"Bayern-Job wäre eine Ehre"

Fatih Demireli
07. Juni 201617:54
Oktay Mahmuti trainierte Darüssafaka von 2014 bis 2016getty
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Oktay Mahmuti ist einer der erfahrensten Trainer der Turkish Airlines Euroleague und führte mit Darüssafaka Dogus in der abgelaufenen Saison sogar einen Newcomer in die Top16. Der türkische Erfolgscoach über das Projekt in Istanbul, das er nun David Blatt übergeben hat, ein mögliches Engagement in Deutschland und die Gründe, warum die BBL die spannendste Liga Europa ist.

SPOX: Vor einigen Tagen ist Ihre Amtszeit bei Darüssafaka Dogus einvernehmlich zu Ende gegangen. Die Zusammenarbeit war ein aufregendes Projekt, doch es gab wohl auch einige Probleme. Wie bewerten Sie den Abschnitt?

Oktay Mahmuti: Mit Dogus als Sponsor wurde bei Darüssafaka eine neue Ära eingeleitet, was schnell Früchte getragen hat. Wir sind aus der zweiten in die erste Liga aufgestiegen, haben uns gleich für die Euroleague qualifiziert und haben in der abgelaufenen Saison bei unserer ersten Euroleague-Teilnahme die Top 16 erreicht. Das Endspiel um den türkischen Pokal haben wir erst in allerletzter Sekunde verloren, in den Playoffs das Halbfinale erreicht. Wir haben also die Ziele, die wir uns anfangs gesetzt hatten, insgesamt übertroffen. Jetzt sind sowohl der Klub als auch ich bereit für neue Herausforderungen und Aufgaben.

SPOX: Beim Thema Euroleague gab es auch Kritik. Es wurde vermutet, dass Darüssafaka die Wild Card nur durch Beziehungen erlangt habe, da die Dogus-Gruppe eine der Sponsoren der Liga ist.

Mahmuti: Wenn man die Liga etwa auf dem zehnten Platz beendet, bekommt man natürlich keine Wild Card. Wir aber haben letzte Saison den dritten Platz erreicht und uns das verdient. Die Euroleague war eine wichtige Erfahrung für uns, die natürlich auch mit Anlaufschwierigkeiten verbunden war. Man muss bedenken, dass wir es innerhalb eines Jahres vom Aufstiegsaspiranten zum Euroleague-Teilnehmer gebracht haben. Mit der nötigen Unterstützung können diese Erfolge ausgebaut werden. Das Potenzial dazu ist bei Dacka (Abkürzung für Darüssafaka, d. Red.) vorhanden.

SPOX: Bei solchen Projekten ist der Grundsatz des "kontrollierten Wachstums" wohl auch ein Schlüssel zum Erfolg.

Mahmuti: Als ich bei Darüssafaka antrat, war von der Euroleague eigentlich noch gar keine Rede. Wir haben das Ziel früher als erwartet geschafft, doch erst mit der ersten Teilnahme beginnt die wahre Herausforderung. Man muss sich als guter Vertreter des türkischen Basketballs und als seriöse Organisation präsentieren. Das Wichtigste ist, dass der Verein auf einem soliden Fundament steht. Denn schneller Erfolg bestätigt sich nicht immer. Ich kenne viele Klubs, die nach ihrer Euroleague-Teilnahme in der Versenkung verschwunden sind.

SPOX: Mithat Demirel, der seit Oktober Manager bei Darüssafaka ist, hat sich zuvor auch um den deutschen Basketball sehr verdient gemacht. Wie hat sich seine Verpflichtung ausgezahlt?

Mahmuti: Mithat stieß in der Mitte der Saison zu uns. Eine halbe Saison ist zu kurz, um die Eigenheiten des türkischen Basketballs komplett zu verinnerlichen. Trotzdem hat er sich schnell angepasst und war sehr engagiert. Er war der Mannschaft und mir eine große Hilfe.

SPOX: Sie haben in den vergangenen Jahren interessante Stationen durchlaufen und mit Galatasaray, Anadolu Efes und zuletzt Darüssafaka für Vereine mit großer Tradition gearbeitet. Wie haben diese Erfahrungen Sie weitergebracht?

Mahmuti: Es waren von Grund auf unterschiedliche Erfahrungen. Bei Anadolu Efes waren die Strukturen fest verankert, was Vor- und Nachteile mit sich brachte. Darüssafaka war ein neuartiges Projekt. Bei Galatasaray mussten wir dagegen bei null anfangen. Aufgrund der finanziellen Lage gab es viele Probleme, die nur mit viel Hingabe gelöst werden konnten. Es ging vor allem darum, den Verein und die Hoffnungen der Fans am Leben zu halten. Das haben wir geschafft. In meinem ersten Jahr erreichten wir das Playoff-Finale, im zweiten qualifizierten wir uns für die Euroleague. So konnten wir auch das Zuschauerinteresse wieder steigern. Zu Beginn meiner Amtszeit wurden die Spiele eher spärlich besucht, gegen Ende der zweiten Saison kamen so viele Fans in die Abdi Ipekci Arena, dass bei manchen Spielen vier bis fünf Tausend draußen bleiben mussten. Und all das haben wir mit einem sehr begrenzten Budget erreicht.

