"Ich war auch schon mit Doyle Brunson saufen"

Von Interview: Anant Agarwala
Phil Hellmuth wurde im Juli 2007 in die Poker Hall of Fame aufgenommen
© Getty

Phil Hellmuth ist der erfolgreichste Pokerspieler der Welt - und gehört zu den schillerndsten Charakteren. Wegen seiner aufbrausenden Art am Tisch ist er auch als Poker-Brat - der Poker-Rüpel - bekannt. Im Interview mit SPOX erzählt Hellmuth nicht nur über seine Leidenschaft fürs Pokern, sondern auch über Ausraster vor dem Laptop, sein heißes Rennen mit Ivey, Chan und Brunson sowie seine Lieblingshand.

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SPOX: Zum Interview-Termin erreiche ich Sie mitten in der Nacht. Vorhin haben Sie getwittert, dass Sie online Poker spielen. Kann man Sie stören?

Phil Hellmuth: Bis vor einer Minute habe ich gespielt. In der Sekunde, in der ich mich ausgeloggt habe, klingelt auch schon das Telefon. Perfektes Timing. Let's do it!

SPOX: Fangen wir ganz von vorne an: Sie sind in Madison, Wisconsin aufgewachsen. Ein Bundesstaat, der für Bier und den NFL-Klub Green Bay Packers bekannt ist - und nicht gerade für Poker. Wie sind Sie dazu gekommen?

Hellmuth: Zum ersten Mal richtig gespielt habe ich während meiner Zeit an der University of Wisconsin. Ein Uni-Freund von mir, Tuli Haromy, wuchs in Las Vegas auf und brachte Hold'em mit an den Campus. Das waren meine ersten Poker-Erfahrungen.

SPOX: Um welche Summen wurde gespielt?

Hellmuth: Es gab eine 50-Cent-Ante, dafür aber keine Blinds. (lacht) Aber irgendwie hat's funktioniert. In manchen Nächten machte ich über 1000 Dollar Gewinn - das war der Kickstart für meine Karriere. Schon nach kurzer Zeit hatte ich meinen Studentenkredit abbezahlt und circa 20.000 Dollar auf dem Konto.

SPOX: Das ist eine Menge Geld für einen Studenten...

Hellmuth: Ja, aber dann habe ich Las Vegas entdeckt.

SPOX: Das hört sich aber nicht gut an...

Hellmuth: Das kann man so sagen. Die ersten neun Trips verlor ich nur, 60.000 Dollar waren weg - und ich war pleite. Aber dafür lernte ich jedes Mal eine Menge und verbesserte mein Spiel. Und so gewann ich jedes Mal, wenn ich nach Madison kam, mein Geld zurück - zwischen 30.000 und 40.000 Dollar innerhalb eines Jahres. Ich wurde immer gerissener.

SPOX: Sie sind also nicht gleich nach Vegas gezogen, sondern immer nach Madison zurückgekehrt, um wieder eine Bankroll aufzubauen - nur, um es erneut in Vegas zu versuchen?

Hellmuth: Ganz genau. Ich hatte einfach das Gefühl, dass meine Zukunft in Vegas liegt, und schon damals das Ziel, der beste Spieler aller Zeiten zu werden. Und ich hatte eine wiederkehrende Vision: Ich sah mich am Pokertisch sitzen, gekleidet in einer Kutte wie ein Mönch, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen - und die Chips flogen mir regelrecht zu.

SPOX: Außerdem soll Ihnen eine Wahrsagerin eine große Zukunft vorausgesagt haben...

Hellmuth: Sie war keine Wahrsagerin, eher eine Art Medium. Ihr Name war Rose Gladden.

SPOX: Und, was hat sie Ihnen erzählt?

Hellmuth: Sie las einigen Leuten aus der Hand. Als ich an der Reihe war, wurde ihr Gesicht plötzlich ganz blau, und sie sagte: "Du wirst auf der ganzen Welt bekannt - und berüchtigt sein." Ich dachte zunächst nur: "Was zur Hölle erzählt die da?", aber dann sah ich, dass sie nur mir eine große Karriere vorhersagte. Damals war ich ungefähr 16 Jahre alt - und ihre Prophezeiung gab mir einen richtigen Kick!

SPOX: Also haben Sie ihr geglaubt!?

Hellmuth: Ja, absolut. Ich brauchte etwas, woran ich mich festklammern konnte.

