Der Mann der Rekorde

Von Jan-Hendrik Böhmer
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© Getty

Der jüngste Fahrer, der je einen WM-Punkt holte, der jüngste Fahrer, der auf der Pole stand, der jüngste Grand-Prix-Gewinner aller Zeiten: Der 21-jährige Sebastian Vettel setzte mit seinem Sieg beim Großen Preis von Italien in Monza Maßstäbe.

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So holte Vettel den Sieg: Das Rennen in Monza

Woher kommt der Mann, der in Monza die etablierte Konkurrenz düpierte? Was macht in so stark? SPOX klärt die wichtigsten Fragen zu Sebastian Vettel.

1. Warum hat er das Rennen in Monza gewonnen?

Punkt eins: Klar kam Vettel das Wetter entgegen. Doch sein Sieg hatte weniger mit Glück und viel mehr mit Können zu tun. Vettel war einfach verdammt schnell. Egal welche Zeit sein Verfolger Heikki Kovalainen im überlegenen McLaren-Mercedes auch fuhr, Vettel konnte noch etwas drauflegen. Punkt zwei: Er machte fast keine Fehler (lediglich ein Quersteher). Unter schwierigen Bedingungen leistete er sich im Gegensatz zu vielen seiner erfahrenen Kollegen keinen ernsthaften Ausrutscher und meisterte auch den Start hinter dem Safety-Car routiniert. Punkt drei: Die Team-Taktik. Toro Rosso fand eine Top-Abstimmung für die abtrocknende Piste. "Wir sind von einer etwas trockeneren Strecke ausgegangen und haben den Abtrieb entsprechend angepasst", erklärte Vettel. Die Taktik ging auf.

2. Wo kommt er her?

Sebastian Vettels Begeisterung für PS fängt sehr früh an. Mit dreieinhalb Jahren sitzt er erstmals im Kart - inspiriert durch seinen Vater, der selbst Hobby-Rennfahrer ist. Seit er sieben ist, fährt Vettel regelmäßig Rennen. "Der Anfang war nicht teuer - 7000 Mark im Jahr", sagt sein Vater der "Bild am Sonntag". Doch schon bald verkauft der seinen Boliden, um sich voll auf die Karriere seines Sohnes zu konzentrieren. Die komplette Familie reist im Wohnmobil zu den Rennen.

2001 dann der erste größere Erfolg: Vettel wird Europäischer Juniorenkartmeister. Und von da an geht es steil bergauf. 2003 steigt er in die Formel BMW ein - wird Rookie des Jahres, gewinnt im Folgejahr die Meisterschaft und holt in 18 von 20 Rennen den Sieg, dazu 15 Pole-Positions und 16 schnellste Runden. Es folgen zwei Jahre in der Formel-3-Euroserie. Trotz Startschwierigkeiten wird er beim Debüt als Gesamtfünfter Rookie des Jahres. Im zweiten Jahr übernimmt er das Cockpit eines gewissen Lewis Hamilton und wird Zweiter in der Meisterschaft.

2006 dann der nächste Schritt: Vettel wird Testfahrer für BMW - und startet nebenbei bei zwei Rennen der Renault-World-Series, die er beide gewinnt. Als der damalige BMW-Pilot Jacques Villeneuve mitten in der Saison entlassen und Robert Kubica zur Nummer zwei befördert wird, steigt Vettel sogar zum dritten Fahrer des Teams auf. Gleich bei seinem ersten Einsatz in der Türkei holt er im Freitagstraining die Bestzeit. Als Kubica nach seinem Unfall in Kanada 2007 nicht in Indianapolis starten darf, ist der nächste Schritt klar. Vettel geht in sein erstes Rennen und holt als jüngster Fahrer der Formel-1-Geschichte einen Punkt. Später in der Saison ersetzt er bei Toro Rosso den entlassenen Scott Speed.

3. Wer sind seine Förderer?

Gerd Noack: Der Schumi-Entdecker hat auch Vettel entscheidend gefördert, half ihm beim Einstieg in den Kartsport. "Ohne ihn wäre ich heute nicht hier", sagte Vettel nach seinem Monza-Sieg über den Karthändler aus Kerpen. Ohne ihn hätte er nicht die finanziellen Möglichkeiten gehabt, dem Kartsport treu zu bleiben. Neben Vettel, Michael und Ralf Schumacher hat Noack unter anderem auch DTM-Pilot Bernd Schneider und Talent Christian Vietoris (Formel-3-Euroserie & A1-GP) betreut.

