Deutschland: Octopussy und seine Gang

Haruka Gruber
29. August 201002:09
Als Minimalziel hat Bundestrainer Dirk Bauermann das Achtelfinale ausgegebenImago
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Enigma, Freak of Nature oder Mr. Nobody: Das DBB-Team liest sich wie ein Treffen der Comic-Helden. Doch wer sind die deutschen Hoffnungsträger? Das Kennenlernen lohnt sich...

SPOX

Center

Tibor Pleiß (20, Bamberg)

Tibor PleißImagoDer neue Fixpunkt der Bauermann-Verteidigung. Kann ein Spiel dominieren, ohne dass es in den Statistiken ablesbar ist, weil gegnerische Guards aus Furcht vor Pleiß-Blocks erst gar nicht zum Korb ziehen oder überhastet abschließen.

Begann die Vorbereitung verhalten, war bei der Griechenland-Klatsche überfordert, steigerte sich jedoch zusehends. Erzielte im letzten Testspiel gegen zugegeben unmotivierte Puertoricaner 16 Punkte (6 von 8) und lieferte sich im Supercup gegen die Türkei ein interessantes Duell mit dem zukünftigen Bulls-Center Asik. Griff sich in den letzten fünf Testspielen im Schnitt gute 5,8 Rebounds ab.

Hausaufgabe bei der WM: konstanter scoren, das weiche Wurfhändchen dafür hat er. Was dem 31. Draft-Pick für eine NBA-Karriere hingegen noch fehlt, ist Körpermasse. Sein Spitzname: Oktopus - wegen den dünnen, unendlich langen Ärmchen.

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Chris McNaughton (27, nächste Saison Oldenburg)

SPOXImagoMr. Nobody des DBB-Teams. Selbst vielen Basketball-Fans sagte er vor der Saison nichts, überzeugte jedoch beim Überraschungsteam Göttingen, das dank McNaughtons 22 Punkten in 15 Minuten im Endspiel gegen Samara die EuroChallenge gewann.

McNaughton kann nichts außergewöhnlich gut, hat aber auch nur wenig Schwächen. Oder wie Bundestrainer Bauermann es formuliert: "Er ist ein reiner Brettspieler, der fast fehlerlos agiert." Dennoch kam seine Nominierung überraschend, immerhin steht er mit 27 Jahren nicht für den eingeschlagenen Jugendkurs.

Wurde nun von BBL-Topklub Oldenburg angeworben - eine imposante Entwicklung, nachdem der Ex-College-Spieler 2009 noch in der dritten spanischen Liga unter Vertrag stand.

Power Forward

Jan Jagla (29, Asseco Prokom/Polen)

SPOXImagoDie Wandlung vom ewigen Nowitzki-Abklatsch zum Führungsspieler ist abgeschlossen: Bei der WM soll Jagla vor allem im Angriff die junge Mannschaft führen. "Der Coach hat das Spiel sehr auf mich zugeschnitten: Es geht dabei nicht nur darum, dass ich Punkte mache, sondern darum, dass ich den Ball viel in der Hand habe und Entscheidungen treffe", sagt Jagla.

Bisher mit Erfolg: Vor allem gegen die Türken überzeugte er mit 14 Punkten, 6 Rebounds und 9 Assists als Point Forward. Sein Punkteschnitt in den letzten fünf Testspielen: exzellente 17,0 Zähler.

Tim Ohlbrecht (21, Bonn)

SPOXImagoHat in Bonn letztes Jahr den Sprung zum wertvollen BBL-Spieler geschafft. Wird dank seiner Vielseitigkeit (Center/Power Forward) zusammen mit Pleiß und Jagla die Drei-Mann-Rotation auf den beiden großen Positionen bilden. Sein Dreier fiel in der Vorbereitung regelmäßig, überzeugend vor allem der Vorbereitungsabschluss gegen Puerto Rico mit perfekter Quote: 6 von 6, darunter vier Dreier, für 18 Punkte.

In den Testspielen zuvor jedoch zu unbeständig und zu anfällig für unnötige Fouls (über 4 im Schnitt). Arbeitet er weiter an den Defiziten, ist die NBA nicht so unrealistisch, wie es scheint. Ohlbrecht blieb beim Draft zwar unberücksichtigt, aber angeblich hat er gute Chancen, nächstes Jahr in der Summer League vorzuspielen. Unter anderem soll er von den Rockets beobachtet werden.

Small Forward

Robin Benzing

SPOXImagoDas Enigma. Talent ist unbestritten, zuletzt entzündete sich an ihm aber eine Debatte darüber, ob er die richtige Einstellung mitbringt. Schien für eine starke WM gerüstet, nachdem er von Trainer-Legende Svetislav Pesic drei Wochen privat unterrichtet wurde und am prestigeträchtigen Eurocamp teilnahm. Seine Form in der Vorbereitung ähnelte jedoch dem Verlauf einer Amplitude. Seine Ausbeute in den letzten fünf Partien: 6 Punkte, 0 Punkte, 10 Punkte, 2 Punkte, 16 Punkte.

Das jedoch ändert nichts daran, dass Benzing mit seinen 2,10 Metern und dem eleganten Zug zum Korb fast alles für einen Small Forward europäischer Güteklasse mitbringt. Einzige Bedingung: Etwas mehr Muskeln und etwas weniger Dreier.

