Vettel schenkt Webber die WM-Führung

Von Alexander Mey
Sebastian Vettel behauptete am Start des Ungarn-GP seine Führung gegen Webber und Alonso
© Getty

Mark Webber heißt der Sieger des Ungarn-GP. Der Australier hat die Überlegenheit seines Red Bull perfekt genutzt und damit auch die WM-Führung übernommen. Sebastian Vettel verschenkte den Sieg durch eine völlig unnötige Durchfahrtsstrafe. Der bisherige WM-Leader Lewis Hamilton schied aus. Michael Schumacher wurde im Nachhinein ebenso bestraft wie Mecredes und Renault.

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Stinksauer war Sebastian Vettel, als er in Runde 32 eine Durchfahrtsstrafe in der Boxengasse abbrummte. Er gestikulierte wild mit den Händen in Richtung Rennleitung und schimpfte über den Boxenfunk.

Vettel fühlte sich zu Unrecht um einen bis dahin sicher geglaubten Sieg gebracht. Aber er war selbst schuld. Am Ende einer Safety-Car-Phase ließ Vettel verbotener Weise einen viel zu großen Abstand auf den vor ihm fahrenden Mark Webber.

Es sah danach aus, als wollte Vettel seinem Teamkollegen beim Restart Luft auf Fernando Alonso verschaffen, weil Webber noch einen Boxenstopp vor sich hatte. Vettel nicht, er hätte sich nur gedulden und den Sieg später locker nach Hause fahren müssen.

Vettel schenkt Webber die WM-Führung

Doch es kam anders. Vettel wurde für das Abstandhalten bestraft, denn es ist nicht erlaubt, eine zu Lücke von mehr als zehn Autolängen nach vorne zu lassen. Vettel dachte, das es gäbe noch eine Runde hinter dem Safety-Car und war deshalb so weit weg. Ein dummer Fehler. So wurde Vettel nur Dritter hinter Alonso und musste damit die WM-Führung ausgerechnet Teamkollege Webber überlassen.

Der liegt nun vier Zähler vor Lewis Hamilton, der seinen McLaren mit technischen Problemen (vermutlich am Getriebe) nach nicht einmal 25 Runden abstellen musste. Auch sein McLaren-Kollege Jenson Button war als Achter chancenlos.

Vettel hat "ein bisschen geschlafen"

"Da habe ich wohl ein bisschen geschlafen", erkläre ein maßlos enttäuschter Vettel. "Ich habe nicht gesehen, dass das Safety-Car die Lichter ausgeschaltet hat. Mir hat über Funk aber auch niemand etwas gesagt. Wir hatten generell immer wieder Probleme mit dem Funkverkehr. Als ich dann gesehen habe, dass das Safety-Car in die Box fährt, war es schon zu spät, um die Lücke wieder zu schließen. Dafür bin ich dann bestraft worden, was extrem enttäuschend ist, denn das Rennen wäre ansonsten ein Spaziergang gewesen."

Sein Teamchef Christian Horner hatte gemischte Gefühle. Zu Vettel sagte er: "Die Regeln sind eindeutig. Sebastian muss mir erst einmal erklären, warum er so viel Abstand gelassen hat. Darüber werde ich mit ihm sprechen."

Auf der anderen Seite freute er sich aber auch über die Tatsache, dass Red Bull nach dem 100. Grand Prix für das Team als Führender in beiden WM-Wertungen in die Sommerpause geht: "Wir haben nach drei Siegen in Folge ein gutes Momentum."

Mercedes-Desaster - Schumi bestraft

Mercedes sah im Rennen ebenfalls kein Land. Michael Schumacher verlor in einem beinharten Duell gegen Rubens Barrichello erst den letzten WM-Punkt, dann wurde er nachträglich bestraft. Schumi muss beim nächsten Rennen in Spa zehn Plätze in der Startaufstellung zurück. Er hatte Barrichello in den letzten Runden beim Überholversuch bis an die Boxenmauer abgedrängt und so einen bösen Unfall des Brasilianers riskiert.

