"Ich war auch schon mit Doyle Brunson saufen"

Von Interview: Anant Agarwala
Phil Hellmuth wurde im Juli 2007 in die Poker Hall of Fame aufgenommen
© Getty
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SPOX: Sie wohnen in Palo Alto, also außerhalb der Pokerwelt, und hocken nicht jeden Tag im Casino. Gibt es dennoch einen typischen "Phil-Hellmuth-Tag"?

Hellmuth: Natürlich ist nicht jeder Tag gleich. Vor Kurzem war ich Host einer Promi-Party in L.A. und am nächsten Tag saß ich bei einem Lakers-Spiel in der Loge von Lakers-Besitzer Jerry Buss. Neben ihm zu sitzen war eine Ehre. Zuhause habe ich zuletzt viel Football geguckt. An anderen Tagen schreibe ich Artikel oder an meinem Buch.

SPOX: Neben dem Schreiben von Büchern betreiben Sie auch eine eigene Modelinie. Ist Poker überhaupt noch Ihre Haupteinnahmequelle?

Hellmuth: Das kommt darauf an. Letztes Jahr nicht, da hab ich beim Pokern Verlust gemacht. Es war das erste Verlustjahr, das ich je hatte.

SPOX: Was war da los - und wie viel haben Sie verloren?

Hellmuth: Ich bin mir nicht ganz sicher, aber über 200.000 Dollar. Ich habe nicht genug gespielt, war nur Teilzeit-Pokerspieler. Meine Familie ist die Nummer eins. Mein jüngerer Sohn ist 16 Jahre alt, wird in anderthalb Jahren aufs College gehen. Dann kann ich wieder mehr Zeit fürs Pokern aufwenden, wenn ich möchte.

SPOX: Was für Daddy-Sachen machen Sie mit Ihren Kindern?

Hellmuth: Obwohl er schon 16 ist, hole ich meinen Sohn jeden Tag von der Schule ab, wenn ich zuhause bin. Das war für mich schon immer heilig, denn direkt nach der Schule kann man sich am besten mit seinen Kindern unterhalten.

SPOX: Lassen Sie uns zum Poker zurück kommen. Schauen auch Sie Poker im Fernsehen, um mehr über Ihre Gegner zu erfahren?

Hellmuth: Ja, ich schaue gerne Poker. Gerade neulich habe ich mir eine Folge "Poker After Dark" angeschaut, in der mich Antonio Esfandiari richtig abgezogen hat. Ich konnte es einfach nicht glauben und wollte sehen, was er hatte. Phil Laak hat ihm am Ende eine Falle gestellt und die Runde gewonnen. Wie dem auch sei, ich werde es Antonio heimzahlen. (lacht)

SPOX: Sehen Sie die TV-Shows bei großen Turnieren als Vorteil für die Amateure an, da die den Style der Profis bereits kennen?

Hellmuth: Ja, aus zwei Gründen. Erstens: Sie können die Pros besser lesen. Und zweitens: Sie können lernen, mit welchem Style man gewinnt. Das ist auch der Grund, warum Erik Seidel die Hold-Card-Camera hasst. Er hat 20 Jahre lang Blut und Wasser geschwitzt, um einen erfolgreichen Stil zu finden, und dann sehen Anfänger innerhalb kürzester Zeit, was er tut und nicht tut. Von daher: Es ist ein riesiger Vorteil für die Amateure.

SPOX: Dennoch bleibt Ihr Stil schwierig zu beschreiben. Teilweise sehr aggressiv, dann aber folden Sie auch mal preflop Pocket-Queens. Ist es diese Flexibilität, die entscheidend ist?

Hellmuth: Ja, man muss alle Moves draufhaben, sehr aggressiv und sehr slow spielen können. Zum Beispiel mit guten wie schlechten Händen Checkraise spielen. Du musst erkennen, wenn deine sehr gute Hand geschlagen ist, zu folden. Ich versuche stets, dem Tisch meinen Style aufzuzwingen. Ich bin ein Counterpuncher. Das bedeutet: Spielen meine Gegner tight, raise ich jeden Pot. Folden sie viel, setze ich viel. Ich versuche, aus den Schwächen meiner Gegner einen Vorteil zu ziehen. Aber das Wichtigste ist: Du musst deinen Gegner lesen können.

