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"Ich sage jetzt nicht jeden Tag zu meinem Spiegelbild: 'Geil, ich bin Weltmeister!'": NBA-Star Moritz Wagner im Interview

Von Martin Fünkele
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© getty

Moritz Wagner über die Effekte des WM-Erfolgs, sein Leben in der NBA und bei den Orlando Magic und den Versuch, bei allem Hype, das Menschliche in den Vordergrund zu stellen. Das komplette Interview mit Moritz Wagner lest Ihr in BIG #135.

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Moritz Wagner, geboren am 26. April in Berlin, gab als 17-Jähriger für Alba Berlin sein Debüt in der Bundesliga und in der EuroLeague. Danach verbrachte er vier Jahre an der University of Michigan und erreichte in seinem Abschlussjahr das Endspiel um die College-Meisterschaft. Anschließend wurde Wagner 2018 von den Los Angeles Lakers als 25. Spieler in der NBA-Draft ausgewählt. Nach einem Jahr bei den Lakers folgten Stationen in Washington und Boston. Seit 2021 spielt Wagner in Orlando gemeinsam mit seinem Bruder Franz. Für das Nationalteam lief Wagner 28-mal auf, wurde 2021 beim Olympia-Qualifikationsturnier zum MVP gewählt und 2023 Weltmeister.

Moe oder Moritz?

Moritz Wagner: Moritz! Der Moe ist nur für die Amis, die Moritz nicht aussprechen können.

Moe wird in Deutschland gerne genommen, weil es zu dem lustigen Typ passt, den du Off-Court oft gibst. Wie wichtig ist dir dein Image?

Wagner: Ehrlich gesagt, weiß ich nicht so recht, wie sich mein Image definiert. Ich bin ein großer Fan von Authentizität. Ich mache mir keine großen Sorgen darüber, was andere über mich denken. Das sagen viele, aber es ist ja auch ein menschlicher Instinkt, sich darüber Gedanken zu machen, wie man wahrgenommen wird. Ich versuche meine Energie darauf zu konzentrieren, so rüberzukommen, wie ich bin. Ich finde es auch im Basketball-Kontext wichtig, den Menschen zu zeigen, der man ist. In Interviews sind mir Standardfloskeln deshalb oft zu langweilig - ich bin eher der Freischnauze-Typ.

Heißt das, du vermeidest bestimmte Situationen: PR-Auftritte, Social-Media-Aktivitäten - Bühnen, auf denen man sich profilieren kann?

Wagner: Ich würde nicht sagen, dass ich solche Situationen meide, versuche aber immer dann, wenn ich in der Öffentlichkeit auftrete, den Menschen in den Vordergrund zu stellen. Im Sport wirst du ja dazu verleitet, anzunehmen, dass das was du tust, absolut alles ist. Das Leben besteht also nur aus Basketball und die Loyalität zum Verein ist das Allergrößte. Als Profi habe ich aber schon erlebt, dass das ganz schöner Quatsch sein kann, weshalb ich immer versuche, das Menschliche zu betonen.

Moritz Wagner: Seine Statistiken in der NBA

TeamSpieleMINPTSFG%3P%REBAST
Lakers4310,44,841,528,62,00,6
Wizards7017,38,253,431,14,21,3
Celtics96,81,228,633,32,10,7
Magic19818,010,252,632,54,31,3
GESAMT32016,58,851,631,83,91,2
Das komplette Interview mit Moritz Wagner ist in BIG #135 erschienen.
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NBA - Moritz Wagner: "Ein Gamer wird wahrscheinlich nicht mehr aus mir"

Du spielst momentan den besten Basketball deiner NBA-Karriere. Punktest so viel wie nie, bist einer der effektivsten Center, die von der Bank kommen. Wie viel hat das mit der WM, mit einem größeren Selbstbewusstsein zu tun?

Wagner: Einen Titel gewonnen zu haben, hat mir extrem viel gegeben. Um in einem Teamsport etwas zu erreichen, muss jeder sehr viel opfern. Ob es um Zeit für dich, Zeit mit der Familie oder Zeit auf dem Court geht. Jeder muss Opfer bringen, weil es eben nicht funktioniert, wenn alle 30 Würfe nehmen. Das zu akzeptieren, auch wenn es nicht immer einfach ist, ist mir eigentlich schon immer ganz gut gelungen. Aber wenn du dann tatsächlich etwas Großes gewinnst, ist das noch einmal etwas ganz anders: Durch diese Erfahrung verstehst du viel besser auf was es ankommt, auch wenn dir das die Trainer über Jahre immer wieder erklärt habe. Für mich hatte das den Effekt, dass ich aktuell weniger hinterfrage und mehr Energie darauf verwende, effizienter zu werden. Dazu kommt, dass ich extrem dankbar für meine Situation in Orlando bin, weil ich weiß, dass es auch ganz anders sein kann.