SPOX: Acht Jahre später gewannen Sie den Main Event der World Series of Poker. War das der Punkt, an dem Sie merkten, dass sie alles erreichen können?

Hellmuth: Ich weiß nicht. Den Main Event zu gewinnen war nur eines von vielen Lebenszielen. Ich wollte eine tolle Frau, ein schönes Haus und coole Autos. Dies alles hatte ich mit 25. Mein Ziel, einen "New-York-Times"-Bestseller zu schreiben, erreichte ich erst 2004, aber ich hab's geschafft.

"I even have a professional bill payer" - Für Fans: Das ungekürzte Interview zum Nachlesen im englischen Original

SPOX: Welche Ziele bleiben da noch übrig?

Hellmuth: Phil Ivey sagte vor kurzem, dass er bei den Bracelet-Gewinnen an mir vorbeiziehen wolle. Das kann ich nicht zulassen, ich muss vor ihm bleiben. Er, Doyle Brunson, Johnny Chan und ich: Wir alle wollen Poker-Geschichte schreiben. Das wird ein heißes Rennen.

SPOX: Was ist für Sie drin?

Hellmuth: Ich habe das Gefühl, am Ende bei 24 Bracelets zu stehen. Ich weiß nicht genau, warum. Ich weiß nicht, ob Ivey das schlagen kann. Zurzeit hat er sieben und ich elf - ich muss einfach weiter Bracelets gewinnen.

SPOX: Sie sprechen von einem Vierkampf: Wie sehen Sie zurzeit die Kräfteverhältnisse?

Hellmuth: Ich schaue auf uns vier und frage mich: "Wer ist Größte?" Mit elf Bracelets habe ich mehr gewonnen als jeder andere. Aber: Doyle und Johnny spielen seit Jahrzehnten auf dem höchsten Level und haben beide zehn Bracelets. Phil Ivey hat sieben - und unheimlich viel Geld beim Cashgame gewonnen. Er ist auf Kurs - genau wie ich. Doch noch ist Doyle die Nummer eins. Sagen wir es so: Ich bin noch nicht der größte Spieler aller Zeiten. Die Betonung liegt auf "noch".

SPOX: Welche Ziele haben Sie außerhalb des Pokerns?

Hellmuth: Ich möchte noch einen Bestseller schreiben, am besten sogar zwei. Einer davon ist meine Autobiographie. Ich habe bereits 66.000 Wörter geschrieben, bin fast fertig. Sie endet mit meinem Sieg beim Main Event.

SPOX: Wann wird das Buch erscheinen - und wie wird es heißen?

Hellmuth: Vermutlich "Poker Brat". Die Veröffentlichung ist für Weihnachten dieses Jahres geplant. Mit "Deal Me In" ist bereits ein Buch erschienen, auf das ich sehr stolz bin.

SPOX: Im Zusammenhang mit der Autobiographie soll auch ein Film geplant sein...

Hellmuth: Absolut, aber das dauert länger als mir lieb ist.

SPOX: Welcher Schauspieler soll "Phil" spielen?

Hellmuth: Wir waren mit Hayden Christensen, dem Darsteller von Anakin Skywalker, schon sehr weit, aber wegen der Verzögerung gibt es derzeit keinen Kandidaten. Für die internationale Vermarktung brauchen wir einen großen Namen.

SPOX: Sie sind seit Jahren ein Superstar, spielen um Millionen und gehen auf Promi-Partys. Dennoch betonen Sie stets die Wichtigkeit Ihrer Familie...

Hellmuth: Golfstar Jack Nicklaus hat vier oder fünf Kinder, ist mit 70 Jahren immer noch mit derselben Frau verheiratet und hat 18 Major-Titel gewonnen. Erik Seidel, Doyle Brunson und, ich glaube, Johnny Chan sind auch seit Ewigkeiten verheiratet. Mit mir sind das die vier Spieler mit den meisten Bracelets. Man braucht Stabilität im Leben.

SPOX: Stichwort Jack Nicklaus: Sie spielen auch Golf. Was ist Ihr Handicap?

Hellmuth: Mein offizielles Handicap liegt bei 11,4. Aber in Wahrheit bin ich schlechter. Als ich ein PGA-Turnier spielte, wollte ich nicht als Großmaul gelten und habe bessere Scores eingetragen, als ich geschlagen habe. Mein wahres Handicap dürfte so um 16, 17 liegen.

Teil 2: Hellmuth über Laptops im Swimmingpool und sein Rüpel-Image