SPOX: Sie sind als Poker-Brat, als "Poker-Rüpel", berüchtigt. Gehört diese aufbrausende Art auch zu Ihrem Gameplan?

Hellmuth: Nein. Wenn ich mich besser beherrschen und meine Emotionen aus dem Spiel halten könnte, hätte ich wohl schon drei Bracelets mehr gewonnen. 2007 war eines meiner besten Jahre bei der World Series of Poker - und da hab ich nicht rumgerüpelt. Aber Emotionen können dir auch einen Boost geben, daher sehe ich die Sache zwiespältig: Einerseits möchte ich meine Emotionen besser kontrollieren, andererseits bin ich der Meinung, dass sie mich zu dem machen, der ich bin.  Es ist mein Ziel, der größte Turnier-Spieler aller Zeiten zu werden.

SPOX: Sie spielen auch viel Online-Poker. Drehen Sie vor dem Computer auch durch, wenn Sie einen Bad-Beat kassieren?

Hellmuth: Nicht mehr so oft.  Eigentlich nur, wenn ich ein Cashgame spiele und das Gefühl bekomme, nur noch zu verlieren. Vor ein paar Jahren war ich da noch wesentlich unbeherrschter. Ich schrie rum, war wütend und frustriert. Mike Matusow zum Beispiel hat mal einen Laptop in den Swimmingpool geworfen.

SPOX: Die meisten Spieler lernen Pokern heute im Internet. Welche Auswirkungen hat das auf das Spiel?

Hellmuth: Vor ein paar Jahren haben die Internet-Spieler die reale Welt betreten und in den Cashgames viel Geld verloren. Auch in den Turnieren haben sie viel zu aggressiv gespielt und sich zu viele Hände angeschaut. Mittlerweile haben die starken Spieler ihr Spiel aber angepasst. Durch sie hat sich schon einiges geändert. Sie erzählen dir, dass du statistisch gesehen in 80 Prozent der Fälle mit einem Re-Raise den Pot gewinnst. Mathematik ist also ein wichtiger Faktor. Als ich angefangen habe, war ein Re-Raise einfach ein Move, den du gemacht hast, wenn du meintest, Schwäche beim Gegner zu erkennen.

SPOX: Man hat den Eindruck, dass die Poker-Profis untereinander einen guten Zusammenhalt haben. Sind wahre Freundschaften in diesem millionenschweren Haifischbecken überhaupt möglich?

Hellmuth: Absolut. Ich komme eigentlich mit jedem Pro gut aus. Ob ich nun mit Chris Ferguson, Howard Lederer, Erik Seidel oder Phil Ivey abhänge: Wir haben immer viel Spaß. Selbst mit Doyle war ich schon einen saufen.

SPOX: Es muss doch auch Spieler geben, die Sie nicht mögen?

Hellmuth: Nein, ich sehe immer das Gute im Menschen...

SPOX: Ein paar Klassiker würde ich gerne noch klären. Zum Beispiel Ihre Lieblingshand...

Hellmuth: Immer noch zwei schwarze Neunen, damit habe ich 1989 die World Series of Poker gewonnen.

SPOX: Was war die verrückteste Sidebet, in die Sie involviert waren?

Hellmuth: (denkt lange nach) Ich bin mir nicht sicher, keine bestimmte. Ich wette viel auf das Gewicht von Leuten. (lacht) Aber eigentlich wette ich auf fast alles.

SPOX: Letzte Frage: Wenn Poker-Fans in Vegas sind, wo werden sie Sie am ehesten treffen?

Hellmuth: Ich bin oft im Golden Nugget. Die Atmosphäre dort gefällt mir, seit Neustem haben sie ein Haifischbecken. Ansonsten bin ich auch oft im Pallazzo, das gefällt meiner Frau am besten.

"Best Suck-Out? Bracelet number ten" - Das Interview mit Hellmuth im Original