Disco Dans Weg zu Red Bull

Von Alexander Maack
Daniel Ricciardo hat sich gegen Kimi Räikkönen durchgesetzt und startet 2014 für Red Bull
© getty

Daniel Ricciardo wird 2014 Teamkollege von Formel-1-Weltmeister Sebastian Vettel bei Red Bull. Doch wer ist der 24-jährige, dauerlächelnde Australier eigentlich wirklich? In seiner Jugend hieß er "Disco Dan", mit dem Auto seiner Mutter machte er Unfug. Dabei kannte er nur ein Ziel: Weltmeister werden.

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Ursprünglich wollte Daniel Ricciardo mit der Formel 1 nichts am Hut haben. MotoGP-Neunfachweltmeister Valentino Rossi war das Kindheitsidol des Australiers. Weil seine Eltern von einer Karriere auf zwei Rädern nicht gerade begeistert waren, musste ein Kompromiss her: vier Räder. Ricciardo jr. wurde in klapprige Go-Karts verfrachtet und überzeugte.

"Einige Kinder steckt man ins Auto und sie brauchen eine Weile, bis sie es in den Griff bekommen", erklärte Ex-F1-Mechaniker Brett Lupton, der in Australien eine Rennschule betreibt: "Er hat es einfach gemacht und wurde nicht panisch. Er setzte sich einfach rein und hat seinen Job gemacht."

Auch nachdem er die sandigen Strecken in Westaustralien hinter sich gelassen hatte, blieb sein begrenztes Budget weiter sein Begleiter. In der Formel Ford war das Auto sogar älter als sein Pilot: Der 15-jährige Ricciardo schaffte in seinem 17 Jahre alten Van Diemen immerhin Platz acht der Gesamtwertung. Immerhin bescherte ihm seine Leistung ein Cockpit in der asiatischen Formel BMW, mit dem er 2006 prompt Dritter wurde.

Drifts in Mamas Auto

Nebenbei entwickelte der Jungspund allerdings andere Hobbys. Im heimatlichen Perth erwarb er sich den Spitznamen "Disco Dan". Er feierte wild, stellte Mädchen nach und Unsinn an. Immer wieder bediente er sich am Eigentum seiner Eltern, um "Drifts im vierten Gang mit Mum's Auto zu machen", wie er selbst später gestand.

Was sich wie das Leben eines ganz normalen australischen Teenie-Rebellen liest, war jedoch schnell vorüber. Ricciardo ging den Weg seines Vaters Joe, der mit seinen Eltern von Sizilien nach Australien zog, in die umgekehrte Richtung. Schon 2007 landete der 18-jährige Daniel in Italien.

12.500 Kilometer von seiner eigenen Heimat Perth entfernt, wurde er in einem Zimmer einquartiert, in dem Jahre zuvor schon der spätere Ferrari-Pilot Felipe Massa hauste. Heimweh verspürte der australische Teenie dabei nicht. "Er besitzt die pure Disziplin", erklärte Vater Joe: "Er will Rennen gewinnen und Weltmeister werden."

Der Erfolg stellte sich 2008 ein, als Ricciardo den Titel im Renault Western European Cup holte. "Ich habe schnell Reife entwickelt, als ich plötzlich allein gelebt habe", so der Australier: "Als Rennfahrer hat mir das geholfen, auf der Strecke Entscheidungen zu fällen."

Die wegweisende Einladung von Red Bull

Durch seinen Erfolg stand er plötzlich auf dem Zettel von Dietrich Mateschitz' Red-Bull-Talentschmiede. Bei einem Tryout in Estoril sollte der Australier beweisen, dass er gut genug für das konzerneigene Juniorteam ist.

"Der kam in der ersten Runde schon völlig quer daher", erinnerte sich Motorsportberater Marko kürzlich: "Ich habe ihn vorher noch überhaupt nicht gesehen. Und dann stieg er nach diesen zehn Runden mit seinem breiten Grinsen aus dem Auto aus." Das Image des dauergrinsenden Sunnyboys, der perfekt zur PR-Maschine Red Bull passt, war ihm anschließend dauerhaft sicher.

Aus der Sicht des Getesteten fühlte sich die Situation jedoch anders an. "Zu warten, ob ich es ins Team schaffe, war einer der bangsten Momente meines Lebens", erklärte Ricciardo über die zweitätige Veranstaltung, bei der er sich gegen 20 andere Talente durchsetzte. Eine bescheidene Beschreibung - eigentlich hatte er seine Konkurrenten in Grund und Boden gefahren.

