NFL

Blutverschmiert und durchgeschüttelt

Von Alexander Mey
Das SPOX-Team beim abendlichen Football-Training gegen die Straubing Spiders
© spox

Aktive Vorbereitung auf den Start der NFL-Saison. SPOX hat sich mal wieder in Action begeben und bei Football-Landesligist Straubing Spiders eine Trainingseinheit absolviert. Mit prägenden Erkenntnissen.

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Ich, der Nose Tackle. Für alle, die jetzt nur Bahnhof verstehen: Nose Tackle, das ist der Typ beim American Football, der in der Defense Line direkt gegenüber vom Center steht. Ein echter Hüne eben, zwei Meter groß, 150 Kilo schwer.

Davon bin ich meilenweit entfernt. Ich bin weder zwei Meter groß noch 150 Kilo schwer. Nicht mal annähernd. Nose Tackle bin ich trotzdem. Grund: Es gibt keinen besseren.

Die Jungs vom Landesliga-Team der Straubing Spiders sind wohl der Meinung, dass ich wegen meines - wie Sky-Reporter Fritz von Thurn und Taxis sagen würde - bulligen Körperbaus als einziger in meinem Team in der Line realistische Überlebenschancen habe.

Große Klappe der SPOX-Redakteure

Mein Team, das ist ein Haufen aus SPOX-Redakteuren, Praktikanten, Technikern und Video-Producern, der den irren Plan gefasst hat, zum Auftakt der NFL-Saison mal am eigenen Leib zu erfahren, was es bedeutet, American Football zu spielen.

Eine große Klappe hatten sie vorher, unsere US-Sport-Experten, wollten den Landesliga-Jungs mal zeigen, was man als jahrzehntelanger NFL-Couch-Profi so an Trickspielzügen drauf hat.

Dumm nur, dass das SPOX-Team in die Defense gestellt wurde. Nichts war es mit Trickspielzügen, Härte war gefragt. Und davon eine Menge.

Mittelschweres Schleudertrauma bei Regelmann

Kurze Zusammenfassung der knapp 90-minütigen Trainingssession: Ein mittelschweres Schleudertrauma beim Kollegen Regelmann, der auch Tage danach nicht darüber hinwegkommt, dass ein Wide-Receiver einfach durch ihn durch gerannt ist, anstatt ihm, dem Cornerback, auszuweichen.

Ähnliches berichtet auch Kollege Böhmer, der das Treffen mit den Spiders um mySPOX-User Master Of Disaster alias Maximilian Andorfer organisiert hat. "Einfach umgerannt", sagt er fassungslos und trägt seinen blau-gelb-grünen Oberarm zur Schau. Dort, wo sein viel zu mickrig geratener Quarterback-Protektor - siehe große Klappe und Trickspielzüge - aufgehört hat, traf ihn der Helm des Gegenspielers. Dumm gelaufen.

Blog: So hat Master Of Disaster die SPOX-Trainingssession erlebt

"ESPN Sports Science" hat einmal in einem Versuch herausgefunden, dass Running Back Brandon Jacobs einen stehenden Verteidiger mit einer Kraft von mehr als einer Tonne trifft. ESPN-Reporter John Brenkus mimte den Verteidiger und wurde wie eine Gummipuppe durch die Luft geschleudert.

VIDEO: Brandon Jacobs pumpt ESPN-Reporter um

Ich, der "schwitzende, ringende Trottel"

Das ist mir nicht passiert. Wenn man in der Line steht, kann man zum Glück keinen Anlauf nehmen. Man steht einfach da, versucht sich gegenseitig wegzudrücken - und bekommt vom Spiel nicht das Geringste mit.

Sucht man nach einer Beschreibung für das, was ein Nose Tackle im Spiel zu tun hat, stößt man auf  Schlagworte wie "dumme Position", "sagt nur Oof, Gff oder Ungh" und "fetter, schwitzender, ringender Trottel". Das ist also meine Position. Cool!

Ignaz - eigentlich ein netter Kerl

Mein Gegenüber, der Center, der dem Quarterback den Ball übergibt und damit etwas durchaus Sinnvolles tut, bevor er sich mit mir in den Ringkampf begibt, wird von allen Ignaz gerufen. Zu meinem großen Glück ist auch er keine zwei Meter groß und 150 Kilo schwer wie einige seiner Kollegen in der NFL, aber für mich reichen seine 1,80 Meter bei knapp 105 Kilo locker.

