Rot-silberne Schauprozesse

Von Alexander Mey
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© spox

München - Ferrari und McLaren-Mercedes waren 2007 die ersten im Ziel, jetzt liegen sie schon wieder ganz vorne. Diesmal im Rennen um die Präsentationen der neuen Autos.

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Am Sonntag und am Montag stellten erst die Roten den F2008 und dann die Silbernen den MP4-23 vor. Irgendwie passend, dass ausgerechnet diese beiden die ersten Höhepunkte des Jahres bildeten, schließlich dreht sich schon seit einem Jahr sowohl sportlich als auch politisch alles um den Rosenkrieg zwischen den beiden.

Jetzt, da beide die Hosen runter gelassen haben, ist es an der Zeit, sich einmal genauer anzusehen, was beide Parteien fabriziert haben - sowohl sportlich als auch politisch.

Technikvergleich: Zwei entscheidende Faktoren

Zunächst der Blick auf die beiden neuen Autos. Aerodynamisch lässt sich kaum etwas sagen, da erstens die Veränderungen an beiden Autos nur marginal waren und zweitens bei den Testfahrten im Januar und Februar noch so viel geändert werden wird, dass zum Saisonstart in Melbourne sicher ein ganz anderes Auto auf der Strecke steht.

Die entscheidenden Details liegen im Verborgenen. 2008 zeichnen sich nach den Präsentationen der beiden Top-Teams zwei entscheidende Themen ab: Gewichtsverteilung und Radstand.

Völlig gegensätzliche Entwicklungen

Das Brisante dabei: Ferrari und McLaren haben in genau entgegen gesetzte Richtungen entwickelt. Die Roten haben den sehr langen Radstand von 2007 um wenige Zentimeter verkürzt und den Schwerpunkt des Autos nach hinten verlagert, um ohne Traktionskontrolle mehr Grip auf der Hinterachse zu haben.

Die Silbernen haben den Radstand etwas verlängert und gleichzeitig den Schwerpunkt leicht nach vorne verlegt. "Es ist in der Tat auffällig, dass beide potenziellen Titelanwärter komplett unterschiedliche Wege gehen", analysiert Formel-1-Experte und Premiere-Kommentator Jacques Schulz bei SPOX.com.

Vor allem der Radstand werde 2008 ein entscheidendes Kriterium werden, "ohne aber jetzt schon sagen zu können, ob die kürzere oder die längere Variante den Erfolg bringen wird", erklärt Schulz.

Ferrari hat die besseren Fahrer

Bliebe bei aller Technik noch der Faktor Mensch, der ja durch die Abschaffung der elektronischen Fahrhilfen wieder größer werden soll. Welche Fahrerpaarung ist stärker: Kimi Räikkönen/Felipe Massa oder Lewis Hamilton/Heikki Kovalainen?

Für Schulz eine klare Sache: "Räikkönen/Massa wird die stärkste Paarung des Jahres werden. Da können Hamilton/Kovalainen nicht mithalten. Denn ich kann mir nicht vorstellen, dass Kovalainen Hamilton von Beginn an genügend unter Druck setzen kann."

Thema Politik: "Seitenhiebe von Ferrari nerven"

Ein leidiges, deshalb aber nicht weniger brisantes Thema zwischen Ferrari und McLaren bleibt die Politik. Auch nach dem offiziellen Abschluss der Spionageaffäre gehen die Sticheleien unvermindert weiter.

"Diese Seitenhiebe von Ferrari sind völlig überflüssig und nerven", klagt Schulz. "Man hat Ron Dennis zu einer öffentlichen Entschuldigung gedrängt. Damit sollte das Kapitel doch bitte erledigt sein. Ich verstehe Jean Todt und Luca di Montezemolo nicht."

Während McLaren nicht mehr über die Affäre sprechen möchte, wollen Todt und di Montezemolo nicht abhaken, dass der Prozess vorzeitig beendet wurde. Der Präsident hatte auf die Frage, ob im neuen McLaren Wissen von Ferrari verwendet werde, zynisch geantwortet: "Ich bin überzeugt, dass zumindest die Farben unterschiedlich sein werden. Ich rechne nicht mit einem roten McLaren."

Mehr Sport und weniger Schauprozesse

Offensichtlich sitzt der Stachel des Betrugs nach wie vor sehr tief. Und dann ist da ja auch noch das Ärgernis, dass die neue Einheitselektronik, mit der auch Ferrari 2008 leben muss, ausgerechnet von dem Hersteller kommt, der McLaren schon seit Jahren beliefert.

"Es ist klar, dass McLaren zumindest zu Beginn der Weltmeisterschaft einen Vorteil haben wird", sagte der scheidende Ferrari-Teamchef Todt am Rande der ersten Testfahrten des neuen Ferrari in Fiorano. "Wir hätten es lieber gesehen, wenn die einzige Kontrolleinheit für alle Formel-1-Teams von einer anderen Firma gebaut worden wäre."

So reißen die Diskussionen nicht ab und die Gefahr ist groß, dass die Politik auch in der kommenden Saison eine große Rolle spielen wird.

Sehr zum Leidwesen von Schulz: "Wir wollen Sport sehen, keine Schauprozesse."

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