SPOX: Das hört sich nach sehr bereichernden Erfahrungen an.

Mahmuti: In diesem Jahr erschien in türkischen Medien eine Statistik. Sie besagt, dass es unter den Coaches der diesjährigen Euroleague nur drei gibt, die mehr als 200 Partien bestritten haben: Zeljko Obradovic, Dusan Ivkovic und mich. Meine Stationen haben mich also sowohl persönlich als auch professionell weitergebracht. Ich habe alles erlebt und viel Erfahrung gesammelt. Vor allem meine analytischen Fähigkeiten konnte ich dadurch weiterentwickeln.

SPOX: Der Sport in der Türkei ist kein einfaches Umfeld, gerade auch im Basketball. Neben Fenerbahce, Galatasaray und Besiktas gehört auch Anadolu Efes zu den Vereinen mit großen Zielen. Haben Sie je daran gezweifelt, mit Darüssafaka in die Phalanx dieser Großklubs einbrechen zu können?

Mahmuti: Das muss man differenziert sehen, denn hier sehe ich ein wesentliches Problem im türkischen Sport. Wir gehen bei der Bewertung des Sports nicht analytisch vor, sondern sehr emotional. Wer keinen Titel holt, gilt automatisch als erfolglos. Welche Fortschritte man gemacht und welche Ziele man erreicht hat, wird völlig außer Acht gelassen. Wir leben in einer Gesellschaft, in der man den Meister hochjubelt und den Zweiten niedermacht. Von dieser Einstellung sollte man sich etwas lösen. Ich gebe Ihnen ein Beispiel aus dem Fußball...

SPOX: Bitte.

Mahmuti: Bei der EURO 2008 hießen die Trainer der vier besten Mannschaften Luis Aragones, Joachim Löw, Fatih Terim und Guus Hiddink. Neben der Tatsache, dass sie mit ihren Mannschaften das Halbfinale erreichten, hatten diese vier Namen eine weitere Gemeinsamkeit: Sie alle wurden als Trainer in der Türkei entlassen! Und genau die gleiche Mentalität herrscht leider auch im Basketball. Diese Einstellung und die fehlende Geduld sind die größten Hindernisse für die Weiterentwicklung des türkischen Sports.

SPOX: Gleichzeitig gibt es weiterhin viele Feindschaften, Ausschreitungen und Eskalationen, die nicht gerade förderlich sind.

Mahmuti: Das ist eines der größten Probleme im türkischen Sport. Ich schaue mir inzwischen keine Fußballspiele mehr an. Viele andere auch nicht mehr. Sport soll den Menschen Spaß machen und sie unterhalten, doch in der Türkei entwickelt er sich in eine ganz andere Richtung. Das ist eine ernsthafte Gefahr, die nicht nur über einzelne Sportarten hinausgeht, sondern vielleicht sogar ganz über den Sport hinaus. Es werden zwar Schritte dagegen unternommen, doch die alten Probleme treten immer wieder auf.

SPOX: Es kommt sogar im Rollstuhlbasketball vor, dass Fans aufeinander losgehen. Wie neulich in Zwickau, als sich Fans von Galatasaray und Besiktas prügelten.

Mahmuti: Das ist der Punkt. Egal in welcher Sportart, sobald es ein Derby gibt, steht nicht mehr das Spiel im Vordergrund, sondern Ausschreitungen, Beleidigungen und andere Zwischenfälle. Als jemand, der persönlich einen Krieg miterlebt hat, kann ich sagen: Mit Kampf und Streit gibt es keine Entwicklung.

SPOX: Sehen Sie für sich eine Zukunft in der Türkei?

Mahmuti: Als Trainer ist es nicht einfach, langfristig zu planen. Ich habe vor einigen Jahren bei Benetton Treviso in Italien gearbeitet und damit eine tolle Erfahrung gemacht. Das gewohnte Umfeld hinter mir zu lassen und nochmal eine neue Herausforderung im Ausland anzugehen, ist sicher eine aufregende Option.

SPOX: In letzter Zeit haben einige europäische Trainer den Schritt in die NBA gewagt. Ettore Messina, Assistant Coach bei den San Antonio Spurs, ist ein Beispiel dafür. David Blatt, der bereits in der Türkei gearbeitet hat und jetzt ihr Nachfolger bei Darüssafaka wird, trainierte ebenfalls in der NBA. Wie sieht es bei Ihnen aus, planen Sie Ihre Karriere weiterhin in Europa oder haben auch Sie die NBA im Hinterkopf?

Mahmuti: Ich habe mich schon immer eher dem europäischen Basketball verbunden gefühlt, meiner Meinung nach bietet er mehr Substanz und mehr Spannung. In der NBA steht meiner Meinung nach die Individualität im Vordergrund, in Europa dagegen das mannschaftliche Gefüge.

