieder zurück und es geht volle Pulle bergauf", kündigte Niki Lauda in einer Videobotschaft zu seinem 70. Geburtstag im Februar diesen Jahres an. Seit dem vergangenen Sommer hatte er sich aus der Öffentlichkeit zurückgezogen und vom Formel-1-Zirkus ferngehalten. Gezwungenermaßen, denn sein Gesundheitszustand ließ es nicht zu, dass der Lebemann so leben durfte, wie er wollte.

Eine Grippe, die er sich im Urlaub auf Ibiza einfing, verschlimmerte sich so sehr, dass eine Lungentransplantation notwendig wurde. Die Ärzte versetzten Lauda für mehrere Tage ins künstliche Koma und zwangen ihn auch in den Monaten danach zur steten Ruhe.

"Ich komme wieder zurück und es geht volle Pulle bergauf" - darauf hoffte trotzdem nicht nur Lauda selbst, sondern auch Mercedes, wo er seit 2012 Aufsichtsratschef war, und die gesamte Formel-1-Welt. Vergebens. Andreas Nikolaus Lauda, wie der Österreicher mit vollem Namen hieß, schaffte den Weg zurück nicht. Sein mitgenommener Körper verlor den Kampf gegen den Tod am Montag im Kreise der Familie.

Niki Laudas Feuer-Unfall auf dem Nürburgring

Es war der letzte Kampf von vielen, die Lauda in 70 Jahren zu bewältigen hatte. Den wohl größten, weil heftigsten, bestritt der Wiener 1976. "Ich komme wieder zurück und es geht volle Pulle bergauf", hätte Lauda auch damals sagen können. Schließlich überlebte er auf dem Nürburgring einen der verheerendsten Unfälle der Motorsportgeschichte.

Auf der Nordschleife verlor er bei nassen Bedingungen die Kontrolle über seinen Ferrari und krachte nach einem Linksknick rechts in eine Felswand. Sein Helm flog ihm durch den Aufprall vom Kopf und durch die Luft. Der Wagen ging sofort in Flammen auf, mehrere Piloten hinter ihm krachten in die Unfallstelle.

Die Reste von Laudas Rennwagen nach dem Unfall am Nürburgring.
© imago
Die Reste von Laudas Rennwagen nach dem Unfall am Nürburgring.

55 Sekunden lang saß Lauda in der 800 Grad heißen Flammenhölle. Schwerste Verbrennungen überzogen sein Gesicht, er atmete giftige Dämpfe ein, die seine Lunge verätzten. Nur dank der Hilfe von Rennfahrer-Kollege Aruto Merzario, der ihn aus dem Cockpit zog, entfloh Lauda dem Feuer und taumelte über die Strecke, bis er von Rettungskräften in ein naheliegendes Krankenhaus gebracht wurde.

Dort bekam Lauda die heilige Ölung. Dass er die kommende Nacht überleben würde, glaubten selbst die Ärzte nicht.

Doch Lauda kämpfte. Und überlebte.

Niki Lauda trotzt schlimmsten Schmerzen

Die Wochen danach waren für den hageren Piloten eine reine Tortur. Immer wieder musste - bei vollem Bewusstsein - seine Lunge abgesaugt werden. Schmerzen, die man sich als Normalsterblicher kaum vorstellen kann. Doch Lauda war eben kein Normalsterblicher. Er war mehr. Und so hielt er nicht nur die Therapie durch, sondern feierte gerade einmal 42 Tage nach seinem Unfall das Comeback beim Großen Preis von Italien.

Nachdem Lauda sich im Freitagstraining noch "beinahe in die Hose geschissen" hatte, fuhr er am Sonntag das Rennen konsequent zu Ende und wurde umjubelter Vierter. Trotz brennender Schmerzen unter dem Helm. Trotz blutender Wunden. Und trotz der Tatsache, dass er kaum blinzeln und nur schwer sehen konnte. "Entweder du löst das Problem und fährst wieder oder du hörst auf", erklärte Lauda die Entscheidung auf seine typisch rationale Art und Weise.

Rational handelte er auch einige Wochen später beim Großen Preis von Japan, als er seinen Wagen nach zwei Runden zur Überraschung aller in der Boxengasse abstellte. Der strömende Regen von Fuji machte ihm das Fahren zu gefährlich. Den WM-Titel? Überließ Lauda freiwillig seinem großen Rivalen James Hunt.

Formel-1-Traum: Niki Lauda überwarf sich mit seiner Familie

Ganz oder gar nicht - so könnte sein Lebensmotto gelautet haben. Denn alles, was Lauda anpackte, machte er mit voller Hingabe. So pochte er, der mit 15 Jahren sein erstes Auto kaufte, schon früh auf eine Chance im Motorsport. Er fälschte erst sein Schulabschlusszeugnis, um die wohlsituierte Familie zufriedenzustellen, nur um sich dann doch mit dieser zu überwerfen, als er am Rennsport festhielt.

Um seine Leidenschaft zu finanzieren - Lauda war mittlerweile erfolgreich in einigen Nachwuchsserien unterwegs -, rannte er von Bank zu Bank und sammelte Kredite. Schließlich war es die Raiffeisenbank, die ihm 1972 ein Darlehen in Höhe von zwei Millionen Schilling gab und so den Einstieg in die Formel 1 möglich machte.

Nach Stationen bei March Ford und B.R.M. verpflichtete ihn Ferrari - ein altes italienisches Team, das zwar auf einige Erfolge zurückblicken konnte, in der damaligen Gegenwart aber im Niemandsland fuhr.

Mit Laudas Hilfe gelang es, die stolze Scuderia wieder nach oben zu führen. Der 25-fache GP-Sieger war dabei nie der mit dem größten Fahrtalent. Es war vielmehr die Detailverliebtheit und ein ausgeprägtes technisches Verständnis, das Lauda zu insgesamt drei WM-Titeln fahren ließ.

Niki Lauda: "Warum soll ich wie ein Trottel im Kreis fahren?"

Diesen unbändigen Ehrgeiz verspürte er allerdings nicht für immer. Also lieber gar nicht als ganz, dachte sich Lauda, stieg während des Trainings zum Kanada-GP 1979 aus seinem Boliden aus - und beendete seine Karriere. Einfach so. Ohne Vorankündigung: "Warum soll ich wie ein Trottel mit anderen im Kreis fahren?"

So wirklich kam Lauda dann aber doch nicht ohne dieses trottelige im Kreis fahren aus. Nach drei Jahren Pause kehrte er in die Formel 1 zurück und schnappte sich 1984 im McLaren seinen letzten Titel - mit einem halben Punkt Vorsprung vor seinem aufstrebenden Teamkollegen Alain Prost. Bis heute die knappste WM-Entscheidung überhaupt.

Als Lauda ein Jahr später seine Fahrerkarriere dann ein zweites Mal und diesmal endgültig beendete, feierte er seinen laut eigener Aussage größten Sieg: Er hatte die Formel 1 im Gegensatz zu vielen seiner verunglückten Kollegen überlebt.

Flugzeugabsturz: Niki Laudas größte Tragödie?

Die Nachwehen seines schweren Unfalls am Nürburgring spürte Lauda dennoch all die Jahre. Seine Lunge funktionierte nie mehr einwandfrei und vor allem seine Nieren machten Probleme. 1997 spendete ihm Bruder Florian eine Niere, 2005 seine zweite Frau Birgit.

Trotzdem hielt Lauda nie seine Füße still. Als gelernter Pilot stieg er schon kurz nach dem Karriereende ins Airline-Geschäft ein und machte seine "Lauda Air" zu einer erfolgreichen Fluglinie. Doch kam es auch hier zur Tragödie: 1991 stürzte eine seiner Maschinen in Thailand ab, 223 Menschen starben.

Es war eine der dunkelsten Stunden in Laudas Leben. Und eine Situation, die seine Hartnäckigkeit unter Beweis stellte: So flog er nicht nur zu den Angehörigen, um sein Beileid auszusprechen, sondern ging der Unfallursache - ein Konstruktionsfehler von Boeing - mit zahlreichen schlaflosen Nächten bis ins kleinste Detail auf den Grund. Hätten er und seine Fluglinie eine Mitschuld an der Tragödie gehabt, Lauda hätte die Fliegerei sofort gestoppt.

Mit Niki Lauda geht auch ein Stück Formel 1

Das musste er nicht, und so arbeitete Lauda bis zuletzt immer wieder erfolgreich im Linienflug-Business. Nichtsdestotrotz verlor der Vater von fünf Kindern seine große Liebe, die Formel 1, nie aus den Augen. Ob als Ferrari-Berater in den 90er-Jahren, als Teamchef von Jaguar oder aber als TV-Experte für RTL - Lauda war immer ein fester Bestandteil des Fahrerlagers.

Vor allem als Experte machte sich der Mann mit dem roten Kapperl auch beim jüngeren Publikum einen Namen. Immer direkt, immer mit kernigem Humor und immer mit Wiener Schmäh - so haben ihn Millionen von Zuschauern lieben gelernt.

Lauda gehörte zur Königsklasse des Motorsports wie kaum ein Zweiter. Mit seinem Tod geht somit nicht nur ein ewiger Kämpfer, sondern auch ein Stück Formel 1. Für immer und irgendwie auch für niemals - denn in Erinnerung wird Lauda auf alle Zeiten bleiben.

Auch wenn das dem Anti-Sentimentalisten wohl gar nicht so recht wäre. Er wusste in seiner nüchternen Art schließlich schon immer: "Jeder Mensch stirbt irgendwann, das ist ein Faktum."

Niki Lauda in der Formel 1

GP-Starts171
Siege25
Podestplätze54
Pole Positions24
WM-Titel3
TeamsMarch, B.R.M., Ferrari, Brabham, McLaren
Artikel und Videos zum Thema