Nico Rosberg fiel aus, weil sein Team beim Boxenstopp ein Rad nicht festschraubte. Dieses Rad flog unkontrolliert durch die Boxengasse und verletzte einen Williams-Mechaniker, aber zum Glück nur leicht. Mercedes wurde dafür mit einer Geldstrafe in Höhe von 50.000 Dollar belegt.

"Das war heute gar nichts. Wir sind nicht gut. Aber wir gehen als Team durch alle Hochs und Tiefs. Zum Glück ist bei der Panne an der Box nichts Schlimmes passiert. Das ist das Wichtigste", sagte Mercedes-Sportchef Norbert Haug. Um das Duell zwischen Schumacher und Barrichello entbrannte eine heftige Diskussion.

Nico Hülkenberg fuhr im Williams ein großartiges Rennen und mit Rang sechs sein bestes Ergebnis nach Hause. Adrian Sutil schied nach einer kuriosen Kollision mit Robert Kubica in der Boxengasse aus, für die der Pole eine Zehn-Sekunden-Strafe und das Team eine Geldbuße von 50.000 Dollar bekamen. Timo Glock kam auf Platz 16 ins Ziel.

Schlüsselszenen des Rennens:

Start: Die linke Seite kommt deutlich besser weg als die rechte. Vettel behauptet die Spitze locker gegen Webber, aber von hinten schnellt Alonso heran. Er lässt Webber stehen und greift außen Vettel an. Ganz enge Kiste, der Ferrari-Pilot ist schon fast vorbei. Doch Vettel bremst sehr spät, drängt Alonso leicht nach außen und behauptet die Spitze. Ganz wichtig, denn während Vettel im überlegenen Red Bull nun auf und davon fährt, hält Alonso Webber auf. Hamilton verliert einen Platz gegen Petrow. Schumacher muss im Mittelfeld in Kurve 1 nach außen ausweichen, macht aber trotzdem einen Rang gut. Er ist nun 13., klagt aber über ein weiches Bremspedal.

Runde 2: Hamilton greift in Kurve zwei Petrow außen an und holt sich den fünften Rang zurück. Ganz starkes Manöver! Von wegen, man kann in Ungarn nicht überholen.

Runde 15: Liuzzi verliert im letzten Sektor einen Teil des Frontflügels, der mitten auf der Strecke liegen bleibt. Daraufhin kommt das Safety-Car auf die Strecke. Fast alle Fahrer nutzen die Chance, um die Reifen zu wechseln. Vettel entscheidet sich erst in allerletzter Sekunde dazu und räubert über die hohen Kerbs. Durch diese taktische Last-Second-Entscheidung kommt er als Zweiter hinter Teamkollege Webber zurück auf die Strecke, der noch nicht die Reifen gewechselt hat. Hinter ihm gibt es in der Box Chaos. Mercedes schraubt bei Rosberg den hinteren rechten Reifen nicht fest. Beim Losfahren springt das Rad unkontrolliert durch die Boxengasse und trifft einen Williams-Mechaniker. Rosberg ist raus. Wenige Meter weiter hinten lässt Renault Kubica losfahren, obwohl Sutil einbiegt. Beide knallen heftig ineinander. Das Aus für Sutil, Kubica bekommt für das Vergehen eine Zehn-Sekunden-Strafe.

Runde 24: Aus für Hamilton! Der McLaren wird plötzlich langsam und rollt aus. Bittere Nullnummer des WM-Leaders.

Runde 25: Gegen Vettel wird ermittelt. Er hat am Ende der Safety-Car-Phase zu viel Abstand auf das Safety-Car gelassen, um Webber vor ihm freie Fahrt zu lassen, weil der sowieso noch einmal an die Box muss. Mehr als zehn Längen Abstand sind jedoch nicht erlaubt.

