Renault vs. Mercedes: Motorenstreit eskaliert

Von Alexander Mey
Christian Horner (l.) und Martin Whitmarsh gerieten auf der FIA-PK aneinander
© Getty

Der Streit um die neuen Regeln für die Nutzung der Motoren - Stichwort Zwischengas - gipfelte am Freitag in einem öffentlichen Schlagabtausch zwischen Red Bull und McLaren. Die Folge: Eine Sonderregelung zu Gunsten von Red Bull wurde aufgehoben.

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Es ist technisch, es ist hoch kompliziert - aber es ist enorm wichtig für das Kräfteverhältnis in der zweiten Saisonhälfte. Deshalb ist der Streit um die neuen Motorenregeln, die das Zwischengas Geben verbieten, das große Thema in Silverstone.

Die Ausgangslage: Die Top-Teams haben vor der Saison einen Weg gefunden, den durch das Verbot des Doppel-Diffusors verlorenen Abtrieb auf der Hinterachse zu ersetzen. Sie haben Auspuff und Motor so modifiziert, dass auch dann Luft und Benzin ausgeblasen werden, wenn der Fahrer kein Gas gibt. Die Folge war ein stetiger Luftstrom auf den Diffusor, der entsprechend viel Anpressdruck brachte.

Diesen so genannten angeblasenen Diffusor hat die FIA im Vorfeld des Großbritannien-GP verboten. Ab sofort sollten die Drosselklappen des Motors nur noch um 10 Prozent geöffnet werden dürfen. Das würde zwar den Motor weiterhin schonen und Motorschäden vorbeugen, der schwache Luftstrom hätte aber keine Wirkung mehr auf den Diffusor gehabt.

Sonderregelung für Renault-Motoren

So weit der Status Quo zu Beginn des Rennwochenendes. Doch die Renault-Teams, allen voran Red Bull, erwirkten am Trainingsfreitag kurzfristig eine Sonderregelung, wonach die Drosselklappen nun doch um 50 anstatt nur um 10 Prozent geöffnet werden dürfen. Red Bulls Argument: So fuhr das Team auch 2009 ohne Doppel-Diffusor schon. Man brauche diese 50 Prozent Luftdurchlass, um keine Motorschäden zu riskieren.

Während die FIA diese vermeintliche Lex Red Bull nach Einsicht von Daten aus der Saison 2009 zunächst für akzeptabel hielt, ging McLaren als Wortführer der Mercedes-Teams auf die Barrikaden, da 50 Prozent Luftdurchlass durchaus einen aerodynamischen Effekt auf den Diffusor haben würden.

Aufsehen erregene Pressekonferenz

Es kam zu einer Aufsehen erregenden Pressekonferenz nach den Freitagstrainings, in der sich Whitmarsh und sein Red-Bull-Kollege Christian Horner live auf dem Podium ein heftiges Wortgefecht lieferten.

Whitmarsh erklärte dabei, warum er die Sonderregel als klare Benachteiligung aller Mercedes-Teams interpretiert: "Wir sind nie mit einer derartigen Öffnung gefahren. Bei uns wird der Gaswechsel über Walzenschieber und nicht über Drosselklappen gesteuert. Selbst wenn wir jetzt 50 Prozent öffnen dürfen, hätten wir keinerlei Erfahrungswerte damit. Wir würden ins kalte Wasser geworfen."

Mercedes-Protest: FIA hebt Sonderregelung auf

Die gleichen Argumente brachte er am Abend noch einmal in einer Krisensitzung bei FIA-Rennleiter Charlie Whiting vor. Gerüchten zufolge drohte er sogar mit einem offiziellen Protest gegen die Renault-Motoren.

Diese Drohung zeigte offensichtlich Wirkung, denn am Samstagmorgen hob die FIA die Sonderregelung zu Gunsten der Renault-Teams wieder auf. Es bleibt also bei der Vorgabe, dass die Drosselklappen nur um 10 Prozent geöffnet werden dürfen. Ein Schock für Red Bull, die nun schon zum Qualifying hin den Luftdurchfluss wieder reduzieren mussten.

Red Bull dachte an Boykott

Damit ist der Fall aber nicht abgeschlossen ist, denn Horner hat diese Entscheidung der FIA noch einmal diskutiert. Ergebnis: Für das Silverstone-Wochenende bleibt es bei dem vermeintlichen Nachteil für Red Bull, schon für den Deutschland-GP in zwei Wochen soll es aber eine neue Regelung geben.

Laut Motorsportchef Helmut Marko hat Red Bull zwischenzeitlich sogar einen Boykott des dritten Trainings erwogen. Schon während der Session wurden Horner und Technikchef Adrian Newey erneut bei er FIA vorstellig.

Auch Mercedes genießt eine Sonderregelung

Auf der Pressekonferenz am Freitag hatte Horner bereits angeführt, dass auch Mercedes im Zuge des Zwischengas-Verbots Zugeständnisse gemacht wurden. Ihnen wurde ein Nachzünden des Motors beim Gaswegnehmen gestattet - ebenfalls, um Motorschäden vorzubeugen.

Da Red Bull nun seine Möglichkeit der Schonung genommen wurde, könnte es im schlimmsten Fall schon während des Rennens in Silverstone zu Motorschäden an den Autos von Sebastian Vettel und Mark Webber kommen. Was dann los wäre, kann man sich lebhaft vorstellen.

FIA scheint einzulenken

Es brodelt heftig hinter den Kulissen, auch wenn der Grund für die Aufregung für den normalen Fan auf der Tribüne nur schwer nachzuvollziehen ist. Der will Action auf der Strecke sehen und kann auf solche Diskussionen während der Saison sehr gut verzichten.

Genau in diesem Punkt sind sich Red Bull und McLaren ausnahmsweise einig. Beide sagen: "Man hätte die ganze Diskussion nach dem Ende der Saison führen müssen. Die Regeländerung während der Saison ist unglücklich."

Davon konnte im Laufe des Samstags offenbar auch die FIA überzeugt werden. Angeblich ist der Weltverband bereit, das Verbot des Zwischengases bis zum Saisonende auszusetzen, sofern sich in einer Sitzung am Sonntagmorgen alle Teams geschlossen dafür aussprechen.

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