Du sagst es, du kennst auch den weniger spaßigen Teil deines Jobs: In der Saison 2020/21 hast du in drei Teams (Washington, Boston, Orlando) gespielt, konntest nie sicher sein, wie es weitergeht. Was hat diese Zeit mit dir gemacht?

Wagner: Im Nachhinein bin ich dankbar, dass ich das erlebt habe, weil es mir dabei hilft, meine aktuelle Situation wertzuschätzen. Dass ich mit Franz zusammenspiele, ist eine Sache, das andere ist, eine feste Rolle und eine Organisation hinter sich zu haben, die wirklich in dich investiert. Das ist sehr, sehr viel wert in dieser Liga. Ich weiß, dass es nicht selbstverständlich ist, einen Job in der NBA zu haben. Diese Erfahrung gemacht zu haben, ist wertvoll für mich.

Was hast du in deinem Leben zuletzt aufgegeben, weil du den Spaß daran verloren hast?

Wagner: Ich merke immer ziemlich schnell, was mich begeistert und was nicht - das ging mir schon als Kind so. Wenn mich etwas packt, kann ich mich da voll reinstürzen, wenn nicht, lass ich es sein. Mit dem FIFA-Manager-Spiel geht es mir immer wieder so. Ich fange an mit meinen Jungs zu zocken, bekomme einen auf die Mütze, werfe den Controller weg. Ein Gamer wird wahrscheinlich nicht mehr aus mir.

NBA, Moritz Wagner
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Moritz Wagner: Ähnliche Rolle in der NBA bei Orlando Magic und in der Nationalmannschaft

Wer dich spielen sieht, merkt schnell: Der Typ meint es ernst, der spielt immer hart. Woher kommt diese Freude, sich reinzuhauen, Offensivfouls anzunehmen, die kleinen Sachen zu machen?

Wagner: So zu spielen, kostet mich wenig Energie, für mich ist das etwas ganz Natürliches. Und ich liebe es einfach, Basketball zu spielen. Anstrengender ist es für mich, meine Energie in produktive Aktionen zu katalysieren. Wenn du so spielst wie ich, läufst du Gefahr, dich darin zu verlieren. Meine Energie zielgerichtet einzusetzen ist etwas, woran ich gerne arbeite, was für mich aber anstrengender ist, als die pure Energie aufs Feld zu bringen.

Ist deine Rolle in Orlando mit der in der Nationalmannschaft vergleichbar?

Wagner: Ja, das ist ganz ähnlich. Ich komme von der Bank, spiele so 20 Minuten, und versuche die Zeit, die ich bekomme, sehr ernst zu nehmen. Ich will guten, strukturierten Basketball mit viel Energie und einer gewissen Aggressivität aufs Feld zu bringen. Die Rolle kann man vergleichen, die Art des Spiels nicht. Einerseits machst du 80, 90 Punkte, andererseits 120 - der Spielstil ist anders, meine Rolle aber ähnlich.

Ein Unterschied, den ich vermutet hatte, ist dein Oberlippenbart. Der war bei der WM etwas auffälliger, ist aber beim genauen Hinschauen noch immer da...

Wagner: Ja, den Bart habe ich jetzt schon seit ein paar Jahren. Mit Ende der Pubertät ist er etwas dunkler geworden, weshalb er auch mehr wahrgenommen wird. Die Reaktionen darauf sind gemischt: Die einen finden ihn lustig, die anderen machen sich darüber lustig.

Wann hast du zuletzt die Goldmedaille in der Hand gehabt?

Wagner: Die liegt bei mir in der Wohnung aber in die Hand nehme ich sie seltener als man vielleicht vermutet. Für mich ist das Schönste an dieser WM, was es mit den Leuten, die uns verfolgt haben, gemacht hat. Ich sage jetzt nicht jeden Tag zu meinem Spiegelbild: "Geil, ich bin Weltmeister!" Aber ich habe so viele Nachrichten von Leuten bekommen, die mir schreiben, dass sie mit dem Basketball anfangen, oder die sich jetzt für die Orlando Magic oder generell für Basketball interessieren. Das gibt mit mir viel mehr als die Goldmedaille. Und natürlich die Verbindung zum Team. Nicht nur dass unser Gruppen-Chat lebt, sondern dass man mit den Jungs für immer auf einem Level verbunden ist, der für Außenstehende schwer verständlich ist.

Was hast du bei dieser WM gelernt - über das Spiel, über dich?

Wagner: Sehr viel. Das Spiel in Europa ist viel komplexer, viel komplizierter. Du musst dabei viel mehr denken. Es ist schwieriger zu scoren, weshalb du konzentrierte sein musst und dich weniger auf dein Talent und deine Möglichkeiten verlassen kannst. Das hat mir auch gezeigt, dass es bei mir nochmal ein ganz anders Level gibt, auf dem ich mich fokussieren kann und muss. Die WM hat mir in punkto Basketball-Verständnis viel gebracht.

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