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Im Grindhouse nichts Neues

Der Big Papa im "Grindhouse" der Memphis Grizzlies: Marc Gasol
© getty

Die Memphis Grizzlies bleiben sich treu und verpflichteten im Sommer nur Spieler, die perfekt zu ihrem Kampf gegen das Small-Ball-Establishment passen. Dabei geht ihr Kern womöglich ins letzte gemeinsame Jahr. Dank Marc Gasol ist die mittelfristige Zukunft gesichert - aber hat das Team sein Limit schon erreicht?

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"Wir wollen garstig sein", sagt Dave Joerger mit einem süffisanten Grinsen, und führt weiter aus: "Wer versucht, gegen uns in die Zone zu kommen, wird keine schöne Zeit erleben. Ich habe im Sommer mit Mike Conley darüber gesprochen, gegen wen er es immer gehasst hat, zu spielen. Diese Art von Spieler wollten wir verpflichten. Matt ist einer dieser Spieler."

Matt, das meint Matt Barnes, seines Zeichens einer der "garstigsten" NBA-Spieler und eine der wenigen Neuverpflichtungen der Grizzlies in diesem Sommer. General Manager Chris Wallace, der bei derselben Pressekonferenz neben Joerger sitzt, fügt hinzu: "Wenn irgendjemand dazu bestimmt war, ein Grizzly zu werden, war er das."

Und auch der Angesprochene selbst stimmt zu: "Ich habe schon meine ganze Karriere so gespielt. Ich freue mich sehr auf die anderen Jungs hier, vor allem Tony Allen. Wir sind sehr ähnliche Spieler mit ähnlichen Einstellungen", so Barnes.

Der Vergleich mit dem "Grindfather" trifft in der Tat ins Schwarze. Sowohl Barnes als auch Allen definieren sich über ihren Einsatz in der Defense und ihre Toughness - und wenn jemand ein Problem damit hat, scheuen beide auch keine Konfrontation.

Wer braucht schon Shooter?

Barnes passt also tatsächlich perfekt zum "Grit'n'Grind"-Style der Grizzlies - allerdings nicht nur von seinen positiven Seiten her. Auch er löst nämlich nicht das große Problem der letzten Jahre, das Shooting. Zwar ist er kein Sprungwurf-Allergiker wie Allen, der in der zweiten Playoff-Runde von den Warriors zur Bürde für Memphis gemacht wurde.

Ein Scharfschütze ist Barnes indes auch nicht, wenngleich er bei den Clippers immerhin 36,2 Prozent seiner (meist weit offenen) Dreier versenkte. Die Grizzlies haben im Sommer auch sonst wenig gegen diese Schwachstelle unternommen, wenn man von Rookie Andrew Harrison absieht, dem in dieser Saison noch keine große Rolle zugedacht sein wird.

Mit Jarrell Martin ist der andere Rookie (No.25-Pick) ein Power Forward ohne große Wurf-Skills - und der aus Phoenix geholte Brandan Wright trifft traditionell kein Scheunentor, wenn er sich nicht in unmittelbarer Korbnähe befindet. Und damit wären auch bereits alle Neuzugänge aufgezählt.

Immer wieder gegen den Trend

Die Grizzlies machen also genau so weiter wie zuletzt. Und warum auch nicht? Das Team gehörte in den letzten Jahren immer zu den besten der Western Conference, und wer weiß, was möglich gewesen wäre, wenn Conleys Gesicht nach einem Ellbogen-Check von C.J. McCollum in der vergangenen Postseason nicht zum Studien-Objekt für "Körperwelten" verkommen wäre?

Immerhin hatte Memphis die späteren Champs aus Golden State ernsthaft in Bedrängnis gebracht und mit 2-1 geführt, bevor deren Coach Steve Kerr das Rätsel löste und sein Team eine Runde weiter führte. Allzu viel fehlte nicht - wie so oft in den letzten Jahren.

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Und das, obwohl man sich nahezu allen gängigen Trends widersetzte und nicht etwa Pace'n'Space oder Small-Ball zelebriert, sondern Oldschool-Basketball der dreckigsten Sorte. Immer mit zwei Big Men und dem methodischen Melken der Uhr als oberstem Grundsatz.

Nicht immer schön, dafür aber sehr effektiv. Nach Angaben vom nba.com/stats spielten nur vier Teams langsamer als Memphis, nur drei Teams verteidigten effektiver (DefRtg: 99,9). Damit ließ sich die vergleichsweise mittelmäßige Offense (OffRtG: 103,1, Platz 13) üblicherweise sehr gut kompensieren.

