Vom 34-fachen Leid erlöst

Sebastian Vettel feierte nach seinem Sieg in Sepang schon im Par Fermé ausgelassen
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Strahlend stieg Sebastian Vettel im Parc Fermé auf seinen Ferrari, reckte das Lenkrad in die Höhe und präsentierte den Fans beim Malaysia-GP das springende Pferd seines neuen Arbeitgebers. Der vierfache Weltmeister wirkte erlöst, streckte seinen Finger in die Luft, dirigierte wie sein Idol Michael Schumacher die Takte der italienischen Nationalhymne und freute sich über das Ende seiner Durststrecke. Doch fährt die Scuderia wirklich schon auf einem Niveau mit Mercedes?

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Schon beim Australien-GP überraschten Vettel und sein Teamkollege Kimi Räikkönen mit ihrer starken Leistung. Dass sie den Abstand zu Mercedes über die Wintermonate verringern würden, war zu erwarten. Doch dass sie schon beim zweiten Saisonrennen auf Augenhöhe mit dem Weltmeisterteam sein würden? Dass Mercedes sogar verliert? Das hatte so keiner erwartet.

Vettels Sieg in Sepang war die erste Niederlage, die die Silberpfeile seit der Einführung der V6-Hybrid-Antriebseinheiten zu Saisonbeginn 2014 verkraften mussten - zumindest wenn es keine Wetterkapriolen oder technische Probleme gab. "Wir haben einen kolossalen Kampf da draußen. Das war ein Weckruf", bekannte Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff.

Vettel: "Das Auto passt perfekt zu mir"

Nach dem zickigen F14-T hat Ferrari einen geschmeidig zu kontrollierenden Rennwagen auf die Straße gesetzt. "Das Auto passt perfekt zu mir und das Team hat mich sofort willkommen geheißen", erklärte Vettel. Doch nach zwei Rennen von seinem fünften WM-Titel zu sprechen, wäre völlig verfrüht.

Die Bedingungen in Malaysia waren speziell. 35 Grad Celsius betrug die Temperatur der Luft, 61 Grad heiß war der Asphalt. Pirelli hatte schon zuvor gewarnt, dass die eigenen Reifen bis an ihre Grenzen gefordert werden. Das nutzte Ferrari aus. "Wir hamm se fertisch gemacht", resümierte Vettel aus Hessisch.

Hitze spielt Ferrari doppelt in die Karten

Ferrari hat einen Vorteil in der Hitze. Die im Winter verbesserte Kühlung wirkt, Mercedes musste seine Leistung offenbar zurückfahren. Und: Während Lewis Hamilton in seinem 150. Grand Prix schon nach wenigen Runden klagte, dass seine harten Slicks abbauten, kurvte Vettel mühelos mit Volllast umher. Der SF15-T schont die Reifen nicht nur, er scheint die abgewetzten Gummiteile aufzusammeln und anzukleben.

Obwohl Vettel auf den weicheren Medium-Slicks fuhr, ließ er die Gelegenheit zum Boxenstopp während der Safety-Car-Phase ohne Probleme aus. Er und Carlos Sainz jr. schafften es als einzige Piloten mit nur zwei Stopps in die Punkte.

Hamilton: "Die Lücke war zu groß"

"Ich habe Probleme, zu verstehen, was da passiert", gab Nico Rosberg zu. "Wir haben sie nicht so schnell erwartet, wie sie waren", räumte Teamkollege Hamilton ein und gab einen weiteren Fehler zu: "Wir haben nicht gedacht, dass so viele Autos draußen bleiben. Es war schwer, zu Sebastian aufzuschließen. Die Lücke war zu groß, um sie zu schließen."

Doch Mercedes' Strategiefehler war nicht der einzige Auslöser für den überraschenden Sieg, durch den Vettel in der Fahrer-Wertung drei Punkte hinter Hamilton auf Platz zwei vorrückte. "Ich hatte davon nur geträumt. Es ist das obere Ende dessen, was wir uns erhofft hatten", sagte Ferraris Technikdirektor James Allison, der schon während seiner Zeit bei Lotus ein Auto entwickeln ließ, das oft mit einem Stopp weniger auskam.

In Malaysia funktionierte diese Taktik so gut, dass Vettel selbst als er auf zehn Runden alten Reifen unterwegs war, den Zeitverlust gegenüber Hamilton auf weniger als eine Sekunde pro Runde beschränkte. Der Engländer war zu diesem Zeitpunkt direkt nach seinem zweiten Stopp auf brandneuen Medium-Slicks unterwegs.

Horner: "Das war ein klassischer Vettel"

"Das war heute ein klassischer Sebastian Vettel", erklärte Red-Bull-Teamchef Christian Horner: "Er hat seine Reifen bei einer anderen Strategie zum Arbeiten gebracht. Wir haben schon oft gesehen, was Sebastian leisten kann, wenn er erstmal in Führung ist. Er hat sein Gespür wieder und sein Selbstvertrauen ist hoch."

Analyse: So funktionierte der Ferrari-Coup

Nur noch ein Sieg trennt Vettel nun von Ayrton Senna, 41 Grands Prix gewann der Brasilianer während seiner zu kurzen Karriere. Nebenbei beendete der Deutsche nach 34 Rennen die längste sieglose Serie seines neuen Teams seit Gerhard Berger, der im Jahr 1994 in Hockenheim erstmals nach Alain Prosts Erfolg beim Spanien-GP 1990 wieder gewann.

Familie Ferrari feiert auch dank Vettel

"Der Glaube an das Gemeinsame ist im Vordergrund. Das ist das Allerwichtigste. Die Veränderung im Winter war groß", sagte Vettel. Damit passt er perfekt in das neue Gefüge der Traditionsmarke aus Maranello. Maurizio Arrivabene führt sein Team mit väterlichem Führungsstil. Er will eine Familie Ferrari erschaffen. Zum Beweis durfte Chefmechaniker Diego Ioverno auf dem Podium den Pokal für den siegreichen Konstrukteur abholen.

Seinem Fahrer schreibt Arrivabene einen bedeutenden Anteil an der guten Stimmung zu. "Er hat sehr geholfen, die Leidenschaft und den Geist zurück in das Team zu bringen, die Ferrari immer ausgemacht haben", so der 58-Jährige und zog abermals Vergleiche zu Rekordweltmeister Michael Schumacher: "Er erinnert mich sehr an einen anderen großen deutschen Fahrer, der in unserem Team genauso agiert und sich genauso gegeben hat."

Die Erleichterung war am Sonntag nicht nur bei Vettel groß. "Dieser Sport besteht fast nur aus Leid. Hier und da bekommt man einen unglaublichen Rausch, der all das Leid aufwiegt. Er gibt dir ein total fantastisches Gefühl", fasste Allison zusammen. 50 Prozent des selbstgesteckten Saisonziels von zwei Siegen sind erreicht. Beim nächsten Hitze-Rennen kann das Ziel schon erfüllt werden.

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