Er ist ein echt netter Kerl, grinst mich immer wieder an - oder lacht er mich aus? - und fragt mich nach jedem Ringkampf, der für mich meistens auf der klatschnassen Wiese endet, ob ich mir irgendwas getan habe.

Habe ich natürlich nicht, schließlich bin ich ja auch kein Weichei, denke ich mir und werde von Spielzug zu Spielzug mutiger. Manchmal probieren die Spiders in der Offense etwas aus, wollen Lücken in der Line reißen, durch die der Running Back stoßen kann.

Der albernste Sack aller Zeiten

Bei solchen Gelegenheiten gelingt es mir manchmal, der Urgewalt von Ignaz auszuweichen und durch eine Lücke drei Meter zu laufen. Ein Luxus, den man als Nose Tackle nicht oft genießt. Ist bei 150 Kilo wohl auch besser so.

Als einmal der Quarterback selbst laufen will, kommt mein großer Moment. Ich entkomme Ignaz' eisernem Griff, schnappe mir den Quarterback und hänge mich so lange an ihn, bis er endlich fällt.

Sack! Sieht im Vergleich zu der unglaublichen Power, die bei einem echten Sack wirkt, vielleicht albern aus, aber egal: Sack! Von einem Nose Tackle! Riesenjubel im SPOX-Team, das bis dahin schon so einige Touchdowns über sich ergehen lassen musste.

VIDEO: Ndamukong Suh demonstriert einen fürchterlichen Sack

Willkommen auf dem Boden der Tatsachen!

Ich bin kurz davor, mich richtig gut zu fühlen, bis mir die Jungs von den Spiders sagen, dass ich den Quarterback gar nicht hätte umreißen dürfen, weil er keine Protektoren und keinen Helm anhatte. Weiß ich doch nicht, bin doch nur ein schwitzender, ringender Trottel!

Ich beschließe, mich trotzdem super zu fühlen, habe allerdings Ignaz nicht auf der Rechnung. Dem hat offenbar nicht so gut gefallen, dass ich gerade seinen Schutzbefohlenen umgerissen habe.

Folge: Beim nächsten Spielzug macht er ernst. Zum ersten und wahrscheinlich auch einzigen Mal. Anstatt mit ihm wie gewohnt zu ringen, bin ich nur ein Opfer seiner Power und falle wie ein nasser Sack auf den Rücken. Willkommen auf dem Boden der Tatsachen!

Stechmücken sind das größte Problem

Irgendwann während dieser ganzen Ringkämpfe bekomme übrigens auch ich einen Helm auf den Oberarm und trage die gleiche Trophäe wie der Kollege Böhmer davon. Die Farbe der Prellung ist mittlerweile gelb.

Und auch den blutverschmierten Unterschenkeln geht es mittlerweile wieder gut. Für die konnten die Spiders aber nichts. Die waren Ergebnis von Milliarden von Stechmücken auf dem Trainingsplatz in Straubing.

Dass ich das erwähne, zeigt, dass das komplette SPOX-Team letztlich ohne große Blessuren seine außergewöhnliche Trainingssession beendet hat.

Fazit: Mehr Respekt vor dem, was Footballer machen

Fazit: Football ist hart, richtig hart. Eben eine der letzten Männer-Bastionen. Aber es macht Spaß, wenn man ein wenig den Dreh raus hat. Trotzdem bleiben wir lieber hauptberuflich Berichterstatter, denn was wir gegen ein deutsches Landesliga-Team erlebt haben, ist lächerlich gegen das, was ein NFL-Team mit uns gemacht hätte.

"Im Fußball kann es mal passieren, dass ein Viertligist einen Erstligisten schlägt. Im Football ist so etwas völlig ausgeschlossen", geben uns die Spiders zum Abschied mit auf den Weg.

Wir schreiben es uns hinter die Ohren und halten es mit den Lehren, die der Kollege Regelmann aus seinem schmerzhaften Abend gezogen hat: "Es ist echt krass, was da selbst auf niedrigem Niveau abgeht. Ich werde auf jeden Fall ab jetzt nicht mehr gleich schimpfen, wenn ein Cornerback in der NFL alt aussieht."

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