Alles dreht sich um Gasol

Der Katalysator dafür heißt auf beiden Seiten des Feldes Marc Gasol. Dementsprechend war "Big Spain" im Sommer auch die mit Abstand wichtigste Personalie. Der Spanier galt als einer der besten Free Agents überhaupt auf dem Markt, und obwohl er nicht einmal Meetings mit anderen Teams abhalten wollte, zitterten die Fans eine Zeit lang um seinen Verbleib.

Umso größer war die Freude, als der neue Maximalvertrag für Gasol nach einigen Wochen in der Free Agency unterschrieben wurde. "Dies ist ein großartiger Tag für die Stadt Memphis und die Grizzlies", sagte etwa Wallace, und fügte hinzu: "Wir haben den besten Center in der NBA. Und daran wird sich in den nächsten Jahren auch nichts ändern."

In der Tat hat sich Gasol schon lange von "Paus dickem kleinen Bruder" zum vielleicht komplettesten Fünfer der Liga entwickelt und stand in der vergangenen Saison völlig zu Recht im All-NBA First Team. Sein Verbleib garantiert den Grizzlies in den nächsten Jahren eine gewisse Relevanz - obwohl diverse andere Spieler des aktuellen Kerns eine ungewisse Zukunft haben.

Auch Conley muss bezahlt werden

Die wichtigste Personalie im kommenden Sommer ist zweifellos Conley, der sich im Schatten der spektakuläreren Spieler zu einem der besten Einser der Liga gemausert hat und als vermeintlich bester Guard der Free Agency wohl ebenfalls einen Maximalvertrag fordern dürfte. Die Grizzlies müssten aber gute Karten haben, da Conley auch Teil des Kontingents war, das Gasol von einem Verbleib in Memphis überzeugte.

Der andere namhafte Free Agent des kommenden Sommers heißt Jeff Green; der Swingman sollte eigentlich in der letzten Saison das fehlende Puzzleteil sein, fand sich aber nicht immer gut zurecht. Angesichts des ansteigenden Salary Caps dürfte indes auch ihm ein üppiger Zahltag bevorstehen, wenn er sich in der kommenden Saison ein wenig steigern kann. Auch der ständig unterschätzte Courtney Lee wird im Sommer Unrestricted Free Agent.

Ein Jahr später sind dann die älteren Herren dran - Zach Randolph, Vince Carter und Tony Allen werden allesamt vertragsfrei. Es ist also keineswegs garantiert, dass dieser Kern noch viele Chancen auf einen gemeinsamen tiefen Playoff-Ritt haben wird. Es ist sogar höchst unwahrscheinlich.

Wieder mal Underdog in Vegas

Umso interessanter wird es zu beobachten sein, ob die Grizzlies diese Ungewissheit in neue Energie kanalisieren und in dieser Saison vielleicht wirklich mal den entscheidenden Schritt über die Schwelle machen können. Sie haben natürlich nicht aufgerüstet wie etwa die Spurs, haben nicht die Star-Power von OKC oder den Clippers, sind nicht die Titelverteidiger aus Golden State.

Las Vegas glaubt wie üblich nicht an sie - sieben Teams werden bessere Titelchancen eingeräumt als ihnen. Das ist allerdings ohnehin eher nach dem Geschmack der Grizzlies, und Grund zur Hoffnung besteht trotz allem.

Wright bringt als Backup-Big eine Athletik mit, von der Gasol, Z-Bo oder sein Vorgänger Kosta Koufos nicht einmal mehr zu träumen wagen. Sein Vertrag kommt zudem einem Schnäppchen gleich, wenn man ihn mit dem von beispielsweise Koufos vergleicht. Dass Barnes im Herzen schon immer ein Grizzly war, wurde ja bereits erwähnt.

Aber auch intern dürfte es die eine oder andere Verbesserung geben. Green sollte sich nach seiner ersten Vorbereitung mit den Grizzlies wohler in der Offense fühlen, zumal er für einen neuen Vertrag spielt. Auch Sophomore Jordan Adams könnte eine größere Rolle einnehmen, wenn er seinen Shooting Touch aus College-Zeiten wiederfindet und in dieser Saison fit bleibt.

I did it my way...

Reichen diese kleinen Upgrades für den Schritt in Richtung Finals? Schwer zu sagen - der Westen ist bekanntlich nicht gerade schlechter geworden. Allerdings waren es in den letzten Jahren häufig auch bloß winzige Faktoren, die sie von diesem nächsten Schritt abgehalten haben. Jeder muss mal Glück haben.

In jedem Fall können die Grizzlies von sich behaupten, dass sie es auf ihre Weise versucht haben und sich treu geblieben sind. Selbst dann, wenn sich diese Saison als letzter oder vorletzter Versuch herausstellen sollte. Die Grizzlies werden garstig sein.

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