SPOX: Können Sie das näher erklären?

Mahmuti: Lassen Sie es mich mit einem Beispiel verdeutlichen: Die NBA ist für mich der Film "Rambo", der europäische Basketball dagegen "Der Pate".

SPOX: Ein interessanter Vergleich.

Mahmuti: Den "Paten" kann ich mir fünf Mal ansehen, auf "Rambo" kann ich dagegen ganz verzichten (lacht). Das sagt natürlich nichts über die Qualität der Filme aus. Doch um zum Basketball zurückzukommen: Das Spiel in der NBA wird von einzelnen Spielern und ihren Fähigkeiten dominiert, in Europa ist die mannschaftliche Geschlossenheit wichtiger.

SPOX: Die Brose Baskets Bamberg stehen kurz davor, zum zweiten Mal in Folge deutscher Meister zu werden. Der Verein hat auch in der Euroleague bereits Teilerfolge erzielt, eine Teilnahme am Final Four blieb bislang aber aus. Was fehlt dazu Ihrer Meinung nach?

Mahmuti: Bamberg hat in den letzten Jahren viel investiert und es geschafft, sich von Jahr zu Jahr zu verbessern. Ich stand ihnen mit meinen Mannschaften mehrmals gegenüber, und jedes Mal präsentierten sie sich stärker als zuvor. Sie haben also einen sehr guten Level erreicht. Ob das bereits ihr Zenit ist oder ob es weiter nach oben geht, wird sich noch zeigen.

SPOX: Bamberg kämpft im Finale um die deutsche Meisterschaft. Ihr Halbfinal-Gegner Bayern München macht dagegen schwere Zeiten durch. Ähnlich wie Dacka wurden sie durch große Investitionen zu einer Spitzenmannschaft, haben aber ebenfalls mit Rückschlägen zu kämpfen. Sehen Sie Parallelen?

Mahmuti: Zwischen Bayern und Bamberg gibt es sehr große Unterschiede. Bayern ist ein großer und mächtiger Verein, der neben dem Basketball vor allem im Fußball und vielen weiteren Branchen tätig ist. Bamberg hat dagegen durch seinen Hauptsponsor eher einen wirtschaftlichen Background. Vereine wie Bayern, die mit großer Fan-Unterstützung und bewährten Strukturen über die Jahre zur Marke gewachsen sind, werden immer große Vereine bleiben. Daran ändern auch verpasste Meisterschaften nichts.

SPOX: Was Sie über Bamberg sagen, gilt auch für Darüssafaka, auch hier gibt es einige Gemeinsamkeiten. Sie haben gesagt, dass Sie gerne in Europa arbeiten würden. Bei Bayern München könnte es einen Umbruch geben. Würde Sie der Trainerposten reizen?

Mahmuti: Zwischen Bamberg und Darüssafaka gibt es zwar Ähnlichkeiten, aber auch einige Unterschiede. Darüssafaka geht aus einer traditionsreichen Bildungsreinrichtung hervor und hat eine lange Basketball-Geschichte. Der Verein hat viel zum türkischen Basketball beigetragen und viele Spieler hervorgebracht. Außerdem ist der Klub einer der Vorreiter, wenn es um soziale Projekte geht. Ein Angebot von Bayern München wäre natürlich eine große Ehre. Bayern ist eine wachsende Marke im Basketball mit sehr großem Potenzial. Wenn man mich fragt, kann der Verein in Zukunft eine tragende Rolle im deutschen Basketball einnehmen. Jeder Trainer würde sich freuen, ein Teil dieses Projekts zu sein.

5 Fragen zum FC Bayern Basketball: Das große Köpferollen?

SPOX: Für Spieler und Trainer ist ein Engagement im türkischen Basketball auch finanziell sehr reizvoll. In Deutschland werden solche Gehälter bislang nicht gezahlt...

Mahmuti: In der Türkei wird derzeit in so gut wie allen Sportarten sehr viel investiert, besonders im Basketball. Die türkische Liga ist die vielleicht umkämpfteste Basketball-Liga Europas, die spanische ACB die mit der größten Tradition. Doch die deutsche BBL macht die richtigen Schritte und ist die Liga mit der vielversprechendsten Zukunft.

SPOX: Woran kann man das festmachen?

Mahmuti: Dafür reicht schon ein Blick auf die Zuschauerzahlen. Die Vereine erfahren eine sehr große Unterstützung und konnten das Interesse in den letzten Jahren noch steigern. Noch wichtiger aber ist, dass Deutschland inzwischen im Jugendbereich in allen Altersgruppen jeweils ein bis zwei Spieler mit NBA-Potenzial hat. Natürlich gibt es bei einzelnen Teams noch Möglichkeiten für Verbesserungen, doch sie haben hoffnungsvolle Spieler und sind gut für die Zukunft aufgestellt. Geld spielt im Basketball immer eine bestimmende Rolle, doch eine langfristig angelegte Planung ist genauso wichtig und aufregend.