BMW: Dem Automobilhersteller hat Vettel viel zu verdanken. 2003 fährt der damals 16-Jährige in der Formel BMW sein erstes Rennen in einem Formel-Boliden. Ein Jahr später dominiert er die Meisterschaft. BMW erkennt das Talent des jungen Deutschen und sichert sich Vettels Dienste. 2006 dann der Aufstieg zum dritten Fahrer von BMW in der Formel 1. Er überzeugt und erhält nach Robert Kubicas Unfall (in Kanada 2007) in Indianapolis die Chance zu seinem ersten Renneinsatz.

Dietrich Mateschitz: Der Red-Bull-Boss wird bereits auf Vettel aufmerksam, als dieser 12 Jahre alt ist. Umgehend nimmt er das Talent in sein Förderprogramm, das Red-Bull-Juniorteam, auf und finanziert ihm damit den Aufstieg in höhere Motorsport-Klassen. Auch bei Vettels Durchbruch in der Formel 1 redet er ein entscheidendes Wort mit. Denn er ist es, der bei Toro-Rosso-Mitbesitzer Gerhard Berger anruft und dafür plädiert, Vettel bereits Ende 2007 als Stammpilot einzusetzen. Für 2009 holt er Vettel dann zu Red Bull Racing.

Gerhard Berger & Franz Tost: Ex-Rennfahrer und Toro-Rosso-Mitbesitzer Berger hört auf den Rat von Mateschitz und entscheidet zusammen mit Toro-Rosso-Teamchef Tost, Vettel noch während der Saison 2007 ins Renncockpit zu stecken. Ab dem Ungarn-GP ersetzt Vettel den enttäuschenden Scott Speed und erhält absolute Rückendeckung. Selbst als Vettel beim Regenrennen in Fuji mit Red-Bull-Pilot Mark Webber kollidiert und damit beide aus dem Rennen wirft, halten sie zu ihm. Auch während des verpatzten Saisonstarts 2008 (vier Rennen, vier Ausfälle) wird Vettel nicht vom Team kritisiert, sondern aufgebaut.

4. Wer ist sein Rückhalt?

Die Familie: Großen Rückhalt findet Vettel in seiner Familie. Vater Norbert und Mutter Heike waren in Monza an der Strecke und schlossen ihren Sohn nach dessen Erfolg in die Arme. Sie sind sein Ruhepol. Auch zu seinen drei Geschwistern hat er ein gutes Verhältnis. Die Familie wohnt noch in Vettels Heimatstadt Heppenheim bei Frankfurt, Vater Norbert ist dort Zimmerer-Meister.

Die Freundin: Wie Vorbild Schumacher ist Vettel auf dem Boden geblieben und lebt mit Jugendliebe Hanna zusammen in einem Appartement im Schweizer Kanton Zug. Beide kennen sich bereits aus der Schule, sie kommt nur ganz selten mit an die Strecke, scheut das Rampenlicht. Vettel hat keine Super-Model-Affären oder vom Boulevard verfolgte Beziehungen mit Musik-Stars oder Schauspielerinnen wie einige seiner Kollegen.

Das Team: "Wir sind alle eine große Familie", beschreibt Red-Bull-Pilot Mark Webber das Klima innerhalb der beiden Red-Bull-Teams. Und genau das braucht Spaß-Mensch Vettel. Hier kann er sich in aller Ruhe und ohne Druck entwickeln, hier gönnt ihm jeder seinen Erfolg. Hass-Duelle mit etablierten Teamkollegen (wie etwa zwischen Fernando Alonso und Lewis Hamilton bei McLaren-Mercedes im Jahr 2007) gibt es hier nicht - in Monza feierten alle gemeinsam seinen Erfolg.

5. Hat er das Zeug zum Weltmeister?

"Er hat das Zeug zum Schumi-Nachfolger. Er zeigt schon jetzt einige Charakterzüge, die mich an Michael Schumacher erinnern", sagt Bernie Ecclestone. Der Formel-1-Boss steht mit seiner Meinung nicht allein. "Er hat auf jeden Fall das Potenzial, in diese Richtung zu kommen", meint auch Rekordweltmeister Michael Schumacher. "Er wird die Überraschung der Saison."

Doch bereits jetzt von einem Weltmeister Vettel zu träumen, wäre falsch. Er hat mit Red Bull noch einen langen Weg vor sich, sitzt nicht wie Lewis Hamilton in einem Top-Auto. Noch nicht. Denn in Monza dürfte er viele Begehrlichkeiten geweckt haben.

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