Demokratisch, praktisch, gut

Von Für SPOX.com in Köln: Florian Bogner
dfc-pk-514
© sebastian flügel

München - Ein Deal, von dem alle profitieren. Ein Projekt, das Vorreiter für eine neue Klub-Philosophie in Deutschland sein könnte. Und eine Vision, die so hervorragend ins begeisterungsfähige Köln passt, wie der Dom.

Cookie-Einstellungen

In Zeiten, in denen sich Großinvestoren aus Profitgründen in Vereine einkaufen und Jürgen Klinsmann den Fans des FC Bayern das Kiebitzen beim Mannschaftstraining untersagen will, geht ein deutscher Traditionsklub in der Not einen ganz anderen Weg - er will sich in naher Zukunft von Fans regieren lassen.

Am 3. April fiel der Startschuss: Mit Fortuna Köln hat Deutschland jetzt sein eigenes Ebbsfleet United. Soll heißen, einen Fußballverein, der im günstigsten Fall schon bald von einer Internet-Community mitbestimmt wird.

SPOX.com ist davon so begeistert, dass es dem DFC und der Fortuna in Zukunft als Medienpartner zur Seite stehen und exklusiv über den Verein berichten wird.

Jahresbeitrag ab 30.000 Mitglieder fällig

Die Idee hinter dem Projekt ist simpel: Ab sofort könnten sich alle Freizeit- und Möchtegern-Manager unter www.deinfussballclub.de registrieren und damit ein Teil der Fortuna werden. 

Dann passiert erst einmal nichts. Erst bei Erreichen einer kritischen Masse von 30.000 Mitgliedern wird ein Jahresbeitrag von 39,95 Euro fällig und der User kann über Abstimmungen auf der Internetseite aktiv in die Vereinsgeschäfte eingreifen. 30 Euro gehen direkt an die Fortuna, 9,95 Euro werden für Plattform- und Verwaltungskosten aufgewendet.

Mit Einnahmen von fast einer Million Euro würde der mittlerweile in die Verbandsliga Mittelrhein abgerutschte Traditionsverein wieder nach oben schielen dürfen, die Rückkehr in den bezahlten Fußball ist das mittelfristige Ziel.

Als Pate und Mitglied Nummer eins hat sich Regisseur Sönke Wortmann zur Verfügung gestellt. Ein guter Gedanke: Wortmann zieht, denn Wortmann ist seit der WM so was wie der liebe Onkel Fußball-Deutschlands. Das nötige Know-How dahinter kommt von Dirk Daniel Stoeveken und seiner "alp10 GmbH". Von ihm stammt die Idee, das in England erfolgreiche Projekt FC Ebbsfleet United nach Deutschland zu importieren.

Testspielgegner und Eintrittspreise am PC bestimmen

Der simple Ansatz: Der Internet-User soll als Manager fungieren. Wer soll der nächste Testspielgegner sein? Wie sieht das neue Trikot aus? Sollen die Eintrittspreise erhöht werden? Das soll in Zukunft überall in Deutschland vom PC aus entschieden werden.

Wer dahinter lediglich eine nette Spielerei oder einen PR-Gag vermutet, liegt falsch. "Die Entscheidungen der User werden ganz klar umgesetzt", stellte Stoeveken auf der Kickoff-Pressekonferenz klar. Das sei vertraglich festgelegt.

Grundsätzlich sind so Abstimmungen über alle Entscheidungen des Tagesgeschäfts denkbar, auch wenn die Macher nach dem Prinzip "learning by doing" noch kein Generalversprechen über die exakten Machtbefugnisse der Fans geben wollen.

User bei Aufstellung nur Co-Trainer

Nur beim Thema Aufstellung will man den Usern von vornherein keine Vollmacht ausstellen. Die Community soll vielmehr als Co-Trainer agieren: Die User bestimmen eine Elf, die Trainer Matthias Mink vorgelegt wird - der hat dann das letzte Wort.

"Ist doch eine schöne Herausforderung", meinte der 40-Jährige, der selbst von 1992 bis 1999 in 156 Zweitligaspielen für die Fortuna auf dem Feld stand. Er wird - sofern das Projekt ein Erfolg ist - den Dialog mit den Usern nicht scheuen und sich in Chats und per Video zur Mannschaft äußern. Mink: "Ich bin ein innovativer Mensch, ich werde mich auch mit 30.000 Co-Trainern auseinandersetzen können."

Bei der Fortuna war man, wenn man Präsident Klaus Ulonska Glauben schenkt, vom ersten Moment an Feuer und Flamme für das Projekt. Ob es aufgehen wird, weiß der 65-jährige Ex-Leichtathlet nicht. "Aber ich bin von Natur aus Optimist", so Ulonska, der mit deinfussballclub.de auf die große Wende bei der arg gebeutelten Fortuna hofft: "Unsere treuen Fans und Mitglieder haben bessere Zeiten verdient."

Kein Seelenverkauf

Doch wollen die Fortuna-Fans das überhaupt auf diese Art? Laut Ulonska ja. Ein Treffen mit Vertretern der Fanklubs habe ergeben, dass die Anhänger "nicht nur hundert, sondern dreihundertfünfzig Prozent hinter dem Projekt stehen." Einen Seelenverkauf sieht der Ur-Kölner damit nicht auf die Fortuna zukommen. "Solange ich dabei bin, schlägt das Herz in der Fortuna", verspricht er.

Durchaus skeptisch war hingegen Sönke Wortmann, als er erstmals von dem Projekt hörte. Doch je mehr er sich mit der Materie befasste, desto mehr konnte sich der Regisseur dafür begeistern. Wortmann arbeitet in Köln und so lag es nahe, der Fortuna, der er in Zweitliga-Zeiten öfter mal einen Besuch abstattete, unter die Arme zu greifen.

Er will nun kräftig die Werbetrommel rühren und dabei helfen, die 30.000 Mitglieder so schnell wie möglich zusammen zu bekommen. "Es heißt ja so schön: Geld schießt keine Tore, aber das stimmt ja nicht. Damit wäre der Fortuna schon sehr geholfen." Sich selbst bezeichnet der 48-Jährige als Spielkind: "Ich freu mich drauf."

Vereinsheim platzt aus allen Nähten

Die Medienresonanz war in den ersten Wochen schon gewaltig. Nachdem schon das "ZDF" beim Abschlusstraining fürs Punktspiel gegen GFC Düren drehte und Spieler interviewte, tummelten sich bei der Pressekonferenz rund 50 Journalisten und acht Kamera-Teams im beschaulichen Fortuna-Vereinsheim.

Der erste Effekt war schon nach wenigen Stunden spürbar: Am Nachmittag hatte die Seite Serverprobleme, weil so viele neugierige User vorbei geschaut hatten.

Einige sind gleich geblieben: Knapp drei Wochen nach Start hatte deinfussballclub.de bereits über 3000 Mitglieder.

Artikel und Videos zum Thema