Pure Dominanz in der britischen Formel 3

Die Konkurrenzsituation verbesserte sich anschließend nicht wirklich. Während Sebastian Vettel bei Toro Rosso gerade seine erste volle Saison absolvierte, überflügelte Ricciardo mit Unterstützung des österreichischen Brausekonzerns die Konkurrenz in der britischen Formel 3. Mit Carlin holte er 2009 in seiner Rookie-Saison sechs Pole-Positions und sechs Siege. In der Gesamtwertung betrug sein Vorsprung auf den Zweiten nach 20 Rennen sagenhafte 87 Punkte.

Die Belohnung folgte prompt. Beim Young Driver Test in Jerez saß der Australier im Dezember erstmals in einem Formel-1-Auto. Der Start misslang: Schon bei seiner ersten Ausfahrt drehte er sich. Ricciardo störte sich nicht daran. "Ich glaube, ich habe den ganzen Tag nicht aufgehört zu grinsen", erzählte er: "Es hatte mehr Grip als alles, was ich jemals zuvor gefahren bin."

Doch auch die Karriere des freundlichen Aussies kann nicht perfekt verlaufen. In der Formel Renault 3.5 musste Ricciardo 2010 erstmals Rückschläge einstecken. Lediglich die Hälfte seiner acht Pole-Positions verwandelte er in Siege.

Letztlich verlor der Australier den Titel beim letzten Rennen an den im Winter zuvor aus dem Red-Bull-Juniorprogramm geflogenen Mikail Aleshin. Der Russe überholte Ricciardo beim letzten Saisonrennen in Barcelona und sicherte sich dadurch mit zwei Punkten Vorsprung die Meisterschaft.

Fabelrunde beim Young Driver Test

Ricciardo blieb unbeeindruckt. Er pulverisierte in Abu Dhabi bei F1-Testfahrten die Pole-Zeit von Sebastian Vettel, der wenige Tage zuvor erstmals Weltmeister geworden war. 1,3 Sekunden schneller fuhr der Australier und setzte sich damit selbst Vergleichen aus, durch die der Druck eigentlich hätte zunehmen müssen.

"Ihn kann nichts erschüttern. Er ist ziemlich ruhig und nimmt die Dinge nicht zu ernst, bis der Helm drauf ist", charakterisierte Vater Joe seinen Sohn: "Es geht nicht nur um Autos. Ich habe andere Kinder in Europa gesehen, die im Paddock auf und ab laufen. Für sie gibt es nur Racing, nichts anderes. Da kann man die Anspannung fühlen. Nicht so bei Dan."

Eine weitere Chance in der Formel Renault blieb Ricciardo übrigens verwehrt. Zur Mitte der kommenden Saison 2011 brachte Helmut Marko sein neues Supertalent ab dem Großbritannien-GP in Silverstone bei HRT unter. Die Leistungen im nicht konkurrenzfähigen Auto reichten für ein Toro-Rosso-Cockpit 2012.

Ricciardo zeigte früh beeindruckende Pace im Qualifying und ließ seinen unerfahreneren Teamkollegen Jean-Eric Vergne regelmäßig deutlich hinter sich. "Wir hätten ihn gern behalten", erklärte Toro-Rosso-Teamchef Franz Tost nach der Bekanntgabe des Wechsels zu Red Bull: "Wir freuen uns aber auch darüber, dass er jetzt den nächsten Schritt macht. Das bedeutet, er tritt in die Fußstapfen von Sebastian Vettel."

Marko: "Es gibt keine Stallorder"

Weitere Eingewöhnungszeit wird Ricciardo nur in begrenztem Maße bekommen. Zu wichtig ist sein Beitrag für die Konstrukteurs-WM 2014. "Es gibt keine Stallorder. Sie haben den gleichen Status, das gleiche Material. Der Bessere wird gewinnen", erklärte Motorsportberater Marko.

Dabei könnte sich schon bald ein Problem einstellen. Gerüchten zufolge sind Ricciardos Hüften zu voluminös für das Red-Bull-Cockpit. "Irgendwie passe ich schon rein", erklärte der Australier bei seiner Präsentation: "Oder ich lasse mir die Hüften abhobeln. Ich könnte verbluten, aber das wäre es wert."

Ab Mitte der Saison soll der Australier sich völlig eingelebt und angepasst haben. Als Dauergast in Milton Keynes sollte das kein Problem werden. "Sie müssen ja nicht mal die australische Flagge an seinem Auto austauschen", scherzte Ricciardos bisheriger Teamchef Tost.

Der WM-Stand im Überblick