Runde 32: Durchfahrtsstrafe für Vettel! Er hat am Ende der Safety-Car-Phase tatsächlich zu viel Abstand gelassen und sich dadurch strafbar gemacht. Wild gestikulierend und stinksauer rollt Vettel an der Rennleitung vorbei durch die Boxengasse. Er bleibt aber vor Massa und verliert damit nur einen Rang gegen Alonso. Und natürlich virtuell den gegen Webber.

Runde 66: Barrichello hängt im Heck von Schumacher und greift auf der Zielgeraden an. Schumacher drängt seinen Ex-Teamkollegen fast in die Mauer und auf die Wiese. Barrichello geht trotzdem vorbei, wütet aber danach: "Zeit ihm die Schwarze Flagge, dass war ein schreckliches Manöver!" Gegen Schumacher wurde nach dem Rennen ermittelt und er wurde für das nächste Rennen bestraft.

Ziel: Webber gewinnt vor Alonso. Vettel hat den rundenlangen Kampf gegen Alonso aufgegeben und wird nur Dritter.

Mann des Rennens:

Mark Webber: Er war der einzige Mann bei Red Bull, der an diesem Tag alles richtig gemacht hat. Erst war es goldrichtig, während der Safety-Car-Phase draußen zu bleiben, um nicht mehr von Alonso aufgehalten zu werden. Dann ist er auf Kommando eine schnellste Runde nach der anderen gefahren, um sich von Vettel und Alonso abzusetzen. Folge: Er ist nach seinem Boxenstopp souverän vorne geblieben und hat das Rennen verdient gewonnen.

Flop des Rennens:

Sebastian Vettel: Viel sicherer kann man einen Sieg nicht haben. Und viel unnötiger kann man ihn nicht herschenken. Vettel und das Team kennen die Regel, dass man nicht zu viel Abstand auf das Safety-Car lassen darf. Da muss man einfach auch während einer Neutralisation besser aufpassen. So verliert Vettel das Rennen, weil er bem Restart geschlafen hat, und verschenkt die WM-Führung ausgerechnet an den größten Rivalen. Ein unglaublicher Fauxpas.

Szene des Rennens:

Crash zwischen Kubica und Sutil an der Box: Die kurioseste Szene des Grand Prix. Die Renault-Box ist offenbar im Tiefschlaf und lässt Kubica nach dessen Boxenstopp losfahren, obwohl Sutil von hinten angerauscht kommt und direkt vor Kubica in seine Box einbiegen will. Es kommt folgerichtig zum Crash, der das Aus für Sutil und eine Zehn-Sekunden-Strafe für Kubica bedeutet.

Lehren des Rennens:

Wenn man böse ist, kann man sagen: Mit so haushoch überlegenen Autos keinen Doppelsieg zu feiern, das schafft nur Red Bull. Bei weitem nicht zum ersten Mal haben die Bullen durch falsche Entscheidungen Punkte im WM-Kampf hergeschenkt. Wieder einmal hat es Vettel getroffen, der ausgerechnet seinem Teamkollegen den Sieg und gleichzeitig die WM-Führung auf dem Silbertablett serviert hat.

Trotzdem hat Red Bull nach dem Ungarn-GP beste Karten im Titelkampf, denn McLaren ist eindeutig auf dem absteigenden Ast. Der technische Ausfall von Hamilton ist schon schlimm, aber viel schlimmer ist die Tatsache, dass das Auto mit Red Bull und Ferrari nicht mehr mithalten kann.

Wenn jemand einen Red-Bull-Titelgewinn verhindern kann, dann Alonso. Er hat zwar in Ungarn kein siegfähiges Auto gehabt, aber trotzdem mehr Punkte geholt als Vettel. Er ist eiskalt und wird jeden Fehler der Bullen ausnutzen.

Mercedes kann das Jahr endgültig abhaken. Da geht wirklich gar nichts mehr. Die harte Realität: Die Silberpfeile sind hinter Renault und Williams nur noch sechste Kraft.

LIVE-TICKER: Das Rennen in Ungarn zum Nachlesen