Titelkampf: Das Rechnen hat schon begonnen

Von Alexander Mey
Mark Webber, Nico Rosberg und Fernando Alonso wurden in Monaco vom Fürsten geehrt
© xpb

Nach nur sechs Rennen in der Saison ist allen Titelanwärtern bereits klar, dass es im wörtlichen Sinne um jeden WM-Punkt gehen wird, wenn man Weltmeister werden will. Fernando Alonso rechnet schon, Red Bull hat Glück, seine Punkte behalten zu dürfen.

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Noch während der Feierlichkeiten bei Red Bull anlässlich des Sieges von Mark Webber in Monaco lag etwas Beunruhigendes in der Luft. Gerüchte hatten im Fahrerlager die Runde gemacht, wonach Ferrari und McLaren einen Prostest gegen das Siegerauto planen würden.

Es ging um zwei Löcher im Unterboden vor den Hinterrädern, die Luft auf den Diffusor leiten. Soweit noch nicht illegal, aber laut der Konkurrenz haben diese Löcher am Red Bull im Gegensatz zu ähnlichen Öffnungen bei Ferrari und Sauber eine illegale Form.

Sollte für Sieger Webber und den viertplatzierten Sebastian Vettel das dicke Ende zum Schluss kommen - vielleicht sogar eine Disqualifikation? Nein, denn sowohl Ferrari als auch McLaren verzichteten auf einen Protest. Stattdessen fordern sie eine Klärung zum nächsten Rennen in Kanada.

Verlust der WM-Punkte wäre verheerend gewesen

Durchatmen bei Red Bull, denn der Verlust von 25 Punkten für Webber und 12 für Vettel wäre gerade angesichts des Verlaufs dieser verrückten Saison ein Desaster gewesen. Beide Piloten liegen zurzeit mit 73 Punkten drei Zähler hinter WM-Leader Fernando Alonso. Lewis Hamilton und Nico Rosberg sitzen ihnen direkt im Nacken.

Hätten Webber und Vettel ihre Punkte verloren, lägen sie in der WM anstatt auf Platz zwei plötzlich nur noch auf den Rängen vier (Vettel) und sechs (Webber). So eng geht es anno 2012 zu.

"Um Weltmeister zu werden, musst du dieses Jahr immer punkten. Und wenn der Tag gekommen ist, an dem du ein Rennen gewinnen kannst, musst du einfach zugreifen", stellte Webber fest. Nicht nur die WM-Punkte zeigen, dass Vettel in ihm 2012 wieder einen ernsthaften Rivalen im Team hat.

Vettel: Set-Up-Fehler kostet Sieg

Umso wichtiger war es für den Weltmeister, nach dem verkorksten Qualifying in Monaco wenigstens noch Rang vier ins Ziel zu retten. "Wenn man in Monaco auf Platz neun losfährt, und es im Rennen trocken bleibt, kann man mit Rang vier ganz zufrieden sein", gab Vettel zu Protokoll.

Sein Problem am Wochenende war, dass er sich bei der Abstimmung des Autos fürs Qualifying verzockt hatte. Er riskierte bei der Verringerung der Bodenfreiheit zu viel und hoppelte nach eigener Aussage über die Bodenwellen wie ein Hase.

"Das, was er an Abtrieb gewonnen hat, ging beim Bremsen und Beschleunigen mehr als verloren", analysierte Red-Bull-Motorsportchef Helmut Marko im Fachmagazin "auto, motor und sport". Teamkollege Webber stellte nüchtern fest: "Sebastian hat sich mit der Set-Up-Änderung sicher keinen Gefallen getan. Das ist mir auch schon passiert. In Monte Carlo ist das fatal. Hier zählt nur Vertrauen ins Auto."

Dass Vettel grundsätzlich den Speed zum Gewinnen hatte, zeigte er, als er nach den Boxenstopps der Spitze freie Fahrt hatte. Regen hätte ihn retten können, aber der kam nicht. "Wäre er bis Runde 40 eingetroffen, hätte Vettel gewonnen", erklärte Marko.

Rosberg mittendrin im Titelkampf

Gewonnen hätte auch Nico Rosberg fast. "Wir hatten das schnellste Auto", gab er nach seinem zweiten Platz zu Protokoll. Aber nach dem verlorenen Start gegen Webber gab es keinen Weg mehr vorbei.

Trotzdem liegt Rosberg mit nun 59 WM-Punkten auf Rang fünf in der Fahrerwertung und hat nur 17 Zähler Rückstand auf den Führenden Alonso. Da darf man als Mercedes-Verantwortlicher schon mal in Richtung Titel blicken.

"17 Punkte zur Tabellenspitze sind nach sechs Rennen nicht viel. Darauf können wir aufbauen", bestätigte Mercedes-Sportchef Norbert Haug, wohl wissend, dass das bei 74 Punkten Rückstand von Pechvogel Michael Schumacher zur Spitze schon ganz anders aussieht.

Muss Schumi für Rosberg zurückstecken?

"Es hat es schon früher mal gegeben, dass sich das Pech in einer Phase auf einen Fahrer konzentriert. Beide Autos sind natürlich absolut identisch", beugte Haug Gerüchten über eine mögliche Benachteiligung Schumachers vor. "Wenn man Druck macht und nach vorne will, geht man vielleicht mal in einen Risikobereich. Das müssen wir abstellen und das werden wir auch abstellen."

Trotzdem stellt sich schon jetzt die Frage, ob man sich nicht schon jetzt auf Rosberg als WM-Anwärter festlegen und ihm im Härtefall im Rennen den Vortritt lassen soll?

"Ich glaube nicht, dass wir die Order geben würden. Aber ich denke auch, dass unsere Fahrer wissen, wie das dann zu funktionieren hat", sagte Haug.

Hamilton mahnt: "WM gleitet uns aus den Händen"

Der frühzeitige Kampf um jeden WM-Punkt beschäftigt auch McLaren. Denn kein anderes Team hat bisher mehr Zähler unnötiger Weise liegen lassen. Lewis Hamilton ist zwar immer noch WM-Vierter, wartet aber weiterhin auf seinen ersten Saisonsieg. Für Jenson Button ging es nach dem Auftaktsieg in Australien zuletzt rapide bergab. In Melbourne holte er 25 Zähler, danach insgesamt nur noch 20.

"Ich kann es wirklich überhaupt nicht leiden zurückzufallen", sagte Hamilton und mahnte: "Das Team hat eine Menge Arbeit vor sich, denn wir fallen von Rennen zu Rennen weiter zurück. Die anderen legen ein höllisches Tempo vor. Wenn wir Pech haben, gleitet uns die WM aus den Händen."

Alonso gibt den eiskalten Rechner

Alonso soll das nicht passieren, dafür trägt er schon jetzt Sorge. Der Spanier gibt sich als eiskalter Rechner, der in Monaco aus dem Auto aussteigt und sofort den Stand in der Fahrerwertung parat hat. Den Alain Prost des neuen Jahrtausends, wenn man so will.

"Unser Ziel war es, vor Vettel und Hamilton ins Ziel zu kommen, denn die beiden waren in der WM unsere härtesten Konkurrenten", sagte Alonso nach seinem dritten Platz. "Aber ich konzentriere mich Rennen für Rennen auf andere Fahrer. Nächstes Mal wird Webber dabei sein, denn er ist nun Zweiter in der WM."

Von Vettels Maxime der letzten Jahre, einfach nur Rennen zu fahren und nicht auf den WM-Stand zu schauen, hält Alonso offensichtlich gar nichts.

Stand in der Fahrer- und Konstrukteurs-WM