Unwiderstehlich auf Titeljagd: Alexander Zverevs Siegesserie geht in Madrid weiter

Von Jörg Allmeroth
Zverev setzte sich in Madrid durch.
© getty

Alexander Zverev hat beim ATP Masters 1000 in Madrid seine Siegesserie in beeindruckender Manier fortgesetzt. Im Endspiel besiegte er Dominic Thiem in zwei Sätzen und sicherte sich einen imposanten dritten ATP-Titel auf Masters-Ebene.

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Vor mehr als 30 Jahren stürmten sie gemeinsam auf den Gipfel der Tenniswelt. Ion Tiriac, der gerissenste Geschäftemacher im Wanderzirkus. Und Boris Becker, sein unwiderstehlicher Schützling. Drei Wimbledon-Triumphe feierten sie gemeinsam, auch noch den Sprung auf Platz eins der Rangliste, dann trennten sich der Star und sein lange unverzichtbarer Berater.

Am Sonntag saßen sie nun, wiedervereint und in trauter Harmonie, in einer Ehrenloge des Madrider Masters-Turniers zusammen, Becker und Tiriac. Der Transsylvanier ist dort der Impresario, er hat den Wettbewerb zu einem der wichtigsten Schauplätze neben den Grand Slams gemacht.

Und Becker, sein Gast, ist der Abteilungsleiter des deutschen Herrentennis, aber ganz nebenbei auch so etwas wie ein klammheimlicher Chefberater von Alexander Zverev. Was die beiden Großmeister der Branche am frühen Abend auf dem Centre Court zu sehen bekamen, war nichts weniger als ein weiterer Meilenstein-Moment in der Karriere eben jenes Zverevs, des 21-jährigen Hamburgers mit dem nicht zu bremsenden Drang nach oben.

Boris Becker: "Zverevs Fortschritte sind unglaublich"

Und auf dem Weg, immer höhere Ziele zu verwirklichen. "Er ist noch längst nicht am Ende seiner Möglichkeiten, er fängt ja gerade erst an", sagte Becker nach dem 6:4, 6:4-Sieg Zverevs im Finale gegen den Österreicher Dominic Thiem, "aber seine Fortschritte sind einfach unglaublich."

Zverevs Wachstum ist tatsächlich imponierend. Sowohl, was seine Mentalität als Spitzenkraft und seine spielerischen Fortschritte angeht. Als auch schwarz auf weiß, was die nackten Zahlen und Fakten betrifft. Denn Madrid war schon Zverevs dritter Masters-Coup, keiner neben den Big Four, also Roger Federer, Rafael Nadal, Novak Djokovic und Andy Murray, hat unter den aktiven Profis mehr dieser Elitetrophäen eingesammelt.

Und niemand stand in den letzten zwölf Monaten öfters in diesen Masters-Endspielen als der junge deutsche Riese, gleich vier Mal kämpfte er um den Titel, gewann drei Mal und verlor nur Anfang April in Miami gegen John Isner (USA). "Er ist der Beste unter allen jungen Spielern im Moment. Und wohl auch perspektivisch", sagt der ehemalige australische Wimbledonsieger Pat Cash.

Seit ein paar Jahren schwärmen die Experten bereits über Zverevs Potenziale, aber selbstverständlich war da immer ein großer Unsicherheitsfaktor dabei. Der Zweifel, ob dieses gewaltige Talent auch den schwierigen Transfer vom Juniorentennis ins Erwachsenentennis schaffen würde.

Alexander Zverev: Hinter Federer und Nadal Best of the Rest

Aber seit dem Frühling 2017 hat Zverev gegen die Fragezeichen immer neue Ausrufezeichen gesetzt, die Weltrangliste lügt ja nie, dort steht er hinter den beiden alten Granden Federer und Nadal souverän auf Platz 3. Er ist der Beste neben diesen beiden Titanen, die Nummer 1 nach "Fedal".

Zverev hat vor allem eine erstaunliche Widerstandskraft entwickelt bei seinen Tourabenteuern rund um die Welt. Genau so wichtig wie die zupackende Energie in großen und mittelgroßen Finals ist seine Qualität, aus Niederlagen zu lernen und die richtigen Schlüsse aus manchem Scheitern zu ziehen. "Früher war ich nach Niederlagen oft ein paar Tage nicht ansprechbar, da war ich viel zu negativ", sagt Zverev, "jetzt analysiere ich diese Fehler schnell und präzise. Und mache nicht mehr die gleichen Fehler."

Wie ein Stehaufmännchen kam der 21-jährige immer wieder zurück nach Enttäuschungen, gerade nach bitteren Knockouts auf Grand Slam-Niveau. Wie etwa im letzten Sommer, nach dem unnötigen Achtelfinal-Aus in Wimbledon. In jenem Sommer 2017 holte er dann noch den zweiten Masters-Titel in Kanada gegen Federer.

Auch in dieser Saison hätte es anders laufen können für einen Zverev, der sich das Scheitern in bestimmten Momenten zu sehr zu Herzen genommen hätte. Bei den Australian Open verlor er zu früh, dann ließ er die Titelchance beim Miami-Masters aus. Aber Zverev kam wieder, man muss sagen: immer wieder.

Er verteidigte, erstmals in seiner Karriere, einen Titel, den beim ATP-Turnier in München. Und er gewann gleich hinterher noch den Pokal in Madrid, auch wieder ohne Satzverlust, sogar ohne Aufschlagverlust. "Das ist schon verrückt. Es ist ein großartiges Gefühl, wenn du spielst, wie du es dir immer wünschst", sagte Zverev, der in der Jahreswertung der ATP (also seit Saisonstart) nun sogar auf Platz 2 vorgerückt ist.

Alexander Zverev zurück am Ort des ersten Masters-Triumphes

Zverevs Parforceritt in diesem Frühling geht in dieser Woche in Rom weiter, er ist der Titelverteidiger, er gewann dort im letzten Jahr seine erste Masters-Trophäe gegen eine gewissen Novak Djokovic. Aber natürlich geht der Blick nun schon weiter, zu der ganz heißen Saisonphase, in der rasch hintereinander zwei der vier Grand Slam-Titel vergeben werden, erst in Paris, dann in Wimbledon.

Kann Zverev dort seine Major-Bilanz aufbessern, vielleicht sogar die große Wende einleiten. Bisher war er bei den Grand Slams nur ein Nebendarsteller, einer, der nicht mehr dabei war, wenn das Turnier in seine entscheidende Phase trat. Zverev sagt, er habe auf den Grand Slam-Bühnen "zu viel zu schnell" gewollt, er müsse Geduld haben. "Viele vergessen, dass ich erst 21 Jahre alt bin. Da ist ein Grand Slam-Titel ja keine Selbstverständlichkeit", sagt Zverev.

Becker, der alte Champion, kennt sich bestens aus mit Anspruchsdenken, seit jenen Tagen, da er mit 17 Jahren auf den Wimbledon-Thron stürmte. Aber diese Zeiten sind vorbei, es dauert nun länger, um in Reichweite der Toptitel zu kommen, manche schaffen das erst an der Schwelle zu ihren Dreissigern. Oder jenseits der Dreißig. "Man muss einfach die Ruhe bewahren", sagt Becker, "Sascha wird seinen Weg gehen. Und auch Grand Slams gewinnen. Wann, das weiß eben niemand."

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