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Elias Harris (21, Gonzaga University)

Elias HarrisImagoEnergiebündel, Rebound-Derwisch, Freak of Nature. Kein anderer Deutscher kommt an die Athletik von Harris heran, der als Benzing-Backup von der Bank kommend mit seinem so undeutschen Basketball-Stil den Gegner überraschen soll. Vorbildliche Einstellung gepaart mit dem Riecher für Rebounds und der Vorliebe für Dunks.

Musste jedoch im Sommer erkennen, dass ihm trotz John Stocktons Nachhilfe und einer starken Rookie-Saison am College noch die Spielübersicht abgeht, die einen Small Forward internationaler Klasse auszeichnet. Scorte in der Vorbereitung nur einmal zweistellig (13 Punkte im ersten Spiel gegen Puerto Rico).

Hier geht's weiter mit den Guards:

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Shooting Guard

Demond Greene (31, nächste Saison FC Bayern)

SPOXImagoDer einzige Spieler im Kader, der über 30 Jahre alt ist. Dementsprechend von Bauermann als Leitfigur angedacht, steckt jedoch im Formtief und muss sich selbst erst aus dem Loch ziehen. Warf in den letzten drei Partien fast nur Backsteine (3 von 16), erzielte außerdem in der kompletten Vorbereitung nur einmal mehr als 7 Punkte in einem Testspiel.

Bleibt dennoch unumstritten. War bereits vor der EM 2009 abgeschrieben, überraschte aber und war der beste Veteran im deutschen Team. Und: Mit seiner physischen Art bleibt er in Bauermanns Defensiv-Konzept unverzichtbar.

Lucca Staiger (22, Berlin)

SPOXImagoSein überhasteter Wechsel von Iowa State nach Berlin galt als Karriere-Selbstmord - und tatsächlich: Wie befürchtet spielte Staiger im weiteren Saisonverlauf keine Rolle (3,3 Punkte).

Vom reinen Talent her dennoch der begabteste Guard Deutschlands und kommende Saison zumindest eine Option für die Alba-Rotation. Exzellenter Distanzschütze, hoher Basketball-IQ, gelegentlich sogar mit einem Drive zum Korb. Was ihm noch fehlt, ist etwas mehr Toughness und Abgeklärtheit.

Startete gut in die Vorbereitung (9,3 Punkte im Schnitt), baute zuletzt aber ab (insgesamt 8 Punkte in den letzten drei Spielen).

Philipp Schwethelm (21, Bremerhaven)

SPOXImagoEine der größten Überraschungen der vergangenen BBL-Saison. Aus dem wohl bekannten Köln zog er ins für deutsche Basketballer bekanntlich schwierige Bremerhaven und setzte sich dennoch durch. Stand über 21 Minuten pro Spiel auf dem Parkett und bewies, dass er nicht nur ein reiner Dreierschütze ist. Bringt außerdem mit 2,01 Meter Idealmaße für die Zwei und Drei mit.

Bei der WM ist für ihn jedoch lediglich ein Platz ganz weit hinten in der Rotation angedacht. Wirkte in den Testspielen ob seiner Nervosität gelegentlich verloren, außerdem ist die Konkurrenz auf der Shooting-Guard- und Small-Forward-Position zu groß.

Point Guard

Steffen Hamann (29, nächste Saison FC Bayern)

Steffen HamannGettyWegen seiner notorischen Dreier-Schwäche nach wie vor umstritten - nur nicht bei Bauermann, der früh keine Zweifel ließ, dass Hamann weiter der Starting-Point-Guard ist. Dabei hatte dieser ein Horror-Jahr hinter sich: miserable EM, schwache BBL-Saison, gekrönt mit dem Quasi-Rauswurf in Berlin.

Mit entsprechender Wut im Bauch startete Hamann in die WM-Vorbereitung und knüpfte zumindest phasenweise an die Leistungen aus Bamberger Zeiten an. Er verteidigt wieder mit Passion, zieht energischer in die Zone und organisiert das Spiel mit mehr Weitsicht als noch bei der EM. Und: Bei Bedarf schnauzt er die jungen Mitspieler an, wenn diese sich nicht an den Gameplan halten.

Heiko Schaffartzik (26, nächste Saison Ankara)

SPOXImagoDer Liebling der Massen, begeisterte bei der EM selbst Basketball-Unkundige mit spektakulären No-Look-Pässen und hochprozentigen Wurfquoten. Doch nach einem märchenhaften Jahr 2009 hat Schaffartzik etwas an Faszination eingebüßt.

Erst baute er in Braunschweig im Verlauf der Saison ab und traf am Ende nicht einmal 30 Prozent der Dreier, dann enttäuschte er in der Vorbereitung und beendete keines der elf Testspiele im zweistelligen Punktebereich. Sein Schnitt: bescheidene 5,6 Zähler. Verkörpert in Topform aber das gewisse Etwas.

Per Günther (22, Ulm)

SPOXImagoSeine Nominierung war ähnlich erstaunlich wie bei McNaughton und Schwethelm. Ist erst 22, sieht aber aus wie 16. Schaffte gemeinsam mit Benzing in Ulm den Sprung in die Starting Five und behielt die Rolle die Saison über, ohne aber nachhaltig in Erinnerung zu bleiben (6,6 Punkte, 2,5 Assists in 25 Minuten).

Ähnlich unauffällig verlief die Vorbereitung - bis zum letzten Testspiel, als er dem aus aktuellen und ehemaligen NBA-Spielern bestehenden Backcourt Puerto Ricos 10 Punkte in weniger als 15 Minuten einschenkte.

Das WM-Power-Ranking: It's lonely at the top...