NBA

Des Meisters x-te Reifeprüfung

Von Martin Gödderz
Tim Duncan und Manu Ginobili stehen vor einem weiteren Schicksalsspiel
© getty

Nach einer dramatischen und an Spannung kaum zu überbietenden ersten Playoffserie kommt es in dieser Nacht um 2 Uhr deutscher Zeit zum finalen Showdown zwischen den Los Angeles Clippers und den San Antonio Spurs. Während der Meister solche Situationen etliche Male erlebt hat, wollen die Clippers das Schicksal einer ganzen Franchise verändern.

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Tim Duncans Haare beginnen schon langsam zu ergrauen. In den schwarzen Bartstoppeln finden sich immer mehr helle Stellen. Manu Ginobili ist mittlerweile froh über jedes Haar, das noch auf seinem Kopf sitzt und auch Gregg Popovich steht nicht mehr so gerade an der Seitenlinie wie noch bei der ersten Meisterschaft 1999. Keine Frage, wenn man in die Gesichter der San Antonio Spurs schaut, dann wird schnell klar: Hier sind keine Frischlinge am Werk.

So fürchtet sich beim amtierenden Champion auch längst kein Angestellter mehr vor einem siebten Spiel in den Playoffs, wie es nun wieder gegen Clippers ansteht. Schon viel zu häufig haben die Texaner ähnliche Schlachten geschlagen, viel zu erfahren sind sie im Umgang mit etwaigen Drucksituationen, als dass sie vor dem entscheidenden Showdown gegen das Team aus Hollywood beunruhigt wären und doch herrscht Respekt vor dem siebten und letzten Spiel einer hochspannenden Serie.

Parallelen zur Mavs-Serie

"Wir wussten, dass es hart wird und wir wussten, dass es am Ende nur an uns selbst liegen wird, ob wir weiterkommen oder nicht", meinte Boris Diaw angesprochen auf das finale Spiel gegen die Clippers in der Nacht von Samstag auf Sonntag (2 Uhr). Ähnliche Worte hatte man die Spurs vor beinahe exakt einem Jahr sagen hören, als sie in einem alles entscheidenden Spiel sieben am 4. Mai 2014 gegen die Dallas Mavericks antraten und die Oberhand behielten.

In vielen Punkten gleicht die Serie zwischen den Spurs und den Clippers der aus dem letzten Jahr zwischen San Antonio und Dallas. Wie schon vor einem Jahr bietet der Champion gemeinsam mit seinem Kontrahenten den Zuschauern die mit Abstand spannendste und hochklassigste Erstrundenserie der Playoffs. Rechnet man den Punktestand der extrem hart umkämpften sechs Spiel zusammen, führen die Spurs mit 615:605. Zehn Punkte Differenz aus sechs Spielen, knapper geht es kaum.

Ähnlich knapp war die Serie zwischen den Mavs und den Spurs, als Dallas dank eines irren Buzzer-Beaters von Vince Carter und den Kniffen von Rick Carlisle nach sechs Spielen mit 612:603 führte. Damals blieb San Antonio im letzten Spiel absolut cool, entschied das Match für sich und marschierte im Anschluss zur fünften Championship der Ära Popovich/Duncan. Ob die Playoffs in diesem Jahr ähnlich verlaufen, erscheint offener denn je.

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Erfahrung gegen Wille

Während San Antonio auf seine geballte Erfahrung zählen kann, hat Los Angeles nicht nur den Status des nimmermüden Underdogs auf seiner Seite. Für die Clippers geht es um viel mehr als nur ein siebtes Spiel in der ersten Runde. Das Team um Doc Rivers kämpft auch darum die von Enttäuschungen und Niederlagen geprägte Geschichte der Franchise zu verändern. Dabei steht auch das Schicksal der Mannschaft auf dem Spiel.

Weiter als bis zur zweiten Playoffrunde in der sehr starken Western Conference hat es für das hochtalentierte Team und Griffin, Jordan und Co seit der Ankunft von Chris Paul 2011 noch nicht gereicht. Im letzten Jahr unterlag man den Thunder in Runde zwei mit 2:4, im Jahr zuvor setzte es gegen den Grizzlies bereits das Aus in Runde eins, 2012 musste man sich in Pauls erstem Jahr mit 0:4 eben jenen Spurs geschlagen geben.

So steht für die Clippers neben der Revanche für den Sweep auch das vielleicht letzte Spiel in der derzeitigen Besetzung an. Center DeAndre Jordan wird nach der Saison Free Agent und liebäugelt bereits mit einem Wechsel. Vorher soll es allerdings noch einmal ganz weit gehen für das kongeniale Trio. Vor allen Dingen der in dieser Serie herausragend spielende Paul (22 Punkte, 8 Assists, 2 Steals im Schnitt) will seinem unschönen Playoffrekord von 24-34 nicht noch eine weitere Niederlage hinzufügen.

Finals-Feeling in Runde eins

An Motivation und Willen mangelt es den Clippers also wahrlich nicht. Das haben schon die sechs Spiele der Serie bewiesen. Coach Doc Rivers hatte seinem Team vor dem Beginn der Playoffs eine Liste von 47 Expertentipps vorgestellt. Trotz des Heimvorteils für Los Angeles sahen 46 die Spurs vorne, nur einer die Clippers. Die spielten aber von Beginn an nicht wie ein Außenseiter, wodurch sich eine atemberaubende Serie entwickelte.

Sechs äußerst spannende Spiele, vier Auswärtssiege, zwei brillante Coaches, die sich immer wieder neue Finten ausdachten, ein unerwartetes Point-Guard-Duell zwischen Chris Paul und Patty Mills sowie das spektakuläre Matchup zwischen Tim Duncan, dem vielleicht besten Power Forward aller Zeiten und Blake Griffin, einem der besten Vierer der neuen Generation. Nicht umsonst betonte Doc Rivers: "Es ist einfach unfassbar, dass das nur eine Erstrundenserie ist."

Big Baby Davis fraglich

Unrecht hat Rivers nicht. Beide Teams begegnen sich in allen Bereichen auf einem extrem hohen Niveau, weswegen es auch nicht verwundert, dass der Sieger der Serie automatisch als Favorit in Runde zwei gegen die Rockets gehandelt wird. Wer dies sein wird, ist nicht vorherzusagen. Feststeht allerdings, dass vor dem letzten Spiel wohl nicht mehr alle 46 Stimmen der Experten auf die Spurs fallen würden.

Personell können beide Teams jedenfalls aus dem Vollen schöpfen. Die Clippers bangen lediglich um den angeschlagenen Glen Davis. Ein Ausfall des Power Forwards wäre für die sowieso äußerst dünn besetzte Bank der Clippers ein Nachteil, bekämen Griffin und Jordan doch wohl noch weniger Zeit zu verschnaufen.

Niederlage mit Folgen?

Nicht selten wird gesagt, dass der amtierende Titelverteidiger in solchen Spielen auf einer motivationalen Ebene einen kleinen Nachteil hat. Die Spurs haben bereits fünf Titel in der Tasche und müssen sich den Angriffen eines Clippers-Teams erwähnen, das heiß ist und unbedingt beweisen will, dass man es weiter schaffen kann als bis in die Conference Semifinals. San Antonio dagegen ist mit allen Wassern gewaschen und befand sich eben schon vor fast genau einem Jahr in einer sehr ähnlichen Situation.

So lässt sich am Ende kein Favorit ausmachen. Doch sicher ist: Während der Gewinner das Zeug zum Champion hat, könnte eine Niederlage schicksalhafte Folge für die jeweilige Franchise haben. Der Rücktritt einiger Spurs-Stars oder der Abgang von wichtigen Spielern bei den Clippers scheint dann nicht ausgeschlossen.

Der Spielplan im Überblick