Las Vegas - und dann?

Vor der Skyline von Las Vegas soll künftig ein Formel-1-Rennen stattfinden
© getty

Der große Aufschrei blieb aus. Heimlich, still und leise arbeitet die Formel 1 daran, noch mehr Märkte zu erobern. Mit einem Rennen in Las Vegas soll die Königsklasse des Motorsports sich wirklich in den USA etablieren. Doch auch für Asien und Südamerika gibt es neue Pläne, ein Rennen in Afrika soll in den Kalender aufgenommen werden. Der Abschied von Europa steht bevor. Doch ist das überhaupt schlimm?

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Es ist die Gretchenfrage der Formel 1, der sich die Entscheider derzeit hinter den Kulissen stellen: Wie viele Rennen in Europa braucht die Königsklasse? Wie viele Grands Prix auf dem alten Kontinent, der seit jeher das Zentrum des Automobilsports war, sind nötig, damit die Königsklasse ihren Markenkern nicht verliert?

Wer die Antwort wissen will, muss suchen. Die Formel 1 wird von einem Board of Directors gesteuert. An der Spitze: Bernie Ecclestone und Donald Mackenzie für Rechteinhaber CVC. Daneben vermeintlich unbekannte Namen.

Peter Brabeck-Letmathe etwa: Präsident des Verwaltungsrats von Nestle, gleichzeitig sitzt er bei L'Oreal, Credit Suisse, ExxonMobile und der Formel 1 im Vorstand. Geschätztes Privatvermögen? 250 Millionen Euro, vornehmlich in Nestle-Aktien.

Oder Sir Martin Sorrell: Gründer und Geschäftsführer von WPP, einer Werbe- und Kommunikationsagentur mit 124.000 Angestellten und einem Umsatz von 15 Milliarden Euro im Jahr 2014. Sorrells Vermögen? Über 220 Millionen Euro. Selfmade. Sein Vater emigrierte aus der Ukraine nach London und betrieb einige Elektrogeschäfte.

Die Entscheider im Schatten von Ecclestone

Brabeck-Lemanthe und Sorrell mögen in der Sportwelt unbekannt sein. Sie mögen sich öffentlich kaum äußern. Doch das ist für ihren Stellenwert irrelevant. Ihre Expertise in der Geschäftswelt ist immens. Umso sorgfältiger muss man hinhören, wenn sich einer von ihnen äußert, wie es Sorrell zuletzt in einem Interview auf der Webseite der Formel 1 tat. Seine Gedanken und Ideen werden umgesetzt. Er ist nicht Bernie Ecclestone, der je nach Gefühlslage öffentlich Nebelkerzen zündet, um andere Parteien zu beeinflussen.

Um Sorrells Pläne zu verstehen, muss man den Menschen Sorrell verstehen, den Selfmade-Multimillionär. Studium am Christ's College, in Cambridge und schließlich ein Master of Business Administrations der Harvard University. Fachmann für Geschäftsübernahmen. Ab 1985 machte er aus Wire and Plastic Products, einem Hersteller von Einkaufskörben, den heutigen Kommunikationsspezialisten WPP Group. 18 Übernahmen von Kleinstagenturen in den ersten drei Jahren, danach die feindliche Übernahme der einflussreichen Agentur J. Walter Thompson. Weitere folgten.

Werbeagenturen, Regierungslobby- und Öffentlichkeitsarbeit, Media-, Consulting- und Forschungsagenturen - mittlerweile ist das meinungsmachende Geschäftsfeld der Gruppe riesig. Selbst die Agentur, die für Barack Obama per Internetwahlkampf den Weg ins Weiße Haus ebnete, gehört mittlerweile zu Sorrells Imperium.

Unterhaltung statt Sport

Erinnerungen an eine vermeintlich bessere Vergangenheit sind für Sorrell lediglich romantisches Geplänkel. Die heutige Formel 1 ist für ihn Familienunterhaltung, ein fester Bestandteil des Sonntagsprogramms. Der Motorsport liefert dafür nur die Grundlage.

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"Sie ist Entertainment und sie steht im Wettstreit mit anderen Entertainment-Arten - und nicht mit anderen Rennformaten", leitet Sorrell seine Ausführungen im Interview ein. Ein elementarer Satz.

WEC, MotoGP, WRC? Uninteressant.

Formel 1 größer als Fußball-WM und Olympia?

"Tatsächlich gibt es nur drei Sportevents, wenn man nach einer globalen Plattform sucht", sagt Sorrell: "Die machtvollsten oder gleichrangig machtvollen sind die Fußball-Weltmeisterschaft, die Olympischen Spiele und die Formel 1 - und da wird es interessant. Guckt man sich die Sponsorenerträge an, generiert die Formel 1 - weil sie jedes Jahr stattfindet - in einem Vierjahreszeitraum mehr Sponsorengelder als alles andere."

1,7 Milliarden Dollar pro Jahr setzt die Formel 1 um - ohne die von den Rennställen eingenommenen Sponsorengelder zu berücksichtigen. Doch der Gewinn für Rechteinhaber CVC stagniert. Weil Mercedes zu stark ist. Die Stuttgarter kassieren einen üppigen Bonus für ihre Verpflichtung, bis zur Saison 2020 an der Formel 1 teilzunehmen. Den sicherte ihnen Bernie Ecclestone zu. "Ich habe zu unserem Vorstand gesagt: 'Die werden niemals eine Meisterschaft gewinnen, und zwei schon gar nicht.' Aber sie haben mich abgezockt und zwei Meisterschaften gewonnen", gab der Brite zuletzt zu.

Für die Rechteinhaber ist das ein Problem. Eine unterhaltungsfreundliche Ausrichtung der Formel 1 mit annähernd ebenbürtigen Teams unterstützt nebenbei den Profit der Rechteinhaber. Aktuell kassieren aber nur die großen, erfolgreichen Teams. Force India und Sauber haben die EU angerufen, die Preisgeldstruktur zu überprüfen.

Wie Ecclestone die Teams ins Boot holt

Ecclestone weiß um die möglichen Auswirkungen. Er hat Änderungen angekündigt. Nachverhandlungen, denen alle Konstrukteure zustimmen müssen. Die kleinen Teams sollen ein größeres Stück vom Kuchen bekommen: "Wir wollen sicherstellen, dass sie in einer solchen Position sind, wenn sie performen. Sie werden dann in der gleichen Position wie jeder andere sein. Ich denke, dass sie darüber glücklich sein werden, denn im Moment sind sie es nicht."

Dass Mercedes dem zustimmt? Gut möglich. Die Stuttgarter sehen die Formel 1 als Marketinginstrument. Zu wenig Konkurrenz führt zu Langeweile, einzelne Erfolge werden in der tagesaktuellen Kommunikation uninteressant. Nicht umsonst gibt es Berichte, dass die Deutschen ihrer Konkurrenz aus Italien und Frankreich etwas Unterstützung bei der Motorenentwicklung zukommen ließen.

Doch ob die Scuderia letztlich Ecclestones Plan zustimmt? Ferrari droht gerne mit dem Ausstieg aus der Formel 1, wenn seine Interessen nicht gewahrt werden. Die üppigen Zusatzprämien, die das Millionenbusiness für den Sportwagenhersteller überhaupt möglich machen, will keiner in Maranello missen.

Ferrari Honig ums Maul schmieren

Wie also kann Ecclestone den Entscheidern bei Ferrari Honig ums Maul schmieren und ihnen gleichzeitig Geld wegnehmen? Genau da kommt Sorrell ins Spiel.

Der Brite ist bei der Formel 1 für die Erschließung neuer Märkte verantwortlich. Und er hat sie bereits im Auge. "Die schnell wachsenden Märkte: Die BRICS und die Next Eleven sind der Schlüssel", sagt der 71-Jährige. Wenn die Hersteller weniger Prämien in der Formel 1 verdienen, dann brauchen sie neue Märkte, auf denen sie mit der Formel 1 werben, um ihr Engagement zu refinanzieren.

Das ist keine Zukunfsmusik. Sorrells Pläne werden